Interview: Pia Hierzegger über das Sterben und ihren neuen Film

Schauspielerin Pia Hierzegger über „Ivo“, ihren Hang zum Minimalismus und ihr Image als Frau, die niemals lacht.

Es ist ein berührendes Thema, dem sich der Film „Ivo“ (aktuell im Kino) angenehm unaufgeregt nähert. Die Handlung: Die Palliativpflegerin Ivo fährt täglich in die Haushalte ihrer Patienten und erleichtert ihnen die wenige Zeit, die ihnen noch bleibt. Ihre Patientin Solveigh (Pia Hierzegger) ist auch eine Freundin. Auch zu Solveighs Mann hat sie eine spezielle Beziehung, sie schlafen miteinander. Als ihre letzten Kräfte nachlassen, bittet sie Ivo, ihr beim Sterben zu helfen. Bei der Berlinale kam der Film mit seinen starken Darstellerleistungen sehr gut an. Zum Interview treffen wir Pia Hierzegger im Filmcasino in Wien.

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Die Freundschaft zwischen einer Sterbenden und einer Pflegerin, dazu eine Dreiecksgeschichte und das Thema Sterbehilfe. Hatten Sie Lust auf große Tragödie?

Anfangs gab es ein Treatment, danach erarbeiteten wir und Regisseurin Eva Trobisch in Improvisationen die Dialoge. Die kamen ohne Kitsch aus, da habe ich gesagt, das interessiert mich. Außerdem wollte ich mit ihr arbeiten. Ich hatte also eher auf die Umstände des Films Lust, als auf die Schwere des Themas. Aber so wie es erzählt wird, fand ich es gleich super.

Interessierten die Themen Sie schon vorher?

Man interessiert sich zwar intellektuell für den Tod, aber eigentlich will man damit nichts zu tun haben. Der Tod, hofft man insgeheim, soll nur die anderen treffen. Man muss erst akzeptieren lernen, dass man selber nicht unverwundbar ist. Mit dem Thema Sterbehilfe habe ich mich zuvor nicht sehr auseinander gesetzt. Mit Pflege sehr wohl, weil es auch in der Verwandtschaft Thema wird.

Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle als Sterbenskranke vorbereitet?

Unter anderem, indem ich das Buch einer schwedischen Fernsehmoderatorin gelesen habe. Sie litt unter ALS (Amyotrophe Lateralsklerose, Anm.), einer schweren Erkrankung des Nervensystems. Sie beschreibt im Buch, wie die Krankheit sie immer mehr einschränkt und sie sich bei klarem Verstand immer weniger bewegen kann. Diesen Weg als Leserin mitzugehen ist ziemlich heftig. Das geht so weit, dass man glaubt, ihre Symptome bei sich selbst zu entdecken.

Sterbebegleitung als Beruf ist mehr als nur herausfordernd. Wie steht man das Ihrer Ansicht nach durch?

Das frage ich mich selbst noch immer. Im Gespräch mit Leuten aus der Palliativpflege merkt man, dass es ihr Alltag geworden ist. Ich finde es bewundernswert und zugleich schön und beruhigend, dass man so eine Leichtigkeit mit dem Thema entwickeln kann. Die Menschen, die ich kennengelernt habe, sind alle sehr unaufgeregte Profis. Was mir aufgefallen ist: Im Gegenteil zu was man vielleicht erwartet sind sie nicht zynisch oder verbittert. Sondern ungemein realistisch – und erschöpft.

Emotionalität nein, Pragmatismus ja – eine probate Herangehensweise an diesen Beruf?

Ich glaube, es ist in jedem Beruf wichtig, dass man nicht alle Last mitnimmt nach Hause. Sonst gelingt es einem irgendwann nicht mehr, auf die Menschen, die dort hoffentlich auf einen warten, einzugehen.

Ich habe jetzt nicht ständig Angst vor dem Tod. Aber so weit, zu akzeptieren, dass er Teil des Lebens ist, so gelassen bin ich noch lange nicht.

Wie lange brauchten Sie, um Ihre Rolle wieder loszuwerden?

Ich bin keine Schauspielerin, der es schwerfällt, wieder aus ihrer Rolle auszusteigen. Das liegt auch an meiner Herangehensweise. Ich stelle mir stets vor, wie ich in einer Situation reagieren würde. Das Tolle an dem Beruf ist ja eigentlich, dass man ständig neue Sachen kennenlernt. Und die will man ja gar nicht wieder loswerden. Die Angst vor Krankheit in diesem Fall aber schon.

Wie gehen Sie mit der Tatsache um, dass wir alle einmal das Zeitliche segnen?

Meistens habe ich so viel zu tun, dass ich keine Zeit habe, mich mit dem eigenen Sterben auseinander zu setzen. Ich will sie mir auch nicht nehmen. Irgendwann holt einen das Thema dennoch ein. Ich habe jetzt nicht ständig Angst vor dem Tod. Aber so weit, zu akzeptieren, dass er Teil des Lebens ist, so gelassen bin ich noch lange nicht.

Spiegelblick im Kino: Pia Hierzegger und Redakteur Alexander Kern beim Interview im Filmcasino

©Privat

Was ist für Sie ein sinnerfülltes Leben?

Für mich bedeutet es, einer Arbeit nachzugehen, die ich gerne mache, von der ich glaube, dass sie sinnvoll ist, und von der ich leben kann. Viel wichtiger sind jedoch die Beziehungen mit den Menschen um sich, der Austausch. Und es zu schaffen, nicht ständig die Schuld bei anderen zu suchen – und was andere falsch machen, damit mein Leben nicht glücklich verläuft. Ich versuche, nicht immer wütend auf andere Menschen zu sein, die anders denken, was gar nicht so leicht ist.

Sie spielen oft Frauen, die zwischen Apathie und Emotionslosigkeit schwanken und mit Hang zum trockenen Humor. Ist das Ihr Rollenfach?

Das beruht vor allem auf meiner ersten Filmrolle in Michael Glawoggers „Nacktschnecken“, die so angelegt war. Ab da wurde mir das öfter angeboten. Natürlich bin ich aber froh, wenn ich unterschiedliche Charaktere spielen kann. Das Lachen wurde mir nicht verboten, aber die Rollen forderten eine gewisse Zurückgenommenheit ein.

Dennoch pflegen Sie eine gewisse Liebe zum Minimalismus.

Ich glaube, das ist einfach meine Art von Ausdrucksmittel und wie ich eine Figur erzähle. Ich bin auch sonst ein eher zurückhaltender Mensch und durchlebe nicht ständig extreme Emotionen. Emotionalere Menschen statten ihre Figuren auch emotionaler aus. Es ist also: Unvermögen. (lacht)

Pia Hierzegger

Pia Hierzegger

Pia Hierzegger wurde 1972 in Graz geboren. Sie begann mit 16 Theater zu spielen. 2004 Debüt im Film „Nacktschnecken“.  Sie war u. a.  in David Schalkos „Aufschneider“ zu sehen, in „Der Knochenmann“ und „Wilde Maus“. Sie schreibt Drehbücher und führt Regie. Ihr Lebensgefährte ist Josef Hader.

Sie gingen mit 16 Jahren zum Theater.

Ich habe neben der Schule als Hobby Theater gespielt. Basketball auch, zumindest so lange bis ich aufgehört habe zu wachsen. In Graz bin ich öfter drei Wochen auf eine Sommerschule für Theater gegangen. Auch Philipp Hochmair war da übrigens.

Was war der Reiz, der damals für Sie vom Schauspiel ausging?

Es war ein Ausbrechen und Ausprobieren von Rollenbildern, was damals für Mädchen in meinem Alter nicht so leicht möglich war. Als ich Teenager war, gab es noch nicht so viele Vorbilder, denen man nacheifern wollte. Alle tollen Jobs waren eigentlich Männern vorbehalten. Aber wenn man spielt, kann man alles spielen und alles sein. In meiner ersten Rolle trat ich als Frau auf, die sich als Mann verkleidet und zur See fährt.

Wann drehen Sie wieder einen Film mit Ihrem Lebenspartner Josef Hader?

Keine Ahnung! Das kann sich kurzfristig ergeben. Aber wenn der Film und die Rolle passen, ist nichts dagegen einzuwenden.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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