Sängerin Ina Regen: "Ich lasse mich von niemandem mehr aufhalten"
Große Töne: Ina Regen über ihr neues Orchester-Album, Träume und die Macht des Optimismus.
Mit ihrem sensiblen Dialektpop und Hits wie „Wie a Kind“ hat sich die Amadeus-Preisträgerin in die Austropop-Geschichte eingeschrieben. Jetzt lässt Ina Regen wieder aufhorchen: Ihre besten Hits in neuem Gewand plus drei neue Songs – „Was ma heut net träumen“ ist ein Orchesteralbum im großen sinfonischen Stil mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, mit dem sie auch live auftritt. Zum Interview (TV-Tipp: "KURIER TV - Das Magazin, Interview mit Ina Regen, 29.2., 17.45 Uhr und 19.45 Uhr) in Wien kommt Regen in Silberstiefeln und Anzug-Ensemble mit Minirock. „Eine Frau zu sein wird endlich wieder cool“, sagt sie.
Ein 85-Mann-Orchester, das sinfonisch alle Stückeln spielt, große Harmonien – ging da ein Traum in Erfüllung?
Es hat mich an mich als Fünfjährige erinnert, als ich eine Kassette mit dem Musical „Elisabeth“ rauf und runter gehört habe. Andere Kinder hörten Märchen. Mir hatte es diese Orchestermusik angetan, die poppige Erzählstruktur und Charaktere, die Geschichten erzählen. Bei der Arbeit am Album ist mir klar geworden, was hier gerade gleichzeitig passiert: meine erste musikalische Erinnerung kehrt zurück und mein größter Traum erfüllt sich.
Sie meinten, Sie fühlten sich wie Cinderella. So kannte man Sie bislang weniger.
Ich stelle fest, dass ich ein richtiges Mädchen bin, inklusive aller Klischees, und dass ich mir das lange verboten habe. Und ich befinde mich damit in bester Gesellschaft. Taylor Swift glitzert, „Barbie“ war ein Riesen-Phänomen. Ich habe das Gefühl, ein Mädchen oder eine Frau zu sein wird endlich wieder cool. Dadurch erlaube ich mir Dinge, die ich früher als uncool eingestuft hätte, etwa große Roben und Opernball-Feeling. Auch Anna Netrebko oder Elīna Garanča stehen so auf der Bühne. Ich hatte Lust drauf und merkte, es fühlt sich nicht verkleidet an. Es ist ein notwendiger Schritt und eine Tradition, die ich in meinem Stil weitertragen kann. Ich denke an Barbra Streisand, Shirley Bassey, James-Bond-Songs oder die großen Disney-Soundtracks meiner Kindheit.
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Ich stelle fest, dass ich ein richtiges Mädchen bin und dass ich mir das lange verboten habe.
Wie ist das Gefühl, mit einem so großen Orchester dann auf der Bühne zu stehen?
Überwältigend und magisch. Viel zu arg, als man es sich vorstellen könnte. Und steht man dann mittendrin, fühlt man sehr viele Gefühle zum allerersten Mal. Ich war am Rande der Sprachlosigkeit. Aber ich hatte noch einen Job zu erledigen!
Ina Regen im Kurier TV-Talk
„Was ma heut net träumen … das wird morgen net wahr“ heißt es im Titellied. Was wollen Sie uns damit sagen?
Wir brauchen Hoffnung. Jetzt noch mehr als 2020 während des Lockdowns. Es gibt inzwischen monumentalere Krisen, denen wir begegnen müssen. Ich habe jedoch das Gefühl, nicht jeder übernimmt Verantwortung, diese Welt zu retten. Sei es in Beziehungen, der Klimakrise oder in Rassismus-Debatten. Wenn sich jedoch nicht jeder von uns dazu erzieht, ein besserer Mensch füreinander sein zu wollen, sehe ich Schwarz. Es steht richtig viel auf dem Spiel und das mehr denn je. Deswegen ist es wichtig, zur Ermächtigung zu ermuntern. Ich selbst trage Optimismus bis an den Rand der Naivität in mir. Penetrant ist das beinahe.
Unerschütterlicher Optimismus, ein schöner Wesenszug. Reden wir auch über Träume. Wovon haben Sie als Kind geträumt?
Ohne gewusst zu haben, was dieser Beruf genau darstellt, habe ich genau davon geträumt, was ich jetzt erleben darf. Es ist geradezu absurd, dass ich mittendrin stecke in etwas, das ich mir im Alter zwischen zehn und vierzehn ausgemalt habe. Ich hätte zwar gedacht, dass es mehr Taylor Swift sein wird als Dialekt. Aber ich habe im Erwachsenwerden festgestellt, dass ich authentisch sein muss und die Muttersprache war die logische Konsequenz dieses Gefühls.
Viele verdrängen die Träume, die sie als Kind hatten, sobald sie erwachsen sind. Soll man Vorstellungen von der Zukunft möglichst nicht aus den Augen lassen – oder bereit sein, sie auch loszulassen?
Am Ende meiner Konzerte sage ich dem Publikum immer: Mach’ dich glücklich! Es steckt eine große Kraft darin, die Verantwortung für sein Glück selbst zu übernehmen und nicht an Partner, Kinder oder Beruf auszulagern. Man muss auch nicht immer stur auf den Träumen der Kindheit beharren. Aber die Neugierde, Abenteuerlust und Fantasie eines Kindes sollte man sich zurückerobern. Träumen heißt, ehrlich mit sich selbst zu sein. Und sich etwa zu fragen: Vor welchem Traum fürchte ich mich am meisten, dass er nicht in Erfüllung geht?
Träumer werden oft negativ bewertet, als weltfremd gesehen. Sind Träumer Realisten tatsächlich unterlegen?
Es heißt, wir brauchen mehr Träumer und Fantasten, denn wo die anderen uns hingeführt haben, sehen wir ja. Das stimmt. Der aktuelle weltpolitische Zustand ist Ausdruck dessen, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, so weiterzumachen wie bisher. Was wir heute selbstverständlich und gut finden, waren vor langer Zeit einmal gesellschaftliche Utopien, etwa geregelte Arbeitszeiten, Sozialstaat und Kampf gegen die Armut, oder zugängliche Bildung für alle. Ich frage mich, welche Ideen sind wir der Zukunft schuldig? Dieses Investment müssen wir vorantreiben, damit in 100 Jahren die Kinder dieser Zeit stolz auf uns sind.
Wie heißt es so schön: Für Pessimismus ist es jetzt zu spät.
Großartig! Mir gefällt auch dieses Zitat sehr gut, vom Schriftsteller Romain Rolland: „Das schlimmste Übel, an dem die Welt leidet, ist nicht die Stärke der Bösen, sondern die Schwäche der Guten.“ Zum Guten gehört auch der Optimismus und den will ich mir von niemandem kaputt machen lassen. Kaum etwas zeugt von größerer Verletzlichkeit, als in sich die Größe zu finden, an das Gute zu glauben und für das Gute einzustehen. Sei es in Form von Demonstrationen oder als Akt der Zivilcourage im Alltag. Ich lasse mir von niemandem mehr erklären, das sei eine Schwäche. Im Gegenteil, die Menschen sollten daraus gelernt haben. Ich lasse mich von niemandem mehr aufhalten, der diese Kraft nicht in sich selbst kultiviert.
Sie sind bei keinem Branchenriesen unter Vertrag, betreiben stattdessen Ihr eigenes Plattenlabel, was bekanntermaßen großen Aufwand benötigt. Wie viel Kraft kostet es, den eigenen Weg zu gehen?
Es war eine logische Konsequenz für mich, eingedenk meines Berufs und dieser Industrie. Selbstbestimmung, gerade als Frau, ist viel Arbeit – gleichzeitig ist es der einzige Weg, heute zu bestehen. Taylor Swift ist in dieser Hinsicht ein Vorbild.
Sie nennen Ihren Namen häufiger. Sind Sie die Taylor Swift von Österreich?
Das müssen andere beurteilen. Als Frau sucht man Vorbilder, und wenn man sie im eigenen Kulturkreis schwer findet, wird man anderswo in der Welt fündig. Was ich an Taylor Swift so spannend finde: Sie scheint angetreten, mit Regeln, mit denen sie nicht einverstanden ist, zu brechen und stattdessen neue Regeln aufzustellen. Sie verletzt dabei niemanden. Vielmehr zeigt sie, dass es auch anders geht und erfolgreich sein kann. Das ist ermutigend.
Finden Sie noch Platz im Kalender für Zeit, die ganz Ihnen gehört?
Ich habe das die vergangenen Jahre gelernt und scheitere auch oft genug daran. Heute versuche ich, mir zumindest einen Tag die Woche freizugeben. Beziehungen sind mir extrem wichtig. Um sie zu pflegen, braucht es manchmal eben Termine. Ich möchte mir später nicht den Vorwurf machen müssen, dass mir die Karriere über alles ging.
Sie wünschen sich mehr Gelassenheit ...
Mein großer Jahresvorsatz! Ich möchte mich weniger innerem Stress aussetzen und mir selbst genug sein. Oft habe ich das Gefühl, immer noch mehr arbeiten zu müssen, weil ja morgen alles vorbei sein könnte. Als könnte das nächste E-Mail, das ich verschicke, das Schicksal der Welt bestimmen. Ein seltsames Gefühl, dem ich 2024 nicht mehr glauben möchte.
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