In viele Richtungen offen: Das neue Museum von Heidi Horten in Wien

Ein erster Rundgang offenbart ein architektonisch ambitioniertes Haus, das seine Identität aber erst finden muss

Wenn heute ein Museum neu gebaut wird, muss die erste Frage lauten: Für wen?

Im Fall der Heidi Horten Collection, deren permanente Heimstatt im Hanuschhof neben Staatsoper und Albertina ab Freitag (3. 6.) endlich dem Publikum offen steht, ist die Frage, wofür das Gebäude nicht gemacht ist, einfacher zu beantworten.

Es ist – den mittels Architektur und Kunst gesendeten Signalen nach – kein Protzbau, der nur einer persönlichen Eitelkeit geschuldet ist. Es ist auch – was man angesichts der viel beachteten Erstpräsentation der Sammlung im Leopold Museum mit dem Titel „Wow!“ 2018 durchaus hätte vermuten können – keine Abspielstation für am Kunstmarkt akkumuliertes Kapital in Form hochpreisiger „Blue-Chip“-Werke. Auch die aus aristokratischer Tradition hergeleitete Idee des Museums als Ort, an dem das Volk fürstliche Größe und Reichtum bestaunen darf, wirkt in der von Direktorin Agnes Husslein-Arco verantworteten Eröffnungsschau „Open“ deutlich in den Hintergrund gerückt.

WIEN: PRIVATMUSEUM "HEIDI HORTEN COLLECTION"
©APA/HELMUT FOHRINGER / HELMUT FOHRINGER

Schauwerte

Nein, der jüngste Zuwachs in Wiens Museumslandschaft ist ein zeitgenössisches Haus und als solches, man verzeihe das Trendwort, ein „Hybrid“.

Die drei Ebenen, die durch schön anzuschauende Freitreppen zu erklimmen sind, sind ebenso Bühnen wie Orte der Kunstbetrachtung. Die Architektur, mit ihren verdrehten Plateaus und zahlreichen Durchblicken über die Ebenen hinweg, ist selbst mindestens so sehr Akteurin wie Dienerin der Kunst.

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Zwar betont Husslein-Arco, dass die Räume mit Stellwänden veränderbar seien – aber es ist auch klar, dass das Museum, dessen historische Anmutung sich auf die Fassade des einstigen Kanzleigebäudes beschränkt, nicht in erster Linie gebaut wurde, um darin Bilder aufzuhängen. Die Hingucker-Werke – ein Dino aus Trompetenrohren von Constantin Luser, eine lila Sau von Lena Henke, eine Arbeit von Brigitte Kowanz – sind allesamt Skulpturen oder Objekte.

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Wow, Tröt, Oink, Miau

Die Eröffnungsschau, die nicht zuletzt die vom Architekturbüro „thenextENTERprise“ geschaffenen Raumqualitäten hervorkehren will, hält die Kunstbespielung bewusst locker. Die Unterteilung in drei inhaltliche Stränge – einmal geht es um Tiere in der Kunst, dann um Licht und Neon, schließlich noch um Beziehungen von Schrift und Bild – wirkt dabei ein wenig konstruiert.Was aber auffällt, ist, dass Husslein-Arco – im Kontrast zu den „großen Namen“ der „Wow!“-Schau – Anschluss an die Gegenwart suchte und dabei seit 2018 viele Werke einer jüngeren Generation in Österreich tätiger Kunstschaffender eingekauft hat.

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Ulrike Müllers Teppich mit Katzen-Konturen etwa füllt eine große Wand. Andreas Duscha schuf als Auftragsarbeit Spiegel-Objekte nahe der Sanitärräume – auf einem ist eine Anspielung auf die spekulative „Tulpenblase“ im Goldenen Zeitalter der Niederlande zu sehen. Regt sich da gar Kapitalismuskritik im Haus der Milliardärin?

Museumsleiterin Husslein-Arco betont, dass die Initiative zu jüngeren Positionen von Goëss-Horten selbst gekommen sei. Dass diese die längste Zeit nach persönlichen Vorlieben Kunst für ihr privates Umfeld kaufte, ist aber auch kein Geheimnis.

Die Antwort auf die Frage „Für wen?“ ist also ein Prozess, und er ist bei Weitem nicht abgeschlossen. Dass Goëss-Horten ihn angestoßen hat, ist ihr hoch anzurechnen (sie hätte ja ihre Schätze auch nur horten können); der Ort, den sie schaffen ließ, das Potenzial zur Öffnung, spielt es aber noch nicht voll aus: Noch wandelt man, seiner eigenen Position unsicher, umher, anstatt sich aufzuhalten, der Charakter eines Forums fehlt. Aber das Museum steht ja erst ganz am Anfang.

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Die Gründerin
Heidi Goëss-Horten (*1941) erbte von ihrem ersten Mann, dem deutschen „Kaufhauskönig“ Helmut Horten (1909–1987), ein Milliardenvermögen. Ab den 1990er-Jahren investierte sie verstärkt in Kunst.

Das Museum
 Das ehemalige „Stöcklgebäude“ im Hanuschhof, Wien 1, wurde entkernt und nahezu neu gebaut. Ab 3. Juni ist es   zugänglich (täglich außer Dienstag, 11 bis 19 Uhr). Donnerstags von 18 bis 21 Uhr freier Eintritt mit vorab gebuchten Timeslot-Tickets. www.hortencollection.com

Michael Huber

Über Michael Huber

Michael Huber, 1976 in Klagenfurt geboren, ist seit 2009 Redakteur im Ressort Kultur & Medien mit den Themenschwerpunkten Bildende Kunst und Kulturpolitik. Er studierte Publizistik und Kunstgeschichte und kam 1998 als Volontär erstmals in die KURIER-Redaktion. 2001 stieg er in der Sonntags-Redaktion ein, wo er für die Beilage "kult" über Popmusik schrieb und das erste Kurier-Blog führte. Von 2006-2007 war Michael Huber Fulbright Student und Bollinger Fellow an der Columbia University Journalism School in New York City, wo er ein Programm mit Schwerpunkt Kulturjournalismus mit dem Titel „Master of Arts“ abschloss. Als freier Journalist veröffentlichte er Artikel u.a. bei ORF ON Kultur, in der Süddeutschen Zeitung, der Kunstzeitung und in den Magazinen FORMAT, the gap, TBA und BIORAMA.

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