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Martina Parker im Interview: "Ich zwinge andere zu ihrem Glück"

Auf der Spur einer Erfolgsstory. Warum es ohne Arbeit nicht geht, das Alter völlig egal ist und wie späte Diagnosen so manches erklären.

Ihr Gartenkrimi „Zuagroast“ war 2021 ein Überraschungserfolg, aber keine Eintagsfliege. 2026 wird der sechste Band dieser Serie erscheinen, während der erste gerade mit Manuel Rubey und Hilde Dalik verfilmt wurde. Dem nicht genug: Krimi-Autorin Martina Parker hat eine neue Ermittlerin ins Leben gerufen. 
Parker hat viel Energie, nicht erst seit heute. Sonst hätte sie nicht den Mut gehabt, 2020 nach vielen Jahren ihren Job zu kündigen, um ihre zweite Karriere als Autorin zu starten: Ein fertiges Buch hatte sie da noch nicht in der Schublade, aber viele Ideen im Kopf. „Shootingstar“ wurde Martina Parker damals genannt, als sie mit „Zuagroast“ herauskam. Längst hat sie sich mit ihren „Gartenkrimis“ namens „Hamdraht“, „Aufgblattelt“ & Co. eine eigene Leser-Community geschaffen. Und damit es  nicht fad wird, hat sie mit "Miss Vergnügen" eine neue Ermittlerin ins Leben gerufen. Schauplatz: diesmal Wien statt Burgenland. Was bleibt, ist der Hang zu skurrilen Figuren und eine Sprache, die den Dialekt liebt. 

Wollen Sie uns etwas über das Sexleben von Nacktschnecken erzählen?

Martina Parker: (Lacht) Die kleben ewig aneinander und verhaken sich so richtig zu einem schleimigen Etwas – das ist ekelhaft, wenn man das im Garten beobachtet.

Ich bin Legasthenikerin. Das wurde mir erst klar, als mein Sohn die Diagnose bekam. Bei mir hieß es früher immer: schlampig, faul und blöd. 

In Ihrem ersten Krimi „Zuagroast“ erfährt man auch, dass Nacktschnecken sich bis zu 24 Stunden lang streicheln, bevor es zur Sache geht. Kuriose Fakten ziehen sich, als kleine Einleitungen vor jedem Kapitel, durch alle Ihre Bücher.

Ich lese unheimlich gern Studien – aus Psychologie, Verhaltensbiologie, Soziologie. Und ich finde, man kann viel über Menschen lernen, wenn man auch über Tiere liest. Außerdem lockert es auf und gibt einen zusätzlichen Blickwinkel auf das, was im Kapitel passiert. 

„Zuagroast“ wurde gerade verfilmt. Ihr sechster „Gartenkrimi“  kommt 2026 in den Handel. Woher dieser Erfolg?

Offenbar hab ich einen Nerv getroffen. Vielleicht, weil ich kein typisches Krimischema bediene, sondern Figuren entwickle, die man glaubt, zu kennen. Aber es war auch sehr viel harte Arbeit. Ich war nicht zu stolz, mir die Hacken abzulaufen. Du musst die Leute kennenlernen, damit sie dich weiterempfehlen: Ich war bei größter Hitze auf Gartenmessen und hab mich den Buchhändlern selbst vorgestellt: „Hallo, ich bin Martina und habe einen Gartenkrimi geschrieben“. Dass das alles aufgeht, hat aber auch  sehr viel mit meinen Leserinnen und Lesern zu tun. Die schenken das Buch weiter, weil sie wollen, dass andere das auch lesen, damit sie darüber reden können.

Jetzt haben Sie eine neue Krimireihe ins Leben gerufen. Hier ist einiges anders als in Ihren Gartenkrimis ...

Ich hab mich bewusst entschieden, dass ich mal raus aus dem Burgenland will. Nicht, weil ich es nicht mehr mag, sondern weil ich ein neues Setting wollte. Schon allein der Wiener Humor  ergibt eine völlig andere Tonalität und andere Energie.

Ihr neuer Krimi „Miss Vergnügen“ spielt in der Beauty-Branche. Sie waren ja, bevor Sie Buch-Autorin wurden, Journalistin in dieser Branche. Könnten sich Menschen darin unvermutet wiedererkennen?

Reale Menschen, die in meinen Büchern vorkommen, werden immer gefragt. Also nein. Aber natürlich sind die Figuren das Wichtigste, sie müssen immer echt wirken. Ich habe auch versucht, die Branche realistisch zu zeichnen, mit allen ihren Problemen zwischen Tradition, Luxusanspruch, Schönheit und modernem Kapitalismus und Kommerzdenken. Ich habe auch versucht, zu zeigen, dass etwa der Konzernchef nicht nur Bösewicht ist, sondern auch Probleme hat.  Für seine Frau ist er Ernährer und Hassobjekt, für die Mitarbeiter der gemeine Restrukturierer,  für die Schwägerin ein netter, lieber Mensch. Und das trifft auf alle Figuren zu. Keiner ist nur böse und keiner nur lieb.

Sie sind auch für Ihre Lesungen bekannt. 

Ja, eigentlich ist es schon Comedy, ich lass mir immer etwas einfallen. Man „erliest“ sich sein Publikum. Ich hatte Glück, habe bei „Zuagroast“ gleich am Anfang Anfragen bekommen. Aber: Man überschätzt  die eigene Kraft. Ich bin ja kein Superstar mit Chauffeur, sondern fahre oft selbst mit dem Auto durch ganz Österreich, weil es oft keine Zugverbindung gibt. Ich musste erst lernen, wie viel geht – und was mich vom Schreiben abhält.

Sind diese Touren manchmal auch einsam?

Wenn es unter zwei Stunden entfernt ist, versuche ich heimzufahren. Wenn es weiter weg ist, sind das meist Krimifestivals – da trifft man viele liebe Kolleginnen. Da gibt es auch viel Hilfe und wenig Neid. Es ist irgendwie ein geschützter Raum.

Früher – in den Nullerjahren – hat man ständig auf dem Gewicht von Frauen herumgeritten. Da gab es Artikel darüber, wie viel Victoria Beckham nach der Geburt ihres Kindes wiegt. Oder dieses Idealmaß 90-60-90. Frauen wurden zu oft auf Zahlen reduziert. Das gehört abgeschafft!

Was glauben Sie: Warum sind Krimis so beliebt bei den Lesern?

Na ja, Krimi ist nicht gleich Krimi. Es gibt harte Thriller – das ist nicht meins. Ich bin zartbesaitet, ich könnte das nicht schreiben. Ich mache Kriminalromane mit ernsten, sozialkritischen, gesellschaftlichen Themen, wie häusliche Gewalt in „Zuagroast“ oder in „Miss Vergnügen“ die Konzernkritik. Ich glaub, Krimis sind  beliebt, weil es meistens gut ausgeht, weil die Gerechtigkeit siegt.

Sie wurden auch zur „Burgenländerin des Jahres 2024“ gewählt.

Ja, aber nicht nur wegen der Krimis. Es ging vor allem darum, dass ich so viele Frauen unterstütze und inspiriere. Das war jedenfalls ein zentraler Punkt in der Rede.

Wie machen Sie das?

Ich zwinge andere zu ihrem Glück (lacht). Ich versuche, die Angst zu nehmen, wenn etwa jemand mit dem Gedanken spielt, sich selbstständig zu machen und dann zum Beispiel sagt: „Aber ich bin doch schon 50“, dann sage ich: Lass das Alter raus. Diese Altersschubladen bewirken oft völlig falsche Reaktionen. Ich finde das seltsam, wie wichtig das manchen ist. Und ich hoffe, dass das aufhört. Früher – in den Nullerjahren – hat man ständig auf dem Gewicht von Frauen herumgeritten. Da gab es Artikel darüber, wie viel Victoria Beckham nach der Geburt ihres Kindes wiegt. Oder dieses Idealmaß 90-60-90. Frauen wurden zu oft auf Zahlen reduziert. Das gehört abgeschafft!

 Sie haben Ihren Traum, ein Buch zu schreiben,  in der zweiten Lebenshälfte verwirklicht. War das der richtige Zeitpunkt? 

Auf jeden Fall. Ich glaube, man kann erst dann einen Roman schreiben, wenn man etwas erlebt und zu erzählen hat. Aber ich hab schon mit zehn ein Buch geschrieben – über das Pony Wotan. Ich habe es sogar dem Ueberreuter Verlag geschickt. Die Antwort war: „Du schreibst lieb und lebendig, das wird sicher was – aber noch nicht jetzt.“ Was ich lange nicht wusste. Ich bin Legasthenikerin. Das wurde mir erst klar, als mein Sohn die Diagnose bekam. Bei mir hieß es früher immer: schlampig, faul und blöd. 

Hat Sie das jemals entmutigt?

Natürlich hat es mich verletzt, aber entmutigt hat es mich nicht. Ich habe mein Leben lang geschrieben. Lesen habe ich mir selbst beigebracht – mit vier oder fünf. Ich habe schon mit sieben die Karl-May-Bücher vom Opa gelesen, in Kurrentschrift. Ich wollte einfach lesen, auch wenn’s nicht viele Bücher gab. Später habe ich alles verschlungen, was mir unterkam – auch Konsalik und Simmel. „Es muss nicht immer Kaviar sein“ – ein großartiges Buch (lacht).

Und Ihre Eltern hatten ein Hotel? 

Ja, in Bad Tatzmannsdorf. Das klingt mondäner, als es war – ein typischer Familienbetrieb. Meine Mama war an der Rezeption, mein Papa hat gekocht. Meine Eltern hatten wenig Zeit, wie das bei Gastronomen eben ist. Aber rundherum gab es viele Pensionen – also auch viele andere Kinder, die unbeaufsichtigt im Kurpark oder Wald unterwegs waren. Ich habe gelesen, Abenteuer erlebt – und darüber geschrieben. Ich habe sogar mal dem Kreisky einen Brief geschrieben – er war gerade im Kurpark. Was drinstand, weiß ich nicht mehr. Zu schreiben ist für mich Teil meines Lebens. Selbst wenn die KI künftig alle künstlerischen Arbeiten übernehmen sollte und die Menschen nur mehr als Sklaven in einer dystopischen Zukunft leben – würde ich weiterschreiben. 

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„Miss Vergnügen“. Ein Miss-Brooks-Krimi von Martina Parker. 400 S.,
19,95 EUR

©Gmeiner Verlag
Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

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