Florentinischer Höllen-Trip mit Dante Alighieri

Dante Alighieri wird in seiner Heimatstadt Florenz verehrt wie kaum ein anderer – doch sein prunkvolles Grab ist leer. Weshalb eigentlich?

Er gilt nicht nur als Schöpfer der italienischen Sprache, sondern auch als erster echter Autor im modernen Sinn: Er ist der berühmteste Sohn der Stadt Florenz

Leonardo da Vinci und Michelangelo waren Zugereiste aus der ländlichen Provinz, und Guccio Gucci wollen wir an dieser Stelle trotz seiner unbestreitbaren Verdienste um Florenz außen vor lassen. 

Aber ausgerechnet Dante Alighieri ruht nicht in seiner Heimatstadt, sondern in Ravenna, was schon mehrmals zu Verstimmungen führte. Michelangelo war einer der prominenten Florentiner, die 1513 den neuen Medici-Papst Leo X. davon überzeugen konnten, die Gebeine des verlorenen Sohnes, wenn nötig auch mit Druck, aus Ravenna heimzuholen.

Doch Überraschung: Die ausgesandte Delegation stand in der Basilika San Francesco in Ravenna vor einem leeren Sarg. Die Klosterbrüder hatten seine Überreste kurz entschlossen herausgeholt und versteckt.

Die Medicis waren "not amused", aber auch das durchsetzungskräftige Neu-Adelsgeschlecht musste die Farce, die sich in ähnlicher Form noch einige Male wiederholte, zähneknirschend hinnehmen. Und so wartet seit 1829 ein prächtiges leeres Grabmal, ein sogenannter Kenotaph, in Florenz auf die Rückkehr des ersten und größten italienischen Dichters.

Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:

  • Dante schrieb nicht nur, er ritt selbst in die Schlacht
  • In Florenz drohte ihm der Scheiterhaufen
  • Einmal Hölle und zurück - aber auf Italienisch!

Selbst schuld, könnte man an dieser Stelle sagen. Denn an ihm lag’s nicht, dass Dante Alighieri seiner Heimatstadt den Rücken zuwandte. Im Gegenteil, er war Florentiner durch und durch und sehnte sich nach der Stadt, in der er seine große Liebe Beatrice getroffen und seine Frau Gemma geheiratet hat. 

Während er seine Frau übrigens in keiner einzigen Zeile seines umfassenden Werks erwähnt, hat er die schöne Beatrice – wahrscheinlich Beatrice "Bice" Portinari, die Tochter eines Nachbarn der Familie – gleich in einigen Texten verewigt. Natürlich auch in seiner "Göttlichen" Komödie, aber dazu später mehr.

Dante Alighieri

Auch wenn sein Grabmal leer ist: Dante Alighieri ist in Florenz allgegenwärtig

©APA/AFP/VINCENZO PINTO

Dante, der vom Kreuzritter Cacciaguida degli Elisei abstammt, hat sogar sein Leben für Florenz aufs Spiel gesetzt. In der Schlacht von Campaldino kämpfte er 1289 als Kavallerist an vorderster Front gegen die Ghibellinen aus Arezzo, die vernichtend geschlagen wurden. Er war damals 24 Jahre alt und hatte bereits eine umfassende Ausbildung bei den Dominikanern von Florenz und an den Universitäten von Bologna und Paris hinter sich. 

Später wurde Dante Mitglied in verschiedenen Stadträten bis hinauf ins Priorat, dem höchsten Gremium in Florenz. Wo war also das Problem, warum ging er weg? Dante war ein Vertreter der "weißen" Guelfen, dem etwas papstkritischeren Flügel dieser Partei – und die wurde mit der gesamten Stadtregierung von Papst Bonifatius mit einem Kirchenbann belegt. Florenz wurde von den "schwarzen" Guelfen eingenommen – und Dante drohte der  Scheiterhaufen. 

Sein gesamter Besitz wurde beschlagnahmt. Interessantes Detail am Rande: Seine Frau Gemma folgte ihm dennoch nicht ins Exil. Vielleicht hätte er ja doch auch wenigstens einmal über sie schreiben sollen, wer weiß ...

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Andererseits war es in eben diesem Exil, dass Dante sein Opus Magnum schrieb: die Komödie, die erst wenig später von seinem Verehrer Giovanni Boccaccio, zur "Göttlichen" erhoben wurde. Mit ihr machte er sich unsterblich – und trug maßgeblich zur Entwicklung der italienischen Sprache bei, denn er schrieb nicht auf Latein, sondern in seinem heimatlichen, toskanischen Dialekt. Der deshalb für viele als DAS Italienisch gilt.

In 100 Gesängen zieht der Dichter durch die Hölle und das Fegefeuer ins Paradies – und beschreibt alles, was er erlebt. 

Dante Alighieri

Die Statue Dantes auf der Piazza Santa Croce in Florenz, direkt vor der berühmten Basilika, stammt aus dem Jahr 1865

©APA/AFP/VINCENZO PINTO

Wie er in die Situation kam, dass er als Lebender ins Totenreich musste? Er kam, wie er schrieb, "auf halbem Weg des Lebens" vom "geraden Wege ab" – ja,  so schnell kann’s gehen. Zum Glück schickte ihm die geliebte Beatrice, die im Paradies auf ihn wartete, den römischen Dichter Vergil als Führer. Eine gute Wahl, denn der hatte schon in seiner Äneis den trojanischen Helden und Urvater der Römer in die Unterwelt geschickt. 

Natürlich teilt Dante heute das Schicksal vieler Klassiker: Er wird weniger gelesen als zitiert: "Lasst, die ihr hier eingeht, alle Hoffnung fahren" etwa oder "Kein größ'rer Schmerz als sich erinnern glücklich heit'rer Zeit Im Unglück".

Dante Ururururenkel

Die Nase passt! Der italienische Astronom Graf Sperello di Serego Alighieri ist ein direkter Nachfahre des großen Dichters. Für den Grafen posiert er hier vor der Statue seines Ahnen in Florenz

©APA/AFP/VINCENZO PINTO

Auch nicht schlecht und wahr wie einst: "Die dunkelsten Plätze der Hölle sind denen vorbehalten, die in Zeiten moralischer Krisen ihre Neutralität bewahren."

Wer sich allerdings doch ein wenig intensiver auf Dantes Höllen-Trip einlässt, stößt auch auf sein vielleicht schönstes, weil augenzwinkerndes Zitat, das, im Kontext, ein geballtes Maß an Erotik in sich birgt: "An jenem Tage lasen wir nicht weiter ..." 

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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