George Clooney

Karriereknick mit 35? Wie Stars als Mitdreißiger durchstarteten

Wir haben uns umgeschaut und erstaunliche Karrieren gefunden, die mit 35 erst so richtig Fahrt aufgenommen haben – oder unerwartete Wendungen und drastische Neuausrichtungen.

"Trau keinem über 30!" Natürlich, so hieß es einmal Ende der 1960er, während The Who mit My Generation den perfekten Song dazu abgeliefert hatten. Aber: Die damals jugendlichen Helden wurden, zumindest zum größten Teil, dann doch auch älter, manche von ihnen überraschten sogar erst nach ihrem 30er mit richtigen Meisterwerken. 

Und wer glaubt, dass mit 35 die großen Abenteuer vollbracht sind und das Leben im besten Fall ein langer ruhiger Fluss wird, während die glänzenden Lichter der Vergnügungsparks und Feuerwerke weit entfernt am Ufer an einem vorbeiziehen, könnte sich doch einigermaßen täuschen ...

Denn es gibt einige heute gefeierte Superstars, deren Erfolg vor ihren Mittdreißigern sogar einigermaßen überschaubar war – oder zumindest in eine ganz andere Richtung deutete. Wie wäre es etwa mit einem sportlichen jungen Mann namens George Timothy Clooney aus Kentucky

Der wusste lange Zeit nicht so recht, was er überhaupt machen wollte. Nach zwei Jahren College versuchte er ein Tryout beim Baseball-Verein der Cincinnati Reds, wurde bei den Profis allerdings nicht aufgenommen. 

Seine Mutter war eine ehemalige Schönheitskönigin, sein Vater ein TV-Nachrichtensprecher, aber vor allem durch die Familie seiner Tante kam er in Kontakt mit der Glitzerwelt Hollywoods: Denn Rose Clooney war nicht nur eine gefeierte Sängerin und Schauspielerin der 50er und 60er, sie war auch die Frau von Oscar-Preisträger José Ferrer, deren Sohn Miguel ("Twin Peaks"!) war George Clooneys fünf Jahre älterer Cousin.

George Clooney

Viel cooler geht's eigentlich nicht. Neben George Clooney wirkt sein alter Buddy Brad Pitt wie ein kleiner Junge ...

©EPA/ETTORE FERRARI

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George verzichtete also nach der Baseball-Pleite auf ein Master-Studium und zog nach Hollywood, um sein Glück zu versuchen. Doch trotz Unterstützung durch Tante Rose blieb der Erfolg vorerst überschaubar, Geld verdiente er hauptsächlich als Versicherungsvertreter. 

Die gesamten 1980er sahen eher trist aus, schauspielerische Höhepunkte waren eine kurze Nebenrolle in der Sitcom "Roseanne" und, immerhin, eine "Beinahe"-Hauptrolle im zeitlosen Cineasten-Klassiker "Die Rückkehr der Killertomaten".

Die Geburt des Mr. Cool

Als George Clooney Anfang der 1990er eine permanente Rolle in der Krankenhaus-Serie Emergency Room bekam, schien die Karriere absehbar: der fesche, charmante, lächelnde TV-Kinderarzt vom Dienst. 

Ohne unstatthafte Vergleiche ziehen zu wollen, also in etwa Amerikas Antwort auf den deutschen 1980er-Heartthrob Sascha Hehn aus der Schwarzwaldklinik. 

Und dann kam Wunderkind Quentin Tarantino...

Der war ein Riesenfan von "ER" (er führte später sogar bei einer Folge Regie), und gemeinsam mit seinem Kumpel-Regisseur Robert Rodriguez machte er aus dem freundlichen George von nebenan den charismatischen und unberechenbaren, dabei unsagbar coolen Seth Gecko von From Dusk Till Dawn

Clooney war genau 35 zu der Zeit – und es war dieser Film, der seine Karriere, wahrscheinlich sein ganzes Leben veränderte. Ohne ihn hätten wir einen ewigen Fernsehstar mehr, der irgendwann das amerikanische Pendant zur Praxis Bülowbogen bezogen hätte. Aber so wie die Dinge gelaufen sind, gibt es EINEN männlichen Kinostar, der die letzten Jahrzehnte beherrscht hat, wie kein anderer. 

Weil er eben alles kann, nett, freundlich, schwierig, charmant, brutal, klug, naiv, liebenswert und sogar gemein, wenn’s sein muss. 

George Clooney

Auch als elder Statesman cool: George Clooney

©Mike Marsland/getty images

Vielleicht musste sich dieses spezielle Charisma, dieser Stil, der dazu führt, dass ihn, was eigentlich selten ist, männliche und weibliche Fans gleichermaßen lieben, ja in den mageren Jahren erst entwickeln ...

Jeder will Cary Grant sein?

Apropos Männer, die jeder liebt: Archibald Alec Leach war so einer. Wer? Cary Grant, der vielleicht größte Hollywood-Charmeur von allen, startete auch nicht auf einer g’mahten Wiesn als er mit 16 seiner englischen Heimat inklusive alkoholkrankem Vater entfloh und mit einer Vaudeville-Theatergruppe in New York landete. 

Cary Grant

Cary Grant: Der ganz große Erfolg kam erst in seinen 30ern

©ServusTV

Der junge Archibald sah schon damals gut aus, war unglaublich sportlich und hatte jede Menge Talente – Stelzengehen, Drahtseilakrobatik, Jonglieren –, aber der Weg bis zu DEM Leading Man des Filmgeschäfts, auf den sich wirklich alle einigen konnten, egal ob alt oder jung, Mann oder Frau, war ein ebenso langer wie harter. 

Cary Grant, wie er erst später heißen sollte, arbeitete als „Escort“ für Damen, die nicht alleine zu Empfängen und Bällen gehen wollten, als stelzengehender Marktschreier für den 1923 eröffneten Coney Island Boardwalk und immer wieder als Akrobat und Komiker. 

Er sang in mittelmäßigen Musicals und ergatterte nach zwölf Jahren schließlich erste, kleine Rollen im Film. Dabei blieb er aber immer der hübsche junge Mann in der zweiten Reihe. Erst als er 30 war, verschaffte ihm Mae West erste echte Nebenrollen, es sollte aber bis 1937 dauern, dass er endlich Hauptrollen spielen durfte. Damals war Grant 33.  

Den endgültigen Durchbruch erlebte er durch seine Filme mit Katharine Hepburn mit Höhepunkten wie Leoparden küsst man nicht (1938) und vor allem Die Nacht vor der Hochzeit (1940). Mit 36 hatte er es endgültig geschafft – der Rest ist Filmgeschichte. Oder, wie Archibald Alec Leach selbst einmal sagte:"„Jeder will Cary Grant sein. Auch ich will Cary Grant sein."

Cary Grant

Komisches Talent, gutes Aussehen UND die Fähigkeit, auch Spannung rüberzubringen. Cary Grant war eine Klasse für sich

©ArtE

Einen Charmeur alter Schule hat übrigens auch Österreich in dieser Riege der "35er" vorzuweisen: Jürgen Udo Bockelmann – als Udo Jürgens nicht nur einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Sänger aller Zeiten, sondern auch international renommierter Songwriter.

 Der Kärntner Sohn aus gutem deutschen Haus, der in einem Schloss auf dem Magdalensberg aufgewachsen ist, war prinzipiell ja schon früh erfolgreich, gewann als 17-Jähriger einen Komponisten-Wettbewerb des ORF und schrieb mit 26 für Shirley Bassey den Hit Reach for the Stars. 

Udo Jürgens

Udo Jürgens war Mitte 30 als er mit „Merci, Cherie“ den Song-Contest gewann. Eine Initialzündung 

©IMAGO/Klaus Rose

Auch bei seinen frühen Songcontest-Performances war er mit einem sechsten und einem vierten Platz erfolgreicher als die meisten deutschsprachigen Teilnehmer vor und nach ihm. Aber zu dem Namen, den wirklich jeder Haushalt in Österreich und Deutschland kannte, wurde er erst nach seinem Sieg 1966 in Luxemburg

Danach konnte den damals 32-Jährigen nichts mehr stoppen – und mit dem Album Udo 70 erzielte er 1969, als 35-Jähriger, schließlich in Deutschland zum ersten Mal Gold. 

Frau ohne Grenzen

Zwei Berufskollegen von Udo Jürgens erlebten in der Mitte ihrer 30er einen durchaus ähnlichen, wenn auch noch wesentlich extremeren Karriere-Schnitt. Im positiven Sinn, versteht sich. 

Tina Turner, eigentlich Anna Mae Bullock aus Brownsville, Tennessee, hat in den späten 1960ern und frühen 1970ern gemeinsam mit ihrem Mann Ike die gesamte Welt gerockt. River Deep, Mountain High, Proud Mary und natürlich Nutbush City Limit – Ike & Tina Turner waren Superstars. 

Nur leider war der gute Mr. Turner zwar ein genialer Musiker, aber auch ein zutiefst geschädigter Charakter, der seine Ängste und Zweifel als Aggressionen an seiner Lebenspartnerin ausließ. Nach etlichen Fluchtversuchen zuvor zog Tina 1976 endgültig die Notbremse und verließ ihn. Sie war damals 37 und ließ mit dem prügelnden Mann auch ihre komplette Karriere hinter sich. 

Tina Turner

Eine Frau, die mit 37 noch einmal ganz von vorne anfangen will? 1976 setzte niemand einen Cent auf Tina Turner 

©Michael Ochs Archives/getty images

Kaum jemand im Show-Business setzte noch einen Cent auf die Musikerin, die mit einem Schlag vor dem Nichts stand und versuchte, in "diesem" Alter noch einmal von vorne zu beginnen. Wer hätte auch schon gedacht, dass ihre zweite Karriere noch wesentlich größer werden und viel länger dauern würde als die erste?

Mitte der 1960er hatte der "King" gleich einige Probleme. Die hießen einerseits Beatles und Rolling Stones, also die Bands, die plötzlich für hysterische Fans sorgten, während das in den 1950ern, vor seiner Zeit beim Militär, exklusiv ihm, dem großen, einzigartigen Elvis Presley vorbehalten gewesen war. 

Elvis Presley

Mit 33 erfand sich Elvis Presley neu

©Michael Ochs Archives/getty images

Andererseits hatten diese Probleme Titel wie Nur nicht Millionär sein, Harte Fäuste, heiße Lieder, Seemann, ahoi! und so ähnlich. Genau, die mehr als 20 billigen Filme, die er auf Druck seines Managers "Colonel" Parker zwischen 1960 und 1968 abdrehte. Nach 1964 hatte Elvis mit Crying in the Chapel nur noch einen einzigen Top-10-Hit.

Der King kommt zurück

Und siehe da, mit 33 erfand sich der King neu. Körperlich fit, wie man ihn davor länger nicht gesehen hatte und von Kopf bis Fuß in schwarzem Leder, gelang es ihm zwischen 1968 und den frühen 1970ern wieder für Begeisterungsstürme zu sorgen, wie er sie seit zehn Jahren nicht mehr erlebt hatte. 

1969 erschien sein heute legendäres Soundtrack-Doppelalbum Elvis und erreichte Platin-Status in den USA. Er war endlich wieder da!

Freund und Weggefährte Jerry Schilling erinnerte sich später an die Live-Aufnahmen während der TV-Show, die zu dem Album führten: "Er konnte endlich singen, was er wollte – nicht irgendwelche Film-Soundtracks. Er ist aus seinem Gefängnis ausgebrochen." Tragischerweise konnte er die positive Energie nicht konservieren. Mit "Burning Love" hatte Elvis 1972 seinen letzten Top-10-Hit. Der Rest ist traurige Geschichte.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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