Taylor Swift

Das Phänomen Taylor Swift: Warum ist sie so beliebt?

Auf der Suche nach einer Erklärung des Phänomens Taylor Swift. Die Literaturhistorikerin Sandra Mayer gibt Antworten.

Die Literatur- und Kulturhistorikerin Sandra Mayer vom Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) beschäftigt sich u. a. mit dem Kult um Prominente durch die Jahrhunderte. Auch Superstar Taylor Swift ist für die Celebrity-Forscherin von Interesse.

Alle reden über Taylor Swift

Welche Erklärung hat die Wissenschaft für den Hype? 

Sandra Mayer: Swift ist zweifellos ein Phänomen. Aus akademischer Sicht ist sie interessant, weil sich an ihr exemplarisch nachvollziehen lässt, wie Celebrities gemacht werden. Vier Faktoren spielen dabei eine Rolle. Zum einen braucht es eine charismatische Persönlichkeit bzw. jemand mit einem besonderen Talent. Zum anderen sind es die Medien, die ein Phänomen aufgreifen, aufbauen, weitertragen, so die Aufmerksamkeit auf eine Person bündeln und erhöhen. Drittens spielen industrielle Strukturen eine Rolle. Bei Swift steht ja nicht nur die Plattenindustrie, sondern eine globale Konzert- und Merchandisingindustrie dahinter. Viertens: Ganz wesentlich ist natürlich das Publikum, das Stars rezipiert und aktiv mitgestaltet. Mit all dem beschäftigen wir uns anhand der Celebrity-Studies.

Celebrity-Studies – ist das eine noch junge wissenschaftliche Disziplin?

Dieses interdisziplinäre Forschungsfeld hat sich in den späten 1980ern entwickelt, war damals allerdings eher ein belächeltes Nischenfach. Das Werden und Sein von Stars und Sternchen wird hier aus den verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, wobei das Thema in viele Bereiche hineinspielt. In die Medien- und Kommunikationswissenschaften genauso wie in die Kultur- und Literaturwissenschaften, Soziologie oder auch in die Musikwissenschaften. Celebrity-Studies-Konferenzen finden mittlerweile alle zwei Jahren statt. Swift ist bei den Vorträgen stets ein Thema.

Wie ist Ihr Zugang?

Celebrities sind kein Phänomen unserer Zeit, wiewohl moderne Medien neue Qualität in den Starkult gebracht haben. Vorformen von Celebrities lassen sich schon im 18. Jahrhundert verorten. Gleichzeitig gibt es Parallelen zu heute. Auch damals haben sich Gesellschaftssysteme verändert. Feudale Strukturen wurden durch den Kapitalismus und neue soziale Hierarchien abgelöst. Der Mittelstand gewann an Bedeutung. Mit der im großen Stil beginnenden Buch- und Zeitungsindustrie entwickelte sich zudem eine Medien- und Konsumkultur, in der „Reich und schön“, Klatsch und Tratsch einen neuen Stellenwert erlangten. Der Starkult ist also älter als viele vermuten, wenngleich sich das Publikum bzw. die Reichweite durch die heutige Medienvielfalt wesentlich verändert haben. Für mich ist die kommerzielle Verbreitung eines Images in der Öffentlichkeit ein wesentlicher Aspekt der Celebrity-Kultur.

Wer waren dazumal typische Celebrities?

Im Musikbereich war Franz Liszt ein typischer Celebrity seiner Zeit. Wir kennen Berichte über Hysterien, die er bei seinen Konzerten vor allem beim weiblichen Publikum ausgelöst hat. Lord Byron wiederum war ein literarischer Superstar, der europaweit rezipiert wurde. Was bei all den Zeitgenossen auffällt, ist die starke Verschmelzung von Leben und Werk. Das hat schon damals Interesse und Spekulationen ausgelöst. Auch da sehe ich eine Parallele zu Taylor Swift und den Fans, die sich auch intensiv mit ihren Texten beschäftigen.

Wie lässt sich diese Textaffinität erklären?

Das hat mit der autobiografischen Lesart zu tun. Swift liefert Songs und Texte für jede Lebenslage. Ohne zu behaupten, dass alle ihre Texte autobiografisch sind, wenngleich es so vermittelt wird, so identifizieren sich Fans doch sehr stark damit. In der Starverehrung ist das ein wichtiger Faktor. Swift gelingt das ausgezeichnet.

Was befeuert den Kult noch? 

Swift-Fans lassen sich nicht nur berieseln, sondern nehmen aktiv teil. Sie kommentieren, tauschen sich aus und vernetzen sich. All das fördert die identitätsstiftende Funktion von Fan-Kultur zusätzlich. Bei den Swifties ist das stark ausgeprägt, wie jüngst auch in Wien schön zu sehen war. 

Der Promikult mag nicht neu sein, erreicht bei Swift aber doch neue Dimensionen. 

Den Unterschied zu früher machen soziale und digitale Medien wie X, Instagram, Youtube und Co. In der heutigen Popmusik, speziell aber bei Taylor Swift, bündelt sich alles in einer enormen Multimedialität. Das ist Text, das ist Musik, das sind visuelle Beiträge – Videos, Konzertmitschnitte, abendfüllende Filme. Hinzu kommen die grandiosen Life-Performances, die den Fans wirklich etwas bieten. Dazu lädt Swift weitere berühmte Künstler, etwa Ed Sheeran, ein. So potenziert sich der Celebrity-Status noch weiter.

Dabei will sie, wie sie sagt, einfach nur Geschichten erzählen. Bloß eine Masche?

Weibliche Stars haben lange unter dem seichten Popimage gelitten. Noch dazu ist die Musikindustrie männlich dominiert. Ich denke, dass hier der Versuch unternommen wird, Swifts Qualitäten als ernsthafte Künstlerin herauszustreichen, um sich so vom Mainstream abzuheben. Und sie ist eine Sängerin, die nicht gecastet oder aus einer Talentshow kam, sondern sich ihren Weltruf scheinbar selbst erarbeitet hat.

Bei allem Starruhm wirkt sie dennoch auffallend bodenständig, oder?

Sie ist eine Künstlerin, die sich auch selbstironisch mit dem eigenen Celebrity-Status auseinandersetzt und so signalisiert, dass sie die ganze Maschinerie durchschaut. Auch das macht sie sympathisch. Und es soll zeigen, dass sie kein naives Mädchen ist, das von der Industrie benutzt wird, sondern dass sie die Fäden in der Hand hält.

Cordula Puchwein

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