Christina Stürmer im Interview: "Der Bauch sagt jaaaaaa!“
Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Christina Stürmer Österreichs erfolgreichster und verlässlichster Pop-Export. Nach sechs Jahren Pause meldet sie sich jetzt mit einem sensationellen MTV-Album zurück.
Sieben Nummer-1-Alben, auch in Deutschland immer unter den Top 10, zwanzig Amadeus-Nominierungen, ausverkaufte Konzerte in ganz Europa – Christina Stürmer darf sich über mangelnden Erfolg nicht beklagen. Und jetzt bringt sie als erste deutschsprachige Sängerin auch noch ein MTV-Unplugged-Album heraus! Mit der traf sie sich auf ein Date im Café Ansari in der Praterstraße.
Christina Stürmer im Interview mit Andreas Bovelino
Ich versuche gerade, mir das Bild vorzustellen ... aber lassen wir das. Solche Situationen kommen wahrscheinlich daher, weil ganz plötzlich unglaublich viel auf einen jungen, gerade einmal 20-jährigen Menschen einstürmt.
Ja, auf jeden Fall. Und wie gesagt, ich kam damals frisch aus einer Buchhandlung, also ganz weit weg von Trubel und Rampenlicht. Ich bin im Grunde auch ein sehr schüchterner Mensch und eher so erzogen, dass ich es allen Recht machen will.
Da wollen dann auf einmal sehr viele Menschen etwas von einem, geben Ratschläge, die vielleicht eher im eigenen Interesse liegen – wer gab Ihnen in der Phase halt?
Prinzipiell immer meine Eltern. Die haben mich durch den ganzen Wahnsinn geschleust. Und natürlich Bernd Rengelshausen, mein erster Manager. Seinem Urteil konnte ich immer vertrauen. Auch nachdem wir uns beruflich getrennt hatten, hab ich ihn noch oft angerufen und um Rat gefragt.
(lacht) Oh mein Gott – ja, die „Jägermeister Rock:Liga“! An die hab ich schon lang nicht mehr gedacht. Die war richtig schräg, El*KE waren da auch dabei, und diese Band, die Stefan Raab promotet hat: AKA4711. Das war eine sehr, sehr lustige Runde. Aber eigentlich ging es schon 2005 mit der Single „Ich lebe“ los, die haben wir damals für Deutschland noch einmal herausgebracht.
Stimmt, das war damals ja sogar der erfolgreichste deutschsprachige Song in den deutschen Single-Charts. Bitte verbessern Sie mich, wenn ich mich täusche, aber mir schien immer, dass Sie im Herzen lieber in Indie-Clubs wie dem Chelsea oder der Arena auftreten würden als auf den großen Show-Bühnen?
Hm, ja, da gibt’s schon einige voll gute Clubs, und die Arena ist sowieso speziell lässig. Also: Klar mag ich die kleineren Indie-Bühnen, aber auch bei „Sing meinen Song“ in Südafrika dabei zu sein, ist was ganz Spezielles. Ich glaube, wir müssen einfach versuchen, dieses Schubladendenken aufzubrechen. Und: Solange ich einfach MEIN Ding machen kann, ist es mir eigentlich egal, ob ich jetzt auf der Wörtherseebühne stehe oder bei Inas Nacht.
Und, dazu müssen wir natürlich auch kommen: Sie SIND inzwischen tatsächlich „indipendent“. Sie haben jetzt ein eigenes Label!
Stimmt! Ich meine, prinzipiell hatte ich immer ein gutes Verhältnis zu meiner Plattenfirma, und ich bin für die vielen Jahre auch dankbar. Aber es ist halt so, dass immer sehr viele Menschen mitreden, Interessen mitschwingen. Da war dann einmal Rosenstolz angesagt, und plötzlich hieß es, ich sollte mehr wie Rosenstolz klingen, oder aktueller, dass ich Hip-Hop-Features einbauen sollte und so. Aber das kann und will ich nicht. Und jetzt habe ich meine eigene Plattenfirma. Es war eine schwierige Entscheidung, der Kopf sagt „Mimimi, Angst, weil nur eine große Plattenfirma bringt Sicherheit“, der Bauch sagt „jaaaaaaa!“. Und nach 17 Jahren hat der Bauch endlich gesiegt. Ich hoffe halt, dass das klappt, dass da ein paar Leute draußen sind, die meine Musik gerne hören.
Ich denke, mehr als ein paar! Zwei letzte Fragen: Sie haben zwei Töchter, eine ist drei, die andere acht. Ihr Freund ist ein fantastischer Gitarrist, Oliver Varga, der ja auch in ihrer Band spielt. Wie darf ich mir einen Abend im Hause Stürmer vorstellen? Mit ganz viel Hausmusik?
(lacht) Also nein, wir sitzen jetzt nicht so im Wohnzimmer und musizieren gemeinsam, wenn Sie das meinen. Aber doch auch ja, es stehen praktisch überall Instrumente, im Keller haben wir ein Studio, da steht auch ein kleines Kinderschlagzeug, auf dem die Größere gern spielt, die Kleine fängt auch gerade an, darauf herumzutrommeln. Und wenn sie sich Musik zum Hören aussuchen, dann läuft Harry Styles oder deine Freunde. Und Oliver ist derzeit nicht in der Band, denn er bleibt daheim und versorgt die Kinder, wenn ich jetzt auf Tour gehe.
So sind wir neuen Männer, das ist doch wirklich vorbildlich! Und zum Abschluss, weil Sie ja, wie Sie es selbst erwähnt haben, quasi vom Fach sind: Haben Sie einen schnellen Buch-Tipp für uns?
Die Frage kommt jetzt wirklich überraschend – aber ja, T.C. Boyles neuer Roman „Blue Skies“ liegt derzeit auf meinem Nachkastl. Und den kann ich eigentlich immer empfehlen, ich habe ihn mit „America“ entdeckt, der noch immer zu meinen absoluten Lieblingsromanen zählt, und seitdem eigentlich nichts Schlechtes von ihm gelesen
Vielen Dank für das Gespräch.
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