Das Design aus der Werkstätte Carl Auböck hat Hand und Fuß
Sammler lieben Objekte der Werkstätte Carl Auböck. Das MAK widmet ihr eine Ausstellung. Ein Besuch im Atelier in Wien, wo die Seele in die Materie kommt.
Diese Werkstätte versteht ihr Hand-Werk. In einem Karton liegen Flaschenöffner, deren weiche Konturen eine Hand bildet. Eine andere Hand hält mit dem Daumen einen Ring.
Eine weitere Hand mahnt als Abschluss eines Flaschenstöpsels davor, nicht zu viel zu trinken. Senkrecht montiert scheint es, als ob jemand in die Flasche gefallen wäre. Es gibt einen kleinen glänzenden Fuß als Briefbeschwerer und einen großen, der auch als Dekorationsobjekt in einem Birkenstock-Geschäft in Paris stand.
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Diese Designklassiker stammen wie viele andere aus dem Hause Carl Auböck im siebten Wiener Gemeindebezirk. Es ist manchmal ein Hort des Surrealismus, aber auch der Ruhe und Harmonie. Wer hier an den dunklen Holztischen an den Messingteilen feilt, blickt in einen grünen Innenhof. Daneben hängen aufgereiht Feilen und Stichsägen. An den Wänden hat sich Metallstaub festgesetzt, der Dielenboden verstärkt die Patina.
In der Ecke schleift ein Mitarbeiter mit Schutzhaube an einer Maschine Gegenstände aus der Gießerei. Und selbst die ist nicht laut.
Carl Auböck IV in der Werkstätte
Aber die Ruhe ist gestört. Bauarbeiter und Bagger gestalten die Bernardgasse in eine klimafitte Zone um. Bevor es in der ehemaligen Lustergegend am Brillantengrund angenehm wird, ist es noch ungemütlich. Das scheint sich auf die Laune von Carl Auböck IV. auszuwirken, der das Unternehmen gemeinsam mit seiner Schwester Maria führt. Seine Stimmung ist zunächst nicht wirklich glänzend. „Alban Berg? Ein Begriff?“, fragt er prüfend, als er über den Beginn der Erfolgsgeschichte des Unternehmens referiert. Und wirkt mit seinen hochgehobenen Augenbrauen wie ein strenger Lehrer.
Sein Großvater Carl Auböck II. ließ sich vom Bauhaus inspirieren, wo er ab 1919 in Weimar studierte. Er beschäftigte sich mit der Linie und der Bewegung als Form, was sich in einer Designsprache vom Kerzenständer bis zum Schuhlöffel niederschlug. Der Bruder des Komponisten Alban Berg war sein Trauzeuge und wurde auf seine Arbeiten aufmerksam.
„Bergs Bruder Karl hatte Geschäftspartner in New York und begann, in den 1920er-Jahren Modelle in Auftrag zu geben. Der amerikanische Markt war auch ein Auslöser für die unglaubliche Schaffenskraft der Werkstätte. Heute haben wir 4.500 Objekte im Archiv“, sagt Auböck. An den Wänden hängen Schwarz-Weiß-Fotos von Verwandten.
Ausstellung übers Design im MAK
Das MAK zeigt ab 15. Mai rund 400 Exponate in der Ausstellung „ICONIC AUBÖCK. Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegriff.“ Zu sehen gibt es, wie es dort heißt, „Alltagsobjekte, die das Interieur zu einem Experimentierfeld für schöne Dinge und humorvolle Gesten werden lassen“.
Ausstellung
ICONIC Auböck vom 15.5. bis 13.10. im Wiener MAK, Eröffnung am 14.5., 19 Uhr. Die Ausstellung konzentriert sich auf die stilprägende Ära der Zwischen- und Nachkriegszeit bis in die experimentellen 1980er-Jahre, mak.at
Aber am Anfang war das Froschorchester. „Der Urgroßvater war wie viele andere Firmen dieser Zeit Hersteller von naturalistischen Wiener Bronzen in allen Größen. Er hat schon hier an dieser Stelle produziert.“ Der Urahn stattete Amphibien mit Instrumenten aus. Sie spielten stumm vor sich hin, wenn das gehobene Bürgertum sie in Vitrinen stellte. Vielleicht hatten sie dort ein Publikum von Dackeln und Pudeln. „Hier wurden auch die großen Adler auf den Obelisken vor dem Schloss Schönbrunn hergestellt beziehungsweise saniert.“
Das änderte sich mit Carl Auböck II. Er nahm das Konzept des Objet trouvé, des gefundenen Objekts, in sein avantgardistisches Repertoire auf. „Unsere Objekte haben keine Ränder, keine Ornamente und oft weiche Formen. Die Form ist als Skulptur gedacht und es gibt keine Vortäuschung eines anderen Materials, es ist, was es ist.“ Je mehr er von den glänzenden und auch mattpatinierten Stücken erzählt, die in seinem Regal stehen, desto mehr hellt sich seine Stimmung auf. Der Blick wirkt nicht mehr so streng.
„Was ist das?“, fragt er und deutet auf einen kegelförmigen Gegenstand. Es ist ein „Tschicktöter“, ein Glutlöscher, mit dem Raucher früher ihre selbstgedrehten Zigaretten ausdämpften. Und auch wenn dem blauen Dunst heute weniger gefrönt wird als früher, sind Pfeifenständer ein Hit: „Die Leute rauchen nicht mehr, sondern stellen sich das hin, um es anzusehen.“
Auböck bringt Transzendenz ins Spiel: „An solchen Objekten lernt man, dass die Materie beseelt sein kann.“ Wie? „Ich merke es nicht.“ Aber viele Kunden, zum Beispiel aus Japan, stehen fasziniert davor wie vor historischer Keramik und fragen: „Was ist das?“
Froschkonzert und Wiener Bronze
Kunden und Betrachter sollen schon bei den Arbeiten von Carl Auböck II. die Möglichkeit haben, Stücke selbst zu interpretieren. „Das gibt es beim Froschorchester nicht. Das ist auf Dauer etwas fad.“ Und der Verzicht auf die klassische Wiener Bronze hatte neben der Vermeidung von Ödnis noch einen weiteren großen Vorteil. „Ich bin Wien besonders dankbar, weil es hier nie wirkliche Plagiatoren gegeben hat. Die haben an ihre Frösche-Kunden gedacht und sich gesagt: ‚Das mache ich nicht, das verkauft sich nicht‘.“
Doch jetzt, „am Endpunkt“, ist Carl Auböck IV. wieder bei seinem Großvater. „Ich gehe zurück zu den Wurzeln und beschäftige mich wieder mit Wiener Bronzen. Aber nur für dieses Projekt.“ Das Froschorchester für die Vitrinen macht er aber nicht. Natürlich. Für französische Kunden kooperiert die Werkstätte mit Archiven von Gussmodellen. Auf einem Tisch liegt ein Vogel mit dünnen Beinen, die noch nicht ganz halten wollen.
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Sohn Carl, der Fünfte, hat gleich nebenan seinen eigenen Betrieb. Seine Spezialität: Er treibt Blech von Hand nach alter Technik. Das heißt, er bringt es mit Hammerschlägen in die gewünschte Form. Carl V. hat schon Lokale mit Rückspiegeln ausgestattet; gerade zimmert er die Karosserie für ein Motorrad zusammen. Tank inklusive.
Vom Großvater entworfenes Besteck
Auf der Fensterbank hat er eine Besteckkollektion mit breiten Griffen und runden Formen aufgebaut. „Das ist nach den Entwürfen meines Großvaters entstanden. Die Kollektion ist eine Hommage an ihn“, sagt der Junior.
Der Großvater, Carl III., hatte eine Professur an der Angewandten, er leitete die Meisterklasse für Metallgestaltung. Für die Werkstatt ging er den Schritt in die Produktion von kleinen Serien. Durch internationale Kooperationen machte er das Unternehmen weltweit bekannt. Sein Sohn Carl IV. zeichnete in den Achtzigern Entwürfe für die Luxusmarke Hermès, die er dann mit einem Hornproduzenten entwickelte. „Es war eine große Kollektion für Tisch und Bad. Es waren über 25 Modelle, darunter Salatbestecke, Löffel, aber auch Kämme oder Kleiderbürsten.“
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Daraus entstand eine Kollaboration für den Designer Pierre Cardin: Der legte Besteck in seinem Pariser Restaurant Maxim’s auf: „Unsere wertvollen Salatbestecke aus Horn wurden oft gestohlen. Man glaubt gar nicht, dass es das in so feinen Lokalen gibt. Wir haben uns auch ein bisschen gefreut. Wir konnten immer wieder nachproduzieren“, sagt er. Und da muss er sogar lachen.
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