Zum Start des Barbie-Films: Warum ein Österreicher eine Sammlung von 4.000 Barbies besitzt
Der neue "Barbie"-Film lässt bei uns die Kindheit wieder aufleben. Bei manchen mehr als bei anderen. Denn der Barbie-Enthusiast Dominik Schinkinger besitzt 4.000 Barbie-Puppen, und damit die größte Sammlung Österreichs.
Zugegeben, wir sind alle im Moment etwas besessen von der ikonischen Puppe, die die Farbe Pink in diesem Jahr wieder als Trend zurückgebracht hat. Das Warten hat jetzt auch endlich ein Ende. Der neue "Barbie"-Film von Greta Gerwig kommt heute, am 20. Juli, in die Kinos. Doch niemand freut sich vermutlich so über den neuen Film mit Margot Robbie und Ryan Gosling, wie der größte Barbie-Fan in Österreich. Wir haben den Mann mit der größten Barbie-Sammlung dieses Landes getroffen: Dominik Schinkinger.
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Die Tage, in denen er gehänselt wurde, sind vorbei. Kinder können grausam sein. Dann zeigen sie mit dem Finger auf andere. Andere, die aus der Reihe tanzen. Der Mühlviertler Dominik Schinkinger etwa spielte als Bub von neun Jahren gern mit Barbies. An das, was er deshalb im Spott alles Hässliches geheißen wurde, will er sich heute am liebsten gar nicht mehr erinnern. Nur dass er nach der Schule aus Angst das Haus nicht mehr verlassen wollte, weiß er noch zu gut. „Damit sie nicht wieder was sagen können.“
Wir befinden uns im Mühlviertel. Kollerschlag ist ein kleiner Ort, etwa eine Stunde von Linz entfernt. Viel Himmel, viele saftig-grüne Wiesen, wenig Menschen. Wer hierher kommt, auf dem Weg Ortschaften wie „Hühnergeschrei“ passiert, sucht etwas Bestimmtes, vielleicht ja ihn, den „Barbie-Man“. So nennen die Kinder ihn, wenn sie ihn auf dem Flohmarkt antreffen, er neue Exemplare der Kultblondine sucht. Sie freudig auf ihn zustürmen und rufen: „Der Barbie-Man ist wieder da!“
Freundlich-hellblaue Augen, lange Haare, Piercings in Ohren wie Nase: so sieht der „Barbie-Man“ aus, der im Elektrohandel als Verkäufer arbeitet. Ein junger Mann mit mildem Gemüt und mildem Lächeln. Heute mag dazu beitragen, dass wir eigentlich bei seinen Eltern zu Gast sind. Dem Haus, in dem er aufgewachsen ist. Dessen Dachkammer ihm heute noch eine Art Refugium bietet. Und eine Zeitmaschine zurück in seine Kindheit ist.
Die Stiegen hinauf, um die Ecke, dann geht am vom Vater ausgebauten Dachboden die Türe auf zu einem Raum mit tausend Augen – 4.000 Barbie-Puppen besitzt Schinkinger. Ungefähr die Hälfte davon sind hier ausgestellt. Blond, rosa, glitzernd sitzen sie dicht gereiht in mannshohen Glasvitrinen, stehen in voller Pracht in Stirnreihen im Regal oder blitzen originalverpackt aus bunten Kartons hervor. In klitzekleinen Kleidern mit klitzekleinen Schuhen. In wallenden Ballroben oder im knackigen Dirndl. In kunstvollen japanischen, russischen, afrikanischen Gewändern oder im grellbunten Aerobic-Dress. Manchmal mit Krönchen – und hin und wieder mit einem Mann namens Ken.
Im Wolkenkönigreich mit Barbie
Da wirft Barbie sich im roten Baywatch-Badeanzug und mit Boje in Pose, zu ihren Beinen hüpft ein Delfin durch imaginierte Wellen. Ein Plätzchen weiter wiederum tritt sie von Kopf bis Fuß in schwarzes Leder gewandet für eine Ausfahrt mit der Harley-Davidson an. Es gibt eine Wiener Opernball-Barbie und Stars wie Heidi Klum oder die Vampir-Clique aus der „Twilight“-Saga als Barbies. Lust auf eine Cabrio-Fahrt? Am Volant sitzt Barbie – und ihre frohlockenden Schwestern düsen mit.
Ein ganze Regalreihe in Schinkingers Ausstellungsraum wiederum füllen Figuren aus Barbie-Filmen. Gesehen hat er sie alle. Sein Lieblingsfilm ist „Barbie und der geheimnisvolle Pegasus“. Eine Prinzessin wird darin von einem geflügelten Pferd in ein magisches Wolkenkönigreich gebracht. Mithilfe eines Zauberstabs aus Licht hofft sie ihre Familie von einem Fluch zu erlösen. Auch dieses Wolkenkönigreich ist hier am Dachboden zu finden: eine prachtvolle Konstruktion in Pastellblau, mit Stiegen, die geradewegs in den Himmel führen, und geflügelten Ponys mit rosa und blonden Mähnen.
„Daheim bei meinen Barbies habe ich mich einfach sicher gefühlt“, erzählt der 24-Jährige von seiner Kindheit, „sie haben mir Geborgenheit gegeben. Ich konnte spielen, was ich will, sagen, was ich will, sein, wer ich will“. Ein Gefühl, das ihn bis heute bewegt. „Sobald ich dieses Zimmer betrete“, so Schinkinger, „steigen schöne Erinnerungen in mir hoch. Wenn ich mir Barbies aus dieser Zeit kaufe, kaufe ich mir auch ein Stückchen Kindheit zurück.“
1959 kam die erste Barbie der US-Firma Mattel auf den Markt. Mit blonder Mähne, Wespentaille, langen Beinen gilt sie mit jeglich denkbarer Garderobe als perfekte Anziehpuppe und revolutionierte als erste Kinderpuppe, die eine erwachsene Frau darstellte, die Spielzeugwelt. Sie basiert auf einem deutschen Modell: „Lilli“ ging auf einen Cartoon zurück, der in den 1950er-Jahren regelmäßig in der „Bild“-Zeitung erschien und war ein Verkaufsschlager.
Ihr Erscheinungsbild unterliegt dem Wandel der Zeit: Ob als Ärztin, Pilotin oder Soldatin, Barbie übt heute emanzipiert jeden Beruf aus, den sie will. Auch auf die Kritik, die Puppe normiere mit ihren unrealistischen Körpermaßen ein ungesundes Schönheitsideal reagierte der Hersteller – es gibt Barbie in groß, füllig und klein. Zudem ist sie divers, es gibt sie in vielen internationalen Ethnien. Auch als Rollstuhlfahrerin ist Barbie übrigens erhältlich.
Keinen Bock auf Bagger
Die erste Barbie bekam Schinkinger mit zwei Jahren geschenkt. Beim Spielen mit der Nachbarstochter vertiefte sich seine Leidenschaft für die Puppe, zumal seine älteren Brüder wenig Zeit aufbrachten. „Barbies waren das Größte für ihn“, weiß seine Mutter, „wir haben ihm ja auch Bagger und Lastwagen gekauft – aber er hat jedes andere Spielzeug links liegen gelassen.“ Und Schinkinger ergänzt: „Für mich war sie wie eine beste Freundin.“
Dennoch macht er mit 12 aufgrund der Hänseleien Schluss mit ihr. Bis ihn mit 14 ein Video über Bettina Dorfmann mit der größten Barbie-Sammlung der Welt (in Düsseldorf, mit 18.000 Exemplaren) inspiriert, selbst eine Sammlung anzulegen. Täglich legt er dafür sein Jausengeld für die Schule zur Seite. Heimlich pilgert er auf Flohmärkte und kauft Barbies, hält sein Hobby geheim vor Freunden und Mitschülern, die Käufe versteckt er unterm Bett. „Doch irgendwann habe ich mich gefragt: Warum sollte ich mich verstecken?“
300 Euro pro Monat gibt Dominik Schinkinger heute für sein Hobby im Durchschnitt aus. Blöd angeredet wird er nicht mehr, im Gegenteil. „Und falls doch, ich bin nicht auf den Mund gefallen und weiß gut zu kontern“, erklärt er. Neulich wurden ihm 200 Puppen geschenkt, die er jetzt herrichtet. Im Wasserkocher werden die Gelenke geschmeidig gemacht und bei Bedarf gewechselt, die Haare mit Toupierkamm und Conditioner schön gemacht. „Barbie ist ein Spielzeug für mich“, so Schinkinger, „aber auch ein Vorbild. Ob Punkerin oder Prinzessin, Ihr Motto ist: ,You can be anything’.“
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