Chic am Strand um 1900

Pack die Badehose ein! Männer-Bademode im Spiegel der Geschichte

Früher ließ Mann einfach baumeln, was er hatte. Heute hat er die Qual der Wahl: Trunks oder Speedos, möglichst knapp oder in der Größe eines Ein-Personen-Zelts? Eine Zeitreise in Sachen Männer-Bademode.

Ein kleiner Junge steht auf einer Terrasse vor dem Meer, lächelt unsicher in die Kamera – und wenn die von ihm wegzoomt, sieht man auch den Grund für seine Verunsicherung: Er trägt eine handgestrickte Wollbadehose, die zu allem Überfluss noch mit zwei kirschähnlichen Bommeln an jeder Seite verziert ist.

Wer die Szene aus dem „Mann der Friseuse“ einmal gesehen hat, bekommt sie so schnell nicht mehr aus dem Kopf. Weil eine peinlichere Badekleidung für einen 13-jährigen Jungen einfach nicht vorstellbar ist. Und man praktisch fühlt, wie es sein muss, wenn man mit diesem Teil tatsächlich ins Wasser geht, wenn sie, kaum ist man wieder an Land, schwer und vollgesogen nach unten zieht  und mit den Kirschen um die Wette bommelt, 'tschuldigung, baumelt.
Eine wollene Badehose, echt jetzt?

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Am Anfang war die Wolle

Ja, obwohl der junge Mann, der dieses rote Ungetüm in einer Szene, die wohl in den 1940ern spielt, tragen musste, zu Recht ein wenig verunsichert ist. Damals trug Mann nämlich Baumwolle. Am besten im Stil des legendären Charles Atlas, also relativ knapp, dafür mit Canvas-Gürtel.

Sieht man sich die Geschichte der Badehose allerdings ein wenig genauer an, erfährt man, dass wollene Exemplare für einige Zeit tatsächlich gang und gäbe waren. Also zumindest, nachdem die Herren der Schöpfung sich bereit erklärten, überhaupt Badebekleidung zu tragen.

Das war nämlich nicht immer so. In der Antike wurde von Männern und Frauen ausschließlich nackt gebadet, im Mittelalter gar nicht. Und als man im 19. Jahrhundert langsam aus den Badeanstalten hinaus in die Natur, in Seen, Flüsse und ins Meer ging, oder besser sprang, tat man das nach antikem Vorbild so, wie es zuvor auch in den Wannenbädern üblich war: nackt.

Also Mann zumindest, für Frauen herrschten in dieser Hinsicht, wie in so vielen sonstigen auch, gänzlich andere Regeln. Und ja, auch die Freibäder waren nach Geschlechtern getrennt, die nackten Jungs blieben also unter sich.

Die Briten preschten schließlich moralisch voran und erteilten 1860 ein allgemeines Nacktbadeverbot, was angeblich in einigen damals beliebten Badeorten zu Ausschreitungen führte. Ab dieser Zeit setzte sich aber doch der Brauch durch, in Unterhosen oder eigens dafür mitgebrachten – oft wollenen – Badehosen in Wasser zu gehen.

Besonders modebewusste Herren begannen dann im ausgehenden Jahrhundert schicke, möglichst auffallend gestreifte Badeanzüge aus Baumwolle zu tragen. Ein Spleen, der schon damals die Karikaturisten und bald darauf auch die frühen Stummfilm-Slapstickstars inspirierte.

Und ganz verdrängen konnte der auf Figur geschnittene Anzug die wollene Untergatte ohnehin nicht. Wobei moralisch WIRKLICH integre Herren im frühen 20. Jahrhundert auch das Ruderleiberl anbehielten.

Ein Schotte spart am Stoff

Einer der frühen Markt-Leader in Sachen Badehose wurde ab den 1920ern eine australische Firma, deren Name prägend für eine komplette Stilrichtung werden sollte. Der nach Australien ausgewanderte Schotte Alexander MacRae produzierte seit 1914 schon recht erfolgreich „moderne“ Woll- und Baumwoll-Unterwäsche. Eine Geschäftsidee erkennend, wenn er sie sieht, erweiterte der gute Mister MacRae sein Angebot schließlich in Richtung Herren-Badehosen.

Chic am Strand um 1900

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts trugen modemutige Männer gern gestreifte Einteiler und
Kombis

©SZ Photo / SZ-Photo / picturedesk.com

1928 war es, als ihm ein marketingtechnischer Geniestreich gelang: Erstens sparte er, vielleicht ja seinen schottischen Wurzeln geschuldet, am Stoff. Eine für damalige Verhältnisse verwegen knappe Baumwollbadehose wurde für Wettkampfschwimmer – und alle Herren, die auch so aussehen wollten, ohne es sich figurlich in Wahrheit leisten zu können – auf den Markt gebracht. Und dieses neue Teil bewarb er mit einem Geschichte machenden Spruch: „Speed on in your Speedos“.

Also eigentlich war es ein Mitarbeiter seiner Firma, der die glorreiche Idee hatte, Captain Jim Parsons, ein ehemaliger Seemann. Er bekam fünf britische Pfund dafür, MacRae benannte die Firma in „Speedo“ um und machte ein Millionenunternehmen daraus. Die erste Nylon-Badehose wurde aber auch von dieser innovativen Firma erst im Jahr 1955 erzeugt.

Eine Frage des Typs

Ein Millionenunternehmen, dass gleichzeitig auch stellvertretend für alle Badehosen eines bestimmten Typs steht. Knapp, durchaus auch noch knapper, seit einigen Jahren hauptsächlich für braungebrannte Herren im besten Alter, zwischen Gänsehäufel und Adria, Costa Blanca und Mykonos.

Und damit sind wir auch schon beim Culture Clash, der seit einigen Jahrzehnten die britisch/amerikanische von der mediterran/australischen Welt trennt. Während sich in Amerika und England die von den Surfern inspirierten „Trunks“ praktisch völlig durchgesetzt haben, werden im Mittelmeergebiet und in Australien noch immer die knappen „Speedos“ bevorzugt.
Wolverine muss sich umziehenHugh Jackman erinnerte sich diesbezüglich in einem Interview, wie es war, als australischer Jung-Star nach Hollywood zu kommen. Es war ein Pressetermin am Strand, Jackman kam in einer klassischen knappen Speedo – und wurde von seinem PR-Agenten, kurz bevor die Fotografen ihn entdeckten, „zu Boden getackelt“, wie sich der spätere Wolverine erinnert.

Der Grund: Die Filmfirma hatte Angst, dass der noch unbekannte Jackman, der eben als Wolverine für die X-Men gecastet worden war, in den USA als „schräg“ gilt. Oder gar als schwul, es war das Jahr 1999, damals herrschte in dieser Hinsicht noch ein anderer Wind, LGBTQ war erst ein Lüfterl. Jackman erklärte sich bereit, die zur Verfügung gestellten „Trunks“ anzuziehen, der Fototermin war gerettet. Der Schauspieler hatte für den Manager allerdings eine Warnung bereit: „Ich erklärte ihm, er solle sich mal trauen, an einem australischen Strand zu sagen, dass man mit Speedos schräg aussieht oder was auch immer.“
Ein Wellensittich in der Hose?Denn die Australier lieben ihre Budgie Smugglers, wie die Badehosen auch genannt werden, sogar hochrangige Politiker wie  Ex-Premier Tony Abbott tragen am Strand ausschließlich die knappen Höschen.

Der Ausdruck bedeutet übrigens so viel wie „Wellensittich-Schmuggler“, weil’s durchaus aussieht, als hätte der Träger einer Speedo  einen dieser kleinen Vögel vorn in seiner Badehose versteckt. Aussehen kann, sollte man vielleicht sagen, denn  die Art des Bögelchens variiert natürlich je nach Träger ...
Schön für Hugh und seine australischen Kumpels: Manche Mode-Blogger sagen den Speedos für den heurigen Sommer einen fulminanten Siegeszug  voraus. Wir werden sehen, könnte lustig werden.
Obwohl ein Comeback der Strick-Badehose beinahe noch mehr Spaß am Strand versprechen würde.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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