Popstar Anne Marie

Alle Jahre wieder ... Das Gfrett mit den Weihnachts-Hits

Lange bevor das letzte Türchen am Adventkalender aufgeht, schenken uns Stars und Sternchen schon ihre neuen Weihnachtslieder. Doch die bleiben uns oft nicht einmal bis Ferienende im Gedächtnis. War früher wirklich alles besser?

Wer kommt zu Weihnachten? Also wirklich sicher, ohne Wenn und Aber. Das Christkind? Ja, das hoffen wir alle, aber vielleicht nimmt es ja unsere alljährlichen Beteuerungen „Heuer schenken wir uns wirklich nichts“ plötzlich ernst oder hat ein akutes Lockenwicklerproblem oder sonst einen ernsthaften Notfall. 

Der Weihnachtsmann? Der adipöse Kumpel könnte tatsächlich einmal im Kamin stecken bleiben oder er bekommt Schwierigkeiten mit dem Tierschutz, weil er seine armen Rentiere ohne Pause 24 Stunden lang um die Welt hetzt – UND sie in keiner Weise artgerecht hält, wie wir aus diversen Disney-Dokus wissen.

Nein, das Einzige worauf man sich zu Weihnachten wirklich verlassen kann, sind die Weihnachtssongs mehr oder weniger großer Stars, die um diese Zeit die Regale und Streamingdienste überschwemmen...

Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch

  • Was können die heurigen Songs?
  • Ist Last Christmas wirklich so gut?
  • Chers erstes Mal

Neben heimischen Größen wie Chris Steger, bei dem das als roseggerschem Waldbauernbub irgendwie naheliegend ist, und – natürlich – der praktisch kompletten Familie Bocelli, sind heuer auch megahippe internationale Superstars wie die umwerfende Britin Anne Marie um den Weihnachtsbaum versammelt. „Christmas Without You“ singt sie im Rahmen einer Aktion eines größeren virtuellen Versandhauses, bei dem wir selbstverständlich alle nie bestellen und das Christkind schon gar nicht, das aber dennoch immer größer wird. 

Und ja, der Song kann schon was, eine wunderschöne Ballade, die Anne Marie gemeinsam mit James Blake geschrieben hat. Vielleicht schafft er es ja sogar, nicht das Schicksal zu erleiden, das die Christmas Songs sich normalerweise mit so vielen Geschenken teilen, die am 24. so schön glänzend unterm Baum liegen: Noch vor den Heiligen Drei Königen werden sie gegen etwas Besseres umgetauscht ...

Schnee von gestern

Denn sind wir uns einmal ehrlich: Wer kann sich noch an die Weihnachtssongs der letzten Jahre erinnern?  Justin Bieber vielleicht, mit „Mistletoe“ oder Kanye West mit „Christmas in Harlem“? 

Okay, wir machen’s leichter: „You Make It Feel Like Christmas“ von Gwen Stefani vielleicht? Der Song ist erst fünf Jahre alt, aber auch das scheint zu viel Zeit zu sein, um ihn im Gedächtnis zu behalten. Dabei ist die Nummer echt nicht schlecht, die schöne Kalifornierin setzt alles daran, ein nostalgisches 50s-Feeling heraufzubeschwören – was ihr durchaus gelingt. 

Sogar Queen B selbst, die üblicherweise alles überstrahlende Beyoncé, hat mit ihrem "8 Days of Christmas“ nichts wirklich Bleibendes erschaffen, obwohl sie melodisch und textlich auf einen absoluten Christmas-Klassiker zurückgriff, das traditionelle  „12 Days of Christmas“ aus dem 18. Jahrhundert, quasi das britische „Stille Nacht“.

Aber nein, es soll einfach nicht sein, wie’s scheint. Wer die alten Klassiker hören will, greift dann doch lieber auf die originalen alten Crooner wie Bing Crosby, Dean Martin oder Frank Sinatra zurück. Wobei an dieser Stelle doch die stimmgewaltige Miley Cyrus empfohlen sein soll, die vor einigen Jahren in Bill Murrays Weihnachtsfilm „A Very Murray Christmas“ wirklich gelungene Versionen von „Sleigh Ride“, „Silent Night“ und, gemeinsam mit George Clooney, der anscheinend wirklich alles kann, „Let it Snow“ gesungen hat.

Wo sind die modernen Klassiker?

Apropos Miley: Sie hat sich in letzter Zeit auch zwei zeitgenössische Weihnachtssongs vorgenommen, wobei zeitgenössisch hier ein wenig relativ ist. Zum einen nahm sie sich „All I Want For Christmas“ vor, und dieser Hadern von Mariah Carey ist mit etwa 16 Millionen verkauften Scheiben eines der erfolgreichsten Weihnachtslieder aller Zeiten. Und zum anderen sang sie doch glatt auch „Last Christmas“, den adventlichen Dauerohrwurm von George Michaels Wham – beides durchaus gelungen. Gut, die zwei Songs sind knapp 30 und 40 Jahre alt und stehen damit der Ära von Frank Sinatra und seinem Rat Pack näher als uns heute, aber man kann nicht umhin, festzustellen, dass wir es hier doch mit zwei echten, „neuen“ Weihnachtsklassikern zu tun haben.

Aber sind diese Songs wirklich besser als Anne Maries Weihnachtstrack? Oder die der britischen R’n’B-Prinzessin Jorja Smith und des heurigen Shootingstars Sam Ryder, die ebenfalls exklusiv fürs Versandhaus  zwei Songs aufgenommen haben? Gottbehüte, natürlich nicht! Warum „Last Christmas“ & Co. ins kollektive Bewusstsein gelangten und unlöschbar darin verankert sind, liegt daran, dass sie in einer Zeit auf uns zukamen, als alles noch wunderbar klar und vorhersehbar war.  

Weil’s weltweit jeweils nur wenige landesweite Radiosender – ja ehrlich, Radio! – gab, und was von denen unermüdlich gespielt wurde, kam irgendwann auch bei wirklich jedem an. Keine Ablenkung durch Internet, Streamingdienste und Social-Media-Plattformen, sondern ein einziges, großes gemeinschaftliches Schunkeln zu „ ... I gave you my heart, but the very next day you gave it away ... “

Chers allererstes Mal

Heute haben’s  Songs schwerer, werden in den unterschiedlichen Fan-Blasen zwar oft kultisch verehrt, darüber hinaus erlangen sie aber kaum Nachhaltigkeit. Und das gilt jetzt keinesfalls nur für Weihnachtssongs. Aber für die  ganz besonders, weil wir gerade zu Weihnachten nach etwas Verbindendem suchen, etwas, das wir mit der GANZEN Familie, mit ALLEN Freunden, so unterschiedlich sie auch sein mögen, teilen können. Und da greift man dann eben auch als jugendlicher Gangster-Rapper auf „I’m dreaming of a white Christmas“ zurück, weil dann auch Oma happy ist. Und vielleicht erinnert es einen ja tatsächlich selbst auch an ein glückliches Stück Kindheit.

Heuer reiht sich sogar die unverwüstliche Cher in die Reihen der singenden Weihnachtsengel ein. Die Frau, die in den Sechzigern lässig wie keine andere die Sechziger repräsentierte und in den Achtzigern anstrengend wie keine andere die Achtziger, meldet sich jetzt, mit stolzen 77 Jahren mit ihrem allerersten Weihnachtsalbum zurück. Ausgerechnet. 

Auf dem Cover sieht sie zwar vielleicht nicht wirklich weihnachtlich aus, dafür aber so lässig, wie seit den Sechziger-Jahren nicht mehr. Ob freilich ihr „DJ Play a Christmas Song“ in den Kanon der Lieder eingehen wird, die man sich alljährlich vom DJ oder dem Onkel Hans, bei dem man gerade Weihnachten feiert, wünschen wird, ist, freundlich ausgedrückt, mehr als fraglich. 

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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