Magdalena Moser

Maßarbeit: Geschenk-Ideen in Zeiten, in denen jeder alles hat

Wir alle sind einzigartig. Und zwar jeder und jede einzelne. Höchste Zeit, dass sich das auch in unseren Geschenken ausdrückt. Der Trend geht Richtung „Leben nach Maß“.

Ganz ehrlich: Wer will schon genau so sein wie alle anderen? Wir geben uns Mühe, ein Auto zu fahren, das nicht jeder hat, was gefühlt jedes Jahr schwieriger wird. Oder ein besonderes Bike, vielleicht ja ein Vintage-Rennrad. Welches Tattoo zu einem passt, ist auch eine schwierige Entscheidung, irgendwann entschließt man sich vielleicht für eines in Singhala-Zeichen, weil chinesische und japanische Weisheiten eh schon alle falsch geschrieben auf ihrer Haut verewigt haben. 

Und dann sollen Frauen sich Kleider von der Stange kaufen, Männer in zu kleinen Anzügen von Modeketten rumlaufen, die auch jeder drittklassige C-Promi oder Provinzpolitiker trägt? Auf dem Weg zur U-Bahn an mindestens sechs Menschen vorbeigehen, die krampfhaft so tun, als würden sie einen nicht sehen, weil sie exakt die gleiche Handtasche unter den Arm geklemmt haben? Es ist wie verhext, nicht einmal veritable Luxus-Labels garantieren heute noch irgendeine Form von Alleinstellungsmerkmal!

Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch

  • Herminator-Gemeinde Flachau bietet coole Lederwaren
  • Im Salzkammergut gibt's lässige Mode nach Maß
  • Und was ist in Wien los?

Die gute Nachricht: Das muss alles nicht sein. Denn der Trend zu Maßarbeit und Custom-Made-Geschenken hält nach wie vor an ...

Und zu den edlen Traditionsbetrieben der Wiener Hauptstadt, wie etwa den Schuhmacher Scheer oder den Schneider Knize, die seit Jahrzehnten oder eigentlich seit Jahrhunderten betuchte Kunden aus der ganzen Welt verwöhnen, gesellen sich in den letzten Jahren immer mehr junge kreative Handwerker und Designer.

Stur, stabil und schön

So wie zum Beispiel Christoph Oberreiter, der in der Salzburger „Herminator“-Gemeinde Flachau seit neun Jahren edle Leder-Teile schneidert. Wobei die Anfänge noch nicht ganz so edel waren. „Ich bin auf dem Fußboden in der Küche g’sessen und hab mit dem Stanleymesser an meinem ersten Gürtel gearbeitet“, erinnert sich Oberreiter lachend. 

Christoph Oberreiter
Christoph Oberreiter designt in Fachau edle Lederwaren. ©2tmann

Wie hat er sich die absolut nicht einfache Fähigkeit der Lederverarbeitung angeeignet? „Ich bin halt stur“, sagt der Mann aus dem wildromantischen Pongau lakonisch. 

Sieht man sich heute seine Taschen – Shopper, Business-, Messenger- und Crossbody-Bags –, Gürtel, Schürzen und Rucksäcke an, ist man schnell der Überzeugung, dass er wirklich verdammt stur sein muss, so gediegen ist die Verarbeitung und das Design. 

Eigentlich ist Oberreiter gelernter Koch, er hat beim Obauer in Werfen, in Norwegen und Südtirol gearbeitet. Ein familiärer Schicksalsschlag brachte ihn dazu, diese Karriere zu überdenken. Kochen tut er zwar immer noch gerne, aber „wenn du einmal Profi-Küchen gewohnt warst, dann ist es in einer Privatküche nur mehr der halbe Spaß“.

Wenn es ums Werkzeug geht, ist er eben pingelig. Auch bei der Lederverarbeitung. „Ich liebe gut gearbeitete Dinge, das gilt auch für Werkzeuge. Am Anfang war es recht schwierig, die zu bekommen“, erinnert er sich. Mittlerweile kauft er Vintage-Geräte auf der ganzen Welt und verkauft seine Produkte auch weltweit. 

350 bis  800 Euro muss man für eine seiner Taschen einberechnen, um 90 Euro gibt es handgefertigte Organizer, charmante analoge Relikte in unserer digitalisierten Welt.

Der Wert der Handarbeit

Das Geschäft scheint gut zu laufen, Oberreiter hat mittlerweile auf – auch stilistisch – beeindruckende Weise vergrößert, ist mit seiner Werkstatt in die alte Feuerwache Flachau übersiedelt. Das hat schon wirklich urbanes Design-Flair mitten am Land. „Ich mag alte Dinge einfach“, sagt er lachend.

Auch weiter nördlich, vorbei an Salzburg – wo man, nur so nebenbei, bei Kirchtag in der Innenstadt seit weit mehr als 100 Jahren fantastische handgefertigte Regenschirme findet, die der Mann von Welt farblich natürich zu seinen Socken passend trägt –, trifft man in Reindlmühl/Altmünster im Salzkammergut auf Magdalena Melitta Moser, die in der kleinen Gemeinde ein unglaublich vielfältiges Mode- und Design-Studio aufgebaut hat. Taschen, Hemden, Hosen, Kleider und natürlich Trachten – alles kann hier gemacht werden. Betonung auf „hier“ und „gemacht“.

Denn Magdalena Moser glaubt nicht an Outsourcing und ähnliche Verfahrensweisen. Was bei ihr bestellt wird, wird vor Ort von ihr und ihren Mitarbeiterinnen hergestellt. „Das ist ja das große Fragezeichen bei den großen Marken. Was wird um welches Geld wo hergestellt. Bei uns kleinen Manufakturen ist das alles transparent. Dadurch entsteht Vertrauen“, sagt die studierte Wirtschaftsrechtlerin. 

Denn wenn sie sechs Wochen an einem Hemd arbeitet, können die Preise zwar nicht wie beim Diskonter sein, aber dafür transparent, und ihre Gewinnspanne überschaubar. 

Dinge, die uns bleiben

„Ich schreibe aufs Etikett in jedem meiner Designs nicht nur den Namen des neuen Besitzers, sondern auch das Jahr, in dem ich es hergestellt habe“, erklärt Magdalena Moser. Denn bei diesen Handwerksstücken, egal ob Anzug, Kleid, Hirschlederhemd oder Dirndl, geht es durchaus auch darum, dass sie ihren Besitzer über Jahre oder Jahrzehnte begleiten. Und das ist doch ein erfreulicher Unterschied zur über so viele Jahre nun schon vorherrschenden Wegwerfkultur.

Jacke, Hundhalsband, Hundeleine, Bucket Bag

©Mamoka

Dafür, dass man sich an den Dingen, die man von Magdalena Moser kauft, so lange erfreuen kann, muss man allerdings auch ein wenig warten. Ein personalisierter Schlüsselanhänger dauert etwa eine Woche, ein Maßhemd sechs Wochen, und eine Lederhose erfordert ein ganzes Jahr Geduld. Dafür hat man sie dann aber auch für den Rest seines oder ihres Lebens. 

Was läuft in Wien?

Unsere Hauptstadt selbst hat sich ohnehin zu einem handwerklichen  Kreativzentrum entwickelt. Tradition in der Innenstadt, Innovation in den Außenbezirken. Vor allem in Neubau findet  man praktisch alles zwischen Kunsthandwerk, Design und Mode.

Die, also die Mode, etwa in einem besuchenswerten Atelier mit dem entzückenden Namen Liebesdienst. 

Hier schneidert Sabine Aberle hinreißende urbane Teile für sie und ihn in Kleinstauflage. Die studierte Architektin besticht mit klaren Linien und einer klaren Absage an schnelllebigen Firlefanz. Individualität in Handarbeit kann schön, und muss nicht unbedingt teuer sein.
instagram.com/mamoka_official
2tmann.at 
Liebesdienst: Burggasse 34/3, Wien 7

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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