
Tobias Pötzelsberger: „Ich lasse mein Herzblut auf der Bühne“
Nachrichten-Moderator Tobias Pötzelsberger ist auch Singer-Songwriter. Im August tauscht er ORF-Studio gegen Bühne. Ein Gespräch über Musik Persönliches und Ekstase.
ZiB-Gesicht Tobias Pötzelsberger macht schon lange Musik. Von Hip Hop über Post-Punk bis Hardcore war alles dabei. Doch seine Leidenschaft ist der gefühlvolle Folkpop. In seinen Liedern geht es um Kraftplätze, ums Vatersein und fehlende Zwischenmenschlichkeit. Im freizeit-Interview erzählt er, warum Musik für ihn ein Gegenpol zum nüchternen Nachrichtengeschäft ist – und was ihn kurz vor dem Bühnenauftritt nervös macht.
Im Fernsehen wirken Sie souverän. Wie geht es Ihnen kurz vor einem Konzert – wenn das Publikum kleiner, aber dafür viel näher ist?
Tobias Pötzelsberger: Im Fernsehen gibt es eine gewisse Routine. Vielleicht spürt man vor der Sendung ein leichtes Kribbeln – aber das ist nicht vergleichbar mit dem, was vor einem Konzert passiert. Zehn Minuten davor bin ich echt nervös. Ich kann kaum still sitzen. Denn ich lasse mein Herzblut auf der Bühne. Alles, was ich dort tue, ist tief empfunden, durchdacht – und persönlich. Im Fernsehen bin ich der Überbringer einer Botschaft. In der Musik bin ich selbst Teil dieser Botschaft und das macht verletzlich. Dann können Fehler passieren. Und ich hasse Fehler.
Wie wichtig ist Ihnen die Reaktion des Publikums?
Wenn ich merke, dass jemand im Publikum besonders aufmerksam ist und mitfühlt, dann singe ich die Person manchmal ein bisschen an. Das macht es für mich noch intimer. Aber es gibt natürlich auch andere Situationen. Neulich habe ich im Konzerthaus gespielt – und da saßen einige klassische Abonnenten im Publikum, die vielleicht gar nicht so genau wussten, was sie erwartet. Ein älterer Herr in der dritten Reihe ist während des Konzerts kurz eingenickt. Ich habe es nicht persönlich genommen (lacht).
Sie spielten im Konzerthaus, im Porgy & Bess. Jetzt folgen Festivalauftritte am Picture on oder Free Tree – das sind auch keine unbedeutenden Orte. Wie sehr hilft der Name Tobias Pötzelsberger? Oder ist er manchmal auch hinderlich?
Das hat zwei Seiten. Natürlich kann es ein Vorteil sein, dass mein Name durch die Fernsehpräsenz bekannter ist. Gleichzeitig ist die Fallhöhe größer, und ich bin leichter zu kritisieren. Aber ich mache schon sehr lange Musik. Auch früher haben wir vor 400 Menschen gespielt. Es ist also nicht so, dass ich plötzlich dachte: „Ach, ich bin Fernsehmoderator, vielleicht könnte ich jetzt auch Musik machen.
Apropos Kritik. Der Standard war im Vorjahr bei der Besprechung Ihres Albums „Prudence“ nicht gnädig.
Ich habe nicht damit gerechnet, von den Standard-Kritikern goutiert zu werden. Dort gehört ein Verriss zum guten Ton, ich habe mich sogar darüber gefreut und sehr gelacht.
Sie waren vor Jahren in Salzburg mit Ihrer Band „The More or The Less“ lokale Helden. Warum treten Sie nun nicht mit Bandnamen, sondern unter Tobias Poetzelsberger und Band auf?
Damals war es in Mode, sich absichtlich komplizierte Bandnamen auszudenken – das kam aus einer bestimmten Rock-Tradition, Hardcore, Post-Punk, solche Sachen haben wir viel gehört. „The More or The Less“ war so ein Name. Wir waren 18, das hat damals gepasst. Heute ist alles anders: neue Band, neue Songs, ein anderer Zugang. Und ich wollte mich nicht mehr hinter einem Bandnamen verstecken. Mein Gesicht ist durch den ORF bekannt – da hätte man ständig dazuschreiben müssen: Das ist übrigens der Pötzelsberger.
„Ich bin eigentlich ein sensibler Mensch – mitunter auch ängstlich und zaudernd. Natürlich habe ich im Privaten meine Schwächen.“
Sind Sie ein Festivaltyp?
Ich gehe total gern auf Konzerte und liebe es, bei Festivals drei, vier lässige Bands hintereinander zu sehen. Aber innerlich bin ich, glaube ich, einfach zu alt geworden – für den Dreck, den Staub, die Hitze. Und wenn dann noch jemand sagt: „Du musst im Zelt übernachten“ – dann laufe ich schreiend davon. Mein Rücken und meine Laune machen das einfach nicht mehr mit.
Inwiefern können Sie sich als Konzertbesucher überhaupt gehen lassen? Kann man ein Bier mehr trinken, wenn man als ZiB-Moderator in der Öffentlichkeit steht?
Ein bisschen Ekstase muss erlaubt sein. Wenn man es fühlt – warum nicht ausschweifend tanzen, mitsingen, klatschen und jubeln? Das gehört dazu. Beim Bier halte ich mich eher zurück – das fände ich unpassend. Man trägt das ORF-Pickerl ja auch im Privatleben mit sich herum. Ich denke: Wir sind alle nur Menschen – und ich will das Leben mit offenem Herzen leben und fühlen.
Die Nachrichten im Fernsehen müssen Sie nüchtern rüberbringen. Ihre Lieder sind hingegen sehr emotional. Ist Ihre Musik auch eine Form von Eskapismus?
Ich bin eigentlich ein sensibler Mensch – mitunter auch ängstlich und zaudernd. Natürlich habe ich im Privaten meine Themen, meine Schwächen. Aber im Job hat das keinen Platz: Da geht es um objektive, äquidistante Nachrichtenpräsentation, um Sondersendungen, lange Gespräche – da darf Persönliches nicht durchscheinen. Gerade deshalb genieße ich es, weiterhin Musik machen zu dürfen. Da kann ich mich öffnen, ein Stück weit zumindest.

Tobias Poetzelsberger (mit oe statt ö) und Band auf der Bühne
©Barnabas WilhelmWie sehr öffnen Sie sich?
Ich erzähle zwischen den Songs auch gern etwas, moderiere locker rüber zum nächsten Stück, kann Schmäh führen. Es macht mir wahnsinnig Spaß, wenn der private Tobias Pötzelsberger mitschwingen darf. Nicht intim – ich lese da nicht aus dem Tagebuch vor – aber es ist eine wohltuende Ergänzung zum nüchternen Nachrichtengeschäft.
Fließt die Arbeit auch in die Songs ein?
Nein, meine politische Meinung ist erstens irrelevant. Zweitens ist das ORF-Gesetz klar: Wir haben uns politisch nicht zu äußern. Meine Songs kommen sowieso von einer anderen, sehr persönlichen Ebene. Was ich allerdings merke: Ich habe dieses Reporter-Gen in mir. Ich beobachte viel – wie Menschen sich verhalten, was sie tun – und daraus entstehen oft Songideen. Das erinnert mich manchmal an Egon Erwin Kisch. Dieses Beobachten und Weitererzählen – das ist natürlich etwas, das ich aus meinem journalistischen Beruf mitnehme.
Woher kommen Ihre Inspirationen?
Oft aus kleinen Dingen. So singe ich von meinem Kraftplatz, dem Mattsee in Salzburg – und diesem Moment, ins Wasser einzutauchen und sich frei zu fühlen. Das ist an sich nichts Spektakuläres. Aber ich glaube, wenn man so etwas richtig erzählt, dann können viele Menschen andocken – weil hoffentlich viele solche Kraftorte haben. Ein großes Thema auf dem Album „Prudence“ ist auch meine Rolle als Vater, das Älterwerden und das Übernehmen von Verantwortung. Das hat sich fast automatisch beim Schreiben ergeben.
Wie sehr prägt der Blick auf die Gesellschaft Ihre Texte?
Es taucht immer wieder etwas auf, das ich als fehlende Zwischenmenschlichkeit empfinde – wie Menschen miteinander reden, besonders im Internet. Oder der Mangel an Zivilcourage, den ich leider manchmal im Alltag sehe. Wie gesagt, es ist keine Tagebuchlyrik, aber es sind persönliche Erlebnisse, die ich versuche, auf die Meta-Ebene zu bringen, sodass sie für andere spürbar werden.
Nadja Bernhard spielt Steirische Harmonika. Wie wäre es da mit einer Supergroup: The Zibs, Anchorpersons oder so?
Ich will das unbedingt. Aber Nadja ist zu schüchtern. Nein, Spaß beiseite: Ich fände das total lustig. In der ZIB-Redaktion gibt’s einige Musikerinnen und Musiker. Das Problem ist nur: Alle haben unterschiedliche Dienstzeiten, Familie, Kinder. Schon eine einzige Probe zu organisieren, ist praktisch unmöglich. Aber: Bei ein paar Weihnachtsfeiern haben wir tatsächlich schon gemeinsam musiziert – und das hat sehr gut funktioniert.
Tipp: Tobias Pötzelsberger spielt mit seiner Band am Picture On Festival in Bildein (8.8.), Free Tree Open Air Taiskirchen (9.8.) bei den Festwochen Gmunden (15.8.), auf der Seebühne Seeham (16.8.) und dem Open Air Purkersdorf (30.8.).
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