Musik

Tori Amos im Interview: Die Kraft der Natur half ihr durch den Lockdown

In ihrem in einer persönlichen Krise entstandenen Album "Ocean To Ocean" macht die Pianistin Natur und Umwelt zum Hauptthema

Als ihre „persönliche Hölle“ bezeichnet Tori Amos den dritten Lockdown. Anfang 2021 fühlte sich die mit ihrem Mann im britischen Cornwall lebende Amerikanerin „festgefahren, eingesperrt und so deprimiert wie schon lange nicht mehr“.

„Es war nicht nur der Tod meiner Mutter, die 2019 gestorben war, den ich noch nicht ganz verarbeitet hatte“, erzählt sie im freizeit-Interview. „Der Sturm auf das Kapitol in Washington hat mich erschüttert, weil ich merkte, auf welch wackeligen Beinen die amerikanische Demokratie steht. Und da waren all diese Berichte über Waldbrände und Überflutungen – zusätzlich zu den Storys über das, was die Leute aufgrund der Pandemie durchmachten. Alles zusammen war einfach zu viel.“

©FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUM

In dieser Zeit und den Monaten danach schrieb Amos ihr eben erschienenes Album „Ocean To Ocean“, das musikalisch und von der emotionalen Tiefe her an ihre Erfolgsalben der 90er-Jahre anschließt. Ein Highlight ist das der Mutter gewidmete „Metal Water Wood“, ein anderes „29 Years“, in dem die einst von einem Fan vergewaltigte 58-Jährige darüber nachdenkt, wie dieses Trauma sie noch immer beeinflusst: „Oft reagiert man wegen derartiger Wunden – egal wie alt sie sind – recht angriffig. Eigentlich will man das nicht, aber man kann es auch nicht mehr zurücknehmen.“

Viel mehr Raum nimmt auf „Ocean To Ocean“ aber das Thema Natur ein. Einer der Auslöser dafür war Amos’ Tochter Tash, die mit ihren 21 Jahren eine Aktivistin in Bezug auf den Klimawandel und die Umweltzerstörung ist. „Sie hat mich dazu verdonnert, ein paar Dokumentationen darüber anzusehen“, erzählt Amos. „Und obwohl ich dachte, dass ich darüber einiges weiß, war das echt schockierend. Ich hatte keine Ahnung von dem Ausmaß der Korruption, die hinter diesen Problemen steckt.“

Mit ein Grund für das Tief, das Amos zu Beginn des Jahres durchmachte, war ihre schwindende Hoffnung, dass die Menschheit in Bezug auf den Umweltschutz rasch genug umdenkt: „Ich glaube nicht, dass es für die Natur zu spät ist“, sagt sie. „Die Erde wird überleben, für die Menschheit ist es zu spät. Die Natur erholt sich schnell, wenn die Menschen aufhören, sie zu ruinieren. Aber dafür müssten wir sehr schnell handeln. Und ich sehe nicht, dass das passiert.“

©Universal Music/Desmond Murray

Einen Beweis für die Kraft der Natur fand Amos, als sie sich im Frühjahr mit langen Spaziergängen an der Küste aus der Krise holte: „Während wir Menschen den Stillstand hatten, war die Natur schwer damit beschäftigt, sich zu regenerieren.“

Als ersten Schritt der Menschheit hin zu wirksamen Klimaschutzmaßnahmen sieht Tori Amos Empathie und ein Bewusstsein für die Dringlichkeit der Situation zu entwickeln.

„Wir müssen viel mehr miteinander reden und zuhören, welche Probleme die Menschen zum Beispiel in den überfluteten Gebieten oder nach den Waldbränden mit den Konsequenzen aus diesen Katastrophen haben. Darin sehe ich auch die Rolle von Songs und allgemein der Kunst in all dem: zu reflektieren, was die Menschen zurzeit durchmachen und Empathie dafür zu zeigen. Denn es ist wirklich sehr viel, was wir alle zurzeit verarbeiten müssen.“

INFO: Tori Amos tritt am 18. Februar 2022 im Festspielhaus St. Pölten auf

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