Chatbot macht es möglich: Tierische Plaudereien
Bisher haben Menschen immer versucht, Tieren unsere Sprache beizubringen. Aber erst seit kurzem haben wir angefangen, unseren tierischen Mitbewohnern ernsthaft zuzuhören. Und Dank eines „Chatbots“ könnten wir bald so weit sein, tatsächlich mit ihnen zu sprechen.
Blödsinniges Bellen oder eine rasend wichtige Nachricht? Lästiges Herumgemaunze oder eine Liebeserklärung? Wir können Tiere leider nicht verstehen, es ist ein alter Traum der Menschen, den schon die antiken Griechen träumten, der aber nur in manchen Märchen wahr wird. Und natürlich in der Person des famosen Dr. Doolittle. Aber wie es aussieht, könnte der gute Mann bald Realität werden. Als KI natürlich, was sonst. Quasi ein ChatGPT für Wuffi, Maunz & Co. Gibt's nicht?
Doch, kein Witz – mit Bienen plaudern die Forscher schon seit zehn Jahren! Das darf man sich jetzt natürlich nicht ganz so vorstellen, als ob sie mit Biene Maja und dem faulen Willi die Probleme der Waldbewohner besprechen würden. Aber ein Miniroboter, der an der FU Berlin konstruiert wurde, kann Bienen immerhin „sagen“, wo es besonders viel Nektar zu holen gibt. „Robobee“, wie der kleine Kerl getauft wurde, beherrscht den Bienentanz und zwar so gut, dass ihn die fleißigen Arbeiterinnen im Stock tatsächlich verstehen. Als nächsten Schritt soll er lernen, den Bienen zu erklären, dass der Imker kein Feind ist – und so Bienenangriffe auf Menschen verhindern. Und die rasanten Fortschritte, die seitdem in der Forschung um KI, also künstliche Intelligenz, gemacht wurden, eröffneten den Wissenschaftlern bisher unbekannte, beinahe unbegreifliche Möglichkeiten.
Ein weiteres Projekt, das aktuell zeigt, wie die Menschheit auf der Spur der Tierkommunikation ist, beschäftigt sich mit Elefanten. Neben dem lauten Röhren verständigen sich die Tiere mit tiefen Tönen, die außerhalb des für uns hörbaren Bereichs liegen. Mithilfe von KI-Technologie können die Geräusche identifiziert und – hoffentlich bald – entschlüsselt werden. Für Karen Bakker von der University of British Columbia steht außer Frage, dass genau das auch gelingen wird. Die Professorin für politische Ökologie und Artenvielfalt beschreibt in ihrem Buch „The Sounds of Life“ etliche der aktuellen Projekte und vor allem auch Forscher, die, wie sie es nennt „Wörterbücher“ für Krähen, Elefanten oder auch Schweine erstellen.
Schweinchen Babe
Gerade bei unseren grunzenden Freunden mit den Ringelschwänzchen ist man schon besonders weit: „Wir können heute die Emotionen von Schweinen decodieren“, hieß es vor einigen Monaten in einer Mitteilung der Universität Kopenhagen. „Wir haben Tausende von akustischen Aufnahmen über die Lebensdauer der Tiere gesammelt, von der Geburt bis zum Tod.“ Derzeit sind es „nur“ grundlegende Emotionen wie Glück, Begeisterung, Angst oder Stress, die eindeutig erkannt werden können – aber je mehr die KI einmal weiß, desto mehr kann sie auch lernen. Es ist nur eine Frage der Zeit und „Schweinchen Babe“ wird Wirklichkeit.Die größten Ressourcen sind derzeit in zwei faszinierenden Projekten gebündelt: „ESP“ und „CETI“. Dabei setzt das Cetacean Translation Project (CETI) den gesamten Fokus auf die „Sprache“ der Pottwale, Cetacea ist die wissenschaftliche Oberbezeichnung für alle Wale. Dabei arbeiten Forscher und Fachleute des legendären MIT in Cambridge, von Deepmind, Microsoft, Google Research und diversen Universitäten mit einem Algorithmus, der eigentlich für menschliche Sprachen entwickelt wurde. Er soll die rund vier Milliarden unterschiedlichen Klickgeräusche der Pottwale lernen. Vier Milliarden – das ist einmal eine richtige Vokabelprüfung! Aber wenn’s einer kann, dann der Computer, das ist klar.
Der Schwarm?
Klar ist auch, welch ein bewegender Moment es sein wird, sollten wir tatsächlich das erste Mal mit diesen Weisen der Meere kommunizieren können. Und zwar bevor ihnen mit uns der Kragen platzt wie derzeit so spektakulär in der TV-Serie „Der Schwarm“...
Der zweite große Forschungsansatz verfolgt eine vielleicht noch revolutionärere Idee: Das Earth Species Project (ESP) ist eine 2017 gegründete Non-Profit-Organisation, die auf Open-Source setzt. Das heißt weltweit entwickeln hier Spezialisten einen Algorithmus weiter, der nichts weniger ermöglichen soll als das Verständnis sämtlicher Tiersprachen. „Vom Wurm bis zum Wal“, erklärt Mitbegründer Aza Raskin, der zuvor Mozilla und diverse Tech-Start-ups groß gemacht hat. Und: Er werde es noch erleben, dass wir mit seiner KI mit Tieren sprechen können, ist der 39-jährige Kalifornier überzeugt. Mit allen Tieren.
Und wie funktioniert das alles? Im Grunde suchen diese neuen, „intelligenten“ Programme nach Häufigkeiten und Kombinationen bestimmter Wörter und nach ihrer „Nähe“ zueinander. Das Faszinierende daran: Sie lernen diese Sprache selbst, man muss sie nicht können und dem Computer eingeben. Ein bisschen so, wie Antonio Banderas als muslimischer Gefangener der Wikinger in „Der 13. Krieger“ die barbarische Sprache seiner Entführer lernte.
Ein entscheidendes Problem beim Decodieren unserer Lebenspartner Hund und Katz: Bei ihnen spielt die Körpersprache eine riesige Rolle, beinahe mehr als die Laute, die sie von sich geben. Aber auch das wird der tierische Chatbot früher oder später knacken. Professorin Karen Bakker ist davon jedenfalls genau so überzeugt, wie die maßgeblich beteiligten Wissenschaftler und Programmierer. Sie hat allerdings auch enorme Bedenken: Sieht man unsere Geschichte mit unseren tierischen Mitbewohnern auf dem Planeten Erde an, haben wir unsere Macht über sie selten zu etwas Positiven verwendet. Verstehen wir erst ihre Sprache, können wir sie auf jede Art und Weise manipulieren. Das kann zum Besten für sie und die Umwelt sein – wir können es aber auch schamlos ausnutzen. Was wir mit unserer Überlegenheit leider schon oft genug getan haben ...
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