Schüler helfen Schülern: Die vielen Vorteile des Peer-to-Pear-Learnings

Wie eine Wiener Schule mit unbürokratischen Unterstützungsprogrammen die mentale Gesundheit ihrer Schüler fördert.

Die bevorstehende Matheschularbeit verursacht Schweißausbrüche und Bauchschmerzen und der französische Subjonctif will auch nach der 15. Wiederholung so gar keinen Sinn machen? Keine Frage, für manche ist der Schulunterricht ein Ort der Angst. Die Pandemiejahre haben die psychische Belastung bei vielen Schülerinnen und Schülern nachweislich noch intensiviert. Umso wichtiger sind schnelle, unbürokratische und auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittene Hilfsangebote.

Peer Learning

„Es ist schön zu wissen: Jemand ist für dich da, du bist nicht alleine“, sagt auch Valerie Braunegg, 18-jährige Schülerin der Vienna Business School (VBS) Schönborngasse. Sie ist Teil der Peer-to-Peer-Learning-Gruppe (Peer, dt. Kollege/in) ihrer Schule, die, so wie andere VBS-Standorte, seit einigen Jahren erfolgreich ein engmaschiges Netz aus Unterstützungsprogrammen und Ansprechpersonen etabliert hat.

Das Konzept ist einfach erklärt: Schülerinnen und Schüler, die sich in bestimmten Fächern sehr sicher fühlen, melden sich Anfang des Schuljahres freiwillig, andere aus den unteren Klassen mit Nachhilfe zu unterstützen. Die Vernetzung erfolgt entweder direkt oder über das Lehrpersonal, dann kann der Nachhilfeunterricht schon starten. Davon profitieren am Ende beide Seiten: „Ich muss ja, um mich vorzubereiten, selber auch den Stoff anschauen, so wiederhole ich ihn automatisch für die Matura. Ich helfe damit den Schülern in den unteren Klassen – und am Ende hilft es auch mir“, erzählt Valerie, die Nachhilfe in Mathematik und Rechnungswesen anbietet. Sie ist überzeugt vom System.

Vorteile

Und auch über Erfolgserlebnisse konnte sie sich schon freuen: „Ein Schüler, der ziemliche Probleme hatte, war nach der Nachhilfe auf einem Einser, bei einer Dreiergruppe, die ich in Mathe betreut habe, ließen sich die Nachprüfungen abwenden. Das macht dann auch mich glücklich.“ Die rasche und unkomplizierte Hilfe sieht auch Doris Huber, Lehrerin, Coach und Bildungsberaterin an der VBS, als einen der zentralen Vorteile gegenüber „regulärer“ Nachhilfe – und den entspannteren Umgang der Schüler untereinander. Valerie stimmt zu: „Es ist angenehm, dass wir einfach locker miteinander reden können und nicht so sehr das Fachvokabular verwenden müssen. Außerdem kennen wir ja auch die Lehrer, und wissen, worauf sie besonders fokussiert oder wo sie besonders streng sind.“

Sicherheitsnetze

Für die 18-Jährige ist Empathie die wichtigste Eigenschaft, die man als Peer mitbringen sollte. Und auch eine gewisse Fähigkeit zu Selbstkritik und Flexibilität: „Wenn jemand nicht sofort versteht was gemeint ist, muss man sich auch selbst fragen: ‚Vielleicht habe ich es ja nicht gut erklärt?‘ und einen anderen Ansatz suchen. Man darf einfach nicht aufgeben.“

Diese Hilfestellungen zwischen den Jugendlichen haben auch einen klaren Effekt aufs Schulklima. „Es wirkt sich deutlich auf die Schulgemeinschaft aus, wenn Schüler für andere Schüler Verantwortung übernehmen“, sagt Huber. „Ich glaube, dass das etwas mit den Menschen macht.“

In Coronazeiten hat die Schule, die seit vielen Jahren ein weites Angebot an Hilfestellungen bietet, ihre Unterstützungsprogramme für Schüler noch intensiviert, und unter anderem Achtsamkeitstrainings, Yoga und sportliche Aktivitäten angeboten. „Das sind – wie auch das Peer-Learning – alles kleine Bausteine, die signalisieren, du bist nicht allein, es gibt Leute, die dir helfen, und zwar rechtzeitig, bevor deine Belastung zu groß wird“, sagt die Lehrerin. In Zeiten der Krise – und auch sonst – braucht es nun einmal mehrere Arten von Sicherheitsnetzen.

Individuelle Bedürfnisse

Bei Doris Huber laufen die Fäden zusammen, sie koordiniert die Programme und vermittelt jedem das richtige Angebot: „Die einen benötigen Nachhilfe, die verweise ich an den passenden Peer. Dann gibt es Schüler, die wären gar nicht so schlecht im Fach, die haben aber große Probleme sich zu organisieren. Die brauchen dann eine andere Art der Unterstützung, nämlich professionelle Lernbegleiter. Und dann gibt es Schüler, die leiden etwa unter Panikattacken. Ihnen helfen weder Peer noch Lernbegleiter, sie brauchen einen Schulpsychologen. Und das ist das Entscheidende: Jedem das Richtige zu vermitteln und genau hinzuschauen, was individuell gebraucht wird.“

Anya Antonius

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