Kreativität: Warum uns die besten Ideen vor dem Einschlafen einfallen

Geist und Körper sind müde, die Augen sind zu, aber im Kopf sprudeln die Ideen über. Laut Wissenschaftler hat es einen Grund, warum uns gerade vor dem Schlafen großartige Gedanken kommen.

Ins Bett gelegt, unter die Decke geschlüpft und dann selig einschlafen – wenn das mal so einfach wäre. Wer uns dabei meist im Weg zum Traumglück steht, ist unser Gehirn. Das arbeitet nämlich während der Einschlafphase weiter – und zwar auf Hochtouren. Das Ergebnis: Geistesblitze, die uns den Schlaf rauben können. 

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Was euch erwartet:

  • Das sagen Wissenschaftler

  • Kreativer Sweetspot

  • Kognitive Prozesse namens Mustererkennung

  • Keine Zeit für Kreativität

  • Schlaflosigkeit und Kreativität

Wissenschaftliche Studien zur Thematik 

Untermauert wird diese Wahrnehmung durch die Wissenschaft. So haben französische Forschende von der Sorbonne-Universität in Paris im Rahmen einer Studie herausgefunden, dass Probanden, die den Übergang zwischen Wachsein und Schlaf erreicht haben, dreimal häufiger mathematischen Aufgaben lösen konnten als die anderen Untersuchungsteilnehmenden.

Durchgeführt wurde die Studie, die im Fachjournal "Science Advances“ veröffentlich wurde, mit einer Gruppe von Studierenden. Den Teilnehmenden wurden Mathe-Aufgaben vorgelegt. Anschließend mussten sie sich 20 Minuten lang zum Schlafen hinlegen. 

Die Studienteilnehmenden, die gar nicht eingeschlafen waren oder all jene, die tiefer geschlafen haben und die Schlafphase N2, sprich den Non-REM-Schlaf Studium "leichter Schlaf“, erreichten, schnitten beim Lösen der Mathe-Aufgaben wesentlich schlechter ab. 

Kreativer Sweetspot

Die französischen Forschenden nannten die Einschlafphase in ihrer Arbeit einen "kreativen Sweetspot“. Damit gemeint, ist der optimale Punkt, um auf gute Ideen zu kommen. Auch Nir Eyal, Dozent an der Stanford Graduate School auf Business schrieb in einem Artikel auf psychologytoday.com über dieses Phänomen. 

Er bezieht sich auf eine britische Umfrage aus dem Jahr 2019, wo mehr als 40 Prozent der Befragten angaben, dass Liegen ihre Kreativität ansporne und sie die besten Ideen vor dem Schlafgehen oder kurz nach dem Aufwachen haben. Bei seiner Erklärung stützt er sich auf wissenschaftliche Untersuchungen, die davon ausgehen, dass diese Ideen daher rühren, dass unser Gehirn sich in einem entspannten Zustand befindet, welcher Neuroplastizität begünstigt. 

Kognitive Prozesse namens Mustererkennung

Mit der Neuroplastizität ist laut den Wissenschaftlern "die Fähigkeit des Gehirns, sowohl Strukturen als auch Funktion im Laufe des Lebens und als Reaktion auf Erfahrungen zu modifizieren, zu verändern und anzupassen“, gemeint. Das schreiben sie in ihrem Artikel, der in der Zeitschrift Frontiers veröffentlicht wurde. 

Demnach unterstützt Neuroplastizität einen kognitiven Prozess namens Mustererkennung. Gemeint ist das Lernen und Treffen von Entscheidungen, indem Menschen Muster erkennen und damit Verbindungen innerhalb der von ihnen vorliegenden Informationen herstellen. 

(Keine) Zeit für Kreativität

Wenn wir also den ganzen Tag beschäftigt sind, sei es mit der Arbeit oder aufgrund der Aktion mit sozialen Kontakten, hat das Gehirn keine Zeit für Kreativität. Erst, wenn das Licht ausgeschalten ist und wir im Bett ruhen, hat der Geist frei. Eyal nennt diesen Zustand "Langeweile“. 

Doch der Begriff ist hier nicht negativ konnotiert. Langeweile gilt als Schlüssel zur Entdeckung neuer Ideen. Auch Studien belegen, das Gehirn produziert kreativere Gedanken, wenn der Geist wandern kann. Ablenkungen wie etwa Smartphones, Bücher oder Fernseher unterbinden allerdings diese Freiheit. Sie haben das Starren in die Ferne und Gedankenkreisen, während wir beispielsweise auf die U-Bahn warten, abgelöst. Weshalb auch kreative Ideen während des Duschens, Autofahrens oder Haushaltmachens kommen – also immer dann, wenn wir einfach ohne Ablenkung nachdenken. 

Apropos: Weitere Studien zeigen, dass Dunkelheit und gedämpftes Licht ebenfalls die Kreativität fördern. 

Schlaflosigkeit und Kreativität

Eine Studie aus dem Jahr 2013 hat ergeben, dass auch nächtliche Schlaflosigkeit positiv mit kreativem Denken und Produktivität korreliert. Weitere Untersuchungen zeigten ebenfalls, dass kreative Kinder ein erhöhtes Maß an Schlafstörungen verzeichnen. Doch, auch wenn einige positive Zusammenhänge gefunden wurden, konnten wissenschaftliche Untersuchungen nicht beweisen, dass Schlaflose von Natur aus kreativer sind. 

Denn Schlafentzug beeinträchtigt im Allgemeinen die geistige Leistungsfähigkeit. Personen, die zu wenig Schlaf bekommen, sind weder kreativer noch produktiver. Daher ist das Fazit der Wissenschaftler, dass zwar gelegentliche Schlaflosigkeit einigen Menschen dabei helfen kann, kreativer zu werden, doch langfristig betrachtet, wirkt sich der Schlafmangel negativ auf den Körper und Geist aus. 

REM-Schlaf fördert die Kreativität

Forschende konnten allerdings bestätigen, dass der REM-Schlaf den Menschen dabei hilft, kreativer zu sein. Das ist die Schlafphase, in der auch die meisten Träume stattfinden. Bei einem Kreativitätstest der University of California in San Diego haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Test-Teilnehmende nach dem REM-Schlaf 40 Prozent besser abschnitten. Damit scheint sich dieser Schlaf stärker als alles andere positiv auf die Kreativität auszuwirken. 

Somit fallen Menschen nicht nur kurz vor dem Einschlafen die besten Ideen ein, sondern auch nach dem Aufwachen. 

Über Janet Teplik

Digital Producer bei freizeit.at. Nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte zog die gebürtige Deutsche nach Wien und studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Zuletzt war sie stellvertretende Chefredakteurin bei der MG Mediengruppe.

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