Rhein-Kreuzfahrt: Mit der Viva One von Düsseldorf bis in den Rheingau
Mit vielen Flusskreuzfahrts-Klischees im Kopf begann eine Reise am Rhein, die vielfache Horizonterweiterung brachte. Ein Reality-Check in sieben Punkten.
Das Schiff. Traumschiff ohne Meer? Geht das überhaupt? Die vor einem Jahr vom Stapel gelaufene Viva One beweist: Es geht. Fast geräuschlos gleitet sie von Düsseldorf flussaufwärts. Das hundertfünfunddreißig Meter lange und elf Meter breite Schiff mit 2.130 Pferdestärken beherbergt auf drei Decks achtundachtzig Kabinen und Suiten – auf Mittel- und Oberdeck mit französischen Balkonen. So lassen sich die faszinierenden Landschaften des Rhein mit seinen geschichtsträchtigen und romantischen Bauwerken quasi „Loge fußfrei 1. Rang“ genießen.
Der Kapitän. Jedes Traumschiff braucht einen entsprechenden, mondänen Kapitän. In dem Fall in Person des 35-jährigen Kapitäns René Visscher. Die Begeisterung für Deutschlands größten Fluss hat er vom Vater geerbt. Dieser besaß ein Transportschiff. „Auf dem bin ich auch zur Welt gekommen“, lacht Visscher. Sein nautisches und gesellschaftliches Format wird er bis zum Galadinner am Ende der Reise unter Beweis stellen. Das ist wichtig: Immerhin ist der Rhein die größte Wasserstraße der Welt.
Die Küche. Bei längeren Schiffsaufenthalten besonders wichtig: die Kulinarik. Entgegen dem Vorurteil von Massen-Abspeisungen am Buffett spielt sie auf der Viva One alle Gusto-Stückerln. Dahinter steht Küchenchef Ranko Miletin (30) aus Zagreb mit sieben weiteren Köchen. Viele verschiedene Gänge in übersichtlichen Portionen mit viel geschmacklicher Finesse zubereitet: So macht das Genießen an Bord Spaß. Dass Miletin schon in der gehobenen Gastronomie Europas sowie in Asien über den Tellerrand geschaut hat, schmeckt man. Es gibt zwei Restaurants am Schiff. Im Bistro wird nach Voranmeldung ein viergängiges Menü serviert. Übrigens: Menüs, Getränke und Trinkgelder sind Teil des All-inclusive-Pakets an Bord.
Die Passagiere. Best Ager, eher langweilig, bieder. So will es das Klischee. Das trifft für meine Rhein-Reise nicht so ganz zu. An Bord lernte ich zum Beispiel Alex und Michael aus Frankfurt kennen. Für Alex, Vertriebsleiter eines IT-Unternehmens, gibt es nichts Entschleunigenderes, erzählt er. Als das Paar seine erste Flusskreuzfahrt machte – diesmal war es seine 28.(!), waren die beiden Herren noch jeweils mit einer Frau verheiratet.
Für Betty und Stefan ist die Schiffsreise auf dem Rhein eine Premiere. Sie haben sich extra „ein junges Schiff mit modernem Design ausgesucht“, erzählt Betty. Am Abend ist das stets gut gelaunte Paar, das jeden Tag in anderer Hippie-Montur aufkreuzt, nicht mehr von der Tanzfläche der Disco wegzubringen. Die meisten der 125 Passagiere an Bord sind aus Deutschland, einige aus den USA, 32 aus Israel. Beim Galadinner am Ende der Tour tauschen viele Gäste Visitenkarten aus – und wollen einander bald wieder treffen.
Die Reise. Schifffahren auf dem Fluss ist langweilig, meint das Vorurteil. Stimmt nicht. Man kann sich kaum sattsehen an der wunderschönen Landschaft mit ihren Burgen, Schlössern und Buchten. Bei fast immer strahlend blauem Himmel mäandern wir vorbei an den beeindruckenden Steillagen und Terrassenlandschaften namhafter Winzer. Auf einer Strecke von nur 67 Stromkilometern sieht man sage und schreibe vierzig Schlösser und Burgen links und rechts am Ufer. Der Rhein war die Quelle des Wohlstands für die weltlichen und geistlichen Herren, die mit ihren Prunkbauten ihre Herrschaft markierten und Zölle einfordern konnten. Bei Kilometer 555 ertönt das Lied von der Loreley: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin. Ein Märchen aus alten Zeiten, das kommt mir nicht aus dem Sinn.“ Die Musik zu Heinrich Heines Gedicht aus dem Jahr 1826 hat Heinrich Silcher komponiert. Kaum zu glauben, dass die Deutschen mit ihren Dichtern einmal die Chefromantiker Europas waren.
Die Ausflüge. Überteuert und geleitet von langweiligen Guides – ebenfalls ein vorurteilsbehaftetes Thema. Bei geführten Besichtigungen von Koblenz, der alten Römerstadt, wo Rhein und Mosel zusammenfließen, oder des kunsthistorisch wertvollen Speyer und des mittelalterlichen Straßburg konnten wir uns vom Gegenteil überzeugen. Im historischen Ort Boppard besuchten wir romantische Plätze und schlenderten durch verwinkelte Altstadtgassen. Auf der 20-minütigen Sesselbahnfahrt mit atemberaubendem Ausblick auf die 180-Grad-Schlinge des Rheins darf man zwar nicht schaukeln, aber die Seele so richtig baumeln lassen. Vom 273 Meter über der Stadt gelegenen Gedeonseck eröffnet sich der „Vierseen-Blick“. Schieferhänge und Rheinschleife überschneiden sich perspektivisch so, dass der Eindruck entsteht, es handle sich um vier einzelne Seen.
Die Stimmung. Der letzte Reality-Check der malerischen Schiffskreuzfahrt bezieht sich weniger auf das Schiff als vielmehr auf die berüchtigte deutsche Geselligkeit. Die „Funzeltour“ in Boppard gestaltete sich durchaus unterhaltsam. Beim Rundgang erfährt man beim einen oder anderen Glas Wein nicht nur einiges über die Geschichte, sondern auch lustige Anekdoten.
Nervenstärke ist hingegen im berühmten Weinort Rüdesheim mit seiner stets gut besuchten Drosselgasse gefragt. Drei Millionen Besucher zählt dieses Städtchen jährlich. In seinen Weinschenken geht es meist feucht-fröhlich zu. Ein Leiermann spielt „Oh Du wunderschöner Rhein sollst stets meine Zierde sein“. Es ist laut, weinselig und gedrängt. An den mit rot-weiß karierten Tüchern gedeckten Tischen wird zu deutschen Schlagern geschunkelt, was das Zeug hält. Das muss man mögen – oder auslassen. Zum Glück liegt das rheinische Traumschiff in nur wenigen Gehminuten Entfernung vor Anker.
© Bild: Johanna Zugmann/Karl-Hermann Schlabach
Für Betty (57) und Stefan (52), die „Youngsters“ unter den „Best Agern“, war die Flusskreuzfahrt eine Premiere. Das stets blendend gelaunte Paar aus Bergheim bezeichnete die Kulinarik an Bord „mega“, das Personal als „der Hammer“, war von der Reise „geflasht“ und beendete jeden Abend auf der Tanzfläche
© Bild: Johanna Zugmann/Karl-Hermann Schlabach
Ranko Miletin (30) aus Zagreb war schon in der gehobenen Gastronomie Europas und Asiens im Einsatz. Weil er auch eine Passion für die Schifffahrt hat, heuerte der Herdkünstler bei der Viva One an. Mit sieben weiteren Köchen liefert er feine, täglich wechselnde mehrgängige Menüs mit diversen Wahlmöglichkeiten
© Bild: Johanna Zugmann/Karl-Hermann Schlabach
Die Verantwortung für die Viva One trägt der erst 35-jährige Kapitän René Visscher. Mondän und sicher navigiert er das Traumschiff durch Deutschlands größten Fluss. Die Begeisterung für den Rhein hat er vom Papa geerbt. Der besaß ein Transportschiff, auf dem der Filius das Licht der Welt erblickte
Info
Genuss zum Fixpreis
- Die im März 2022 vom Stapel gelaufene Viva One ist 135 Meter lang, 11 Meter breit und beherbergt auf drei Decks 88 Kabinen und Suiten, eine Bar, zwei Restaurants, ein Fitness- und ein Wellness-Center
- Die achttägige Reise kostet ab 1.495 € pro Person. Das All-inclusive-Paket beinhaltet Vollpension mit Gourmet-Menüs, hochwertige Getränke, WLAN und Trinkgelder
- Der Flussreiseveranstalter Viva bereist nicht nur den Rhein, sondern Europas schönste Flusswelten und bietet mit seiner modernen Flotte ganzjährig Kreuzfahrten auf Rhein, Main, Donau, Mosel, Seine, Rhône und der Ostseeküste an
- Seit Juni 2022 ist Viva Cruises mit der MS Seaventure auch in die Hochseekreuzfahrt eingestiegen und steuert mit dem Expeditionsschiff den hohen Norden an
- Infos und Buchungen gibt es bei Viva Cruises unter: Tel. +49 (0) 211 274 032 50.
Weitere Infos:
viva-cruises.com
Kommentare