Palma de Mallorca
Reise

Palma de Mallorca: Unter der Kruste des Klischees

Auf Mallorca weht ein frischer Wind. Geldstrafen sollen das Image verbessern: Sex am Strand von Palma kostet 3000 Euro.

Überblick

Einwohner Mallorca

Rund 920.000

Währung

Euro

Vorurteile. Kaum ein anderes Ferienziel ist derart von Klischees behaftet wie Mallorca: Auf der Playa de Palma reißen schon vormittags deutsche und britische  Kegelvereinsmitglieder die sechste, siebente Bierdose auf und torkeln – obszöne Lieder singend – an grellblond gefärbten Daniela-Katzenberger-Doubles Richtung Ballermann. Gedränge, Schweiß. Vulgarität.

In diesen Tagen ist Saisonstart auf Malle. Seit Jahrzehnten prallen hier Fluch und Segen des Massentourismus aufeinander. Der Airport der spanischen Mittelmeerinsel ist einer der höchstfrequentierten der Welt und bricht jedes Jahr Rekorde: Vom Morgengrauen bis spät in die Nacht startet oder landet während der Hochsaison mehr als ein Flugzeug pro Minute. Fast 200.000 Passagiere werden innerhalb von 24 Stunden abgefertigt. Um das negative Image Mallorcas zu verändern, haben sich die Tourismusmanager – unter dem Druck der Bevölkerung – in diesem Jahr einiges einfallen lassen.

Der Strand von Magaluf.

©REUTERS/ENRIQUE CALVO

Graffiti und -Plakate dominieren seit vergangenem Herbst mit Aufschriften wie „Tourism kills the city“ die Innenstadt von Palma. Jetzt hat das Regionalparlament den Exzessen der Sauf- und Partytouristen den Kampf angesagt.

Saufgelage

Mit rigorosen Geldbußen. Sex am Strand gilt als „sehr schwere Ordnungswidrigkeit“ und wird, wie Saufgelage, ab heuer mit Strafen bis zu 3000 Euro geahndet. Balconing, vom Balkon in den Pool springen, kostet bis zu 1500, halbnackt in der Stadt herumlaufen bis zu 400 Euro. Und auch für Hund & Herrl brechen harte Zeiten an: Wer vergisst, das Hauferl seines Hunderls zu beseitigen, bezahlt bis zu 1500 Euro.

Auch wenn die Bettenburgen bestehen bleiben, werden die Mallorca-Vorurteile bald an Schärfe verlieren. Unter der Kruste des Klischees kam auf der größten Insel der Balearen schon immer etwas Reizvolles hervor.

Palma, auch heute noch ein Konglomerat aus maurischer und mediterraner
Kultur, war früher für Künstler und Lebenskünstler ein beliebtes Reiseziel

©Michael Horowitz

Bereits vor mehr als 200 Jahren war der britische Philosoph Jeremy Bentham – stets begleitet von seinem geliebten Gehstock Dapple – auf Mallorca unterwegs. Der vielgereiste Zeitgenosse Goethes war beeindruckt von einer Zauberwelt aus uralten Terrassenanlagen und mediterraner Flora, die bis hinunter ans Meer reicht, vom kristallklaren Wasser in den Buchten, der Grandezza der Hauptstadt Palma – und empfand hier „the greatest happiness“.

Und auch ein anderer Palma de Mallorca-Stammgast, Jean Cocteau, meinte „À Palma tout le monde est heureux“ – in Palma ist die ganze Welt glücklich. Bei Aufnahmen mit dem spanischen Fernsehen befahl der exzentrische Universalkünstler allen Technikern im Studio,  Zigaretten zu rauchen, und streute anschließend die in einem Gefäß gesammelte Asche auf sein Haupt, um vor den TV-Kameras seine Glatze am Hinterkopf zu verbergen.

Das Wahrzeichen der Stadt, die Kathedrale

©Michael Horowitz

Palma de Mallorca, auch heute noch ein Konglomerat aus maurischer und mediterraner Kultur, war früher vor allem für Künstler und Lebenskünstler ein beliebtes Reiseziel. Die Atmosphäre der glanzvollen, mediterranen Metropole am Meer ist bis heute erhalten geblieben. Mit einem einzigartigen modernen Museum, dem 5000 m² großen „Es Baluard“.

Auf drei verschiedenen Ebenen, die über Rampen, Balkone und Galerien miteinander verbunden sind, zeigt man in der Festungs-Pinakothek Werke hoch über dem Hafen von Palma – Gemälde von Chagall und Cézanne, Matisse und Miró.

Das Museum für moderne Kunst „Es Baluard“ zeigt Wechsel-
Ausstellungen sowie ständig Gemälde von Chagall und Cézanne. Verborgen im Altstadtgassenlabyrinth spenden Innenhöfe der Patrizierhäuser Schatten und Kühle.

©Michael Horowitz

Die 50 Hektar große Altstadt von Palma ist eine der größten Europas – wie Antoni Noguera stolz betont. Seit einem knappen Jahr ist er der neue Bürgermeister. Sein wichtigstes Anliegen ist, ein Gleichgewicht zwischen Urlaubern und Einheimischen zu schaffen. Die rigorosen Geldstrafen für hemmungslose Touristen ist eine seiner wesentlichsten Sofortmaßnahmen. Eine Lösung für das tägliche Verkehrschaos am Paseo Marítimo zu finden, ist für Noguera jedoch vermutlich fast unlösbar.

In der seit Jahrhunderten kaum veränderten Altstadt voller versteckter Oasen liegen verborgen im Gassenlabyrinth die Innenhöfe der Patrizierhäuser, in denen Besucher den früheren Alltag der Adeligen erahnen können. Viele verarmte Aristokraten mussten während der letzten Jahrzehnte ihre Häuser verkaufen. Vor ein paar Jahren erkannte die Stadtverwaltung den kulturellen Wert der alten Innenhöfe und erwarb sie, um ihren Erhalt zu sichern. Geblieben sind nur mehr die Familienwappen der früheren Herrschaften.

Verborgen im Altstadtgassenlabyrinth spenden Innenhöfe der Patrizierhäuser
Schatten und Kühle.

©Michael Horowitz

Mehr als 60 dieser sehenswerten Höfe sind für Touristen geöffnet, die dem Trubel für kurze, kontemplative Momente entfliehen wollen. Wenn das Katzenkopfpflaster zu glühen scheint und wenn Palmen im heißen Wind knistern, als würden sie brennen, sollte man sich in eine dieser Innenhof-Oasen zurückziehen.
 Betritt man die Patios durch die typischen Kalkstein-Halbbögen, findet man sofort Ruhe und angenehme Kühle. Und merkt, dass Adelige jeden Sonnenstrahl vermieden. Ein Leben im Schatten war ihr dezidiertes Statussymbol. Brunnen oder Zisternen gibt es in den Stadtoasen auch heute noch, die exotischen Pflanzen aus den Kolonien sind fast verschwunden. Bescheidene Fächerpalmen erwarten heute den Fremden.

Höfe

Früher hielten die Adeligen in den Innenhöfen auch Tiere, man erkennt noch, wo die Eisenringe für die Pferde befestigt waren. Die Fackeln, die den Hof nach Einbruch der Dunkelheit beleuchteten, mussten so hoch angebracht sein, dass die Herrenreiter darunter noch durchreiten konnten.
Fast alle dieser Paläste haben Türme. Immer wenn ein Schiff erwartet wurde, schickte man einen Dienstboten hinauf. Sobald es in Sichtweite war, wurde eine Kutsche zum Hafen geschickt, denn irgendein angesehener Bekannter aus Barcelona kam immer. Wurde ein Feind gemeldet, vielleicht sogar ein Pirat, verbarrikadierte man sich.

©Grafik

Heute fliegen die Nouveau Riche Barcelonas in nur 46 Minuten nach Palma. Zum Lunch. Ins „Zaranda“, in das kultigste Zwei-Sterne-Restaurant Mallorcas am Fuß des Tramuntana-Gebirges. Zu ein paar Gläsern Brut Vintage-Cava aus dem Weingut „Artadi“ serviert man Kaviar vom Kalamar, glasierte Pavé von der Kalbszunge, marokkanische Taube. Und schon geht´s zurück ins Büro nach Barcelona ...

Beim nächsten Mal dann noch schnell ein Digestiv im Yachthafen. Und vielleicht liegt gerade  wieder die 210 Millionen Dollar teure Luxusyacht „Lady Moura“ des saudischen Baulöwen Nasser Ar Raschid vor Anker. Mit der 24-Karat-Goldbeschriftung, einem mehr als 20 Meter langen Esstisch und einem eigenen Privatstrand – einer hydraulischen Plattform mit Palmen und echtem Sand.

Der Hafen Palmas.

©Getty Images/iStockphoto/LUNA MARINA/IStockphoto.com

Ja, erzählt man sich im Zaranda und im Yachthafen, bei Sotheby’s gibt’s gerade ein günstiges Angebot: Ein renoviertes Stadt-Palais, kaum zwei Minuten vom Wahrzeichen der Stadt, der das Stadtbild dominierenden „La Seu“-Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert, entfernt. Knapp 900 m² Wohnfläche mit acht Schlafzimmern und acht Bädern. Kaufpreis: 13,5 Millionen. Ein minimaler Verhandlungsspielraum soll vorhanden sein.

Zwischen den grölenden Massentouristen und den grenzenlos reichen Millionären wird Palma weiterhin seinen ganz eigenen Zauber behalten. Als lebendige und lebenswerte, harmonische und historische Metropole. Wo man heute noch „the greatest happiness“ empfinden kann. 

Info

INfos

Essen

 ZARANDA
Fernando P. Arellano ist der Star der mallorquinischen Küche und verspricht „Genuss am Fuße des Tramuntana-Gebirges“. Was 2005 in Madrid begann, gipfelte 2016 in der Auszeichnung mit zwei Michelin-Sternen für sein Restaurant Zaranda, eingebettet in das magisch-schöne Ambiente der Villa Castell son Claret. zaranda.es

 EL BUNGALOW
Eine Strandhütte am Meer …  und die vielleicht beste Paella der Stadt ... mit Blick auf die Bucht von Palma ein eiskaltes Glas Wein in der Hand auf den Fisch in der Salzkruste warten ... El Bungalow zählt zweifelsohne immer noch zu den Top-Ten-Restaurants der Insel. rtebungalow.com

 QUINA CREU
Tapas und mehr. Das Quina Creu, ein kleine Oase im Gassenlabyrinth der Altstadt, ist bei Mallorquinern und Touristen genauso beliebt. Tolle Atmosphäre, freundliches Service, köstliches Essen. quinacreu.com

SCHLAFEN

 SANT FRANCESC HOTEL SINGULAR
So wünscht man sich ein kleines, feines Stadthotel: Höchste Qualität in schlichter 
Gediegenheit. Das ehemalige Innenstadt-Palais einer mallorquinischen Adelsfamilie wurde vor Kurzem  stilvoll renoviert. 
Schattiger Innenhof, Swimming Pool und  Bar am Dach mit herrlicher Aussicht über die Altstadt. hotelsantfrancesc.com

 BOUTIQUE HOTEL POSADA TERRA SANTA
Vier-Sterne-Haus mit idealer Lage in der Nähe der Kathedrale. Geschmackvoll und modern ausgestattetes Herrenhaus aus dem 
16. Jahrhundert, Innen- und Außenpool, sehr gutes Frühstück. posadaterrasanta.com

 DESIGN SUITES PALMA
Nur wenige Gehminuten vom Yachtclub Palma entfernt liegt  das Design Suites Palma. Wer nicht direkt in der Stadt wohnen möchte und trotzdem das urbane Leben sucht, für den ist dieses beliebte Hotel ein heißer Tipp. apartment-oldtown-palma.gopalmademallorca.com
 

Michael Horowitz

Über Michael Horowitz

Gründer des KURIER-freizeit-Magazins sowie des Gastro-Guides „Tafelspitz“, und war rund 25 Jahre lang dessen Chefredakteur. Fotograf, Journalist, Autor. Verfasste insgesamt mehr als 20 Bücher, darunter Biografien über H.C. Artmann, Otto Schenk und Helmut Qualtinger. Schrieb auch Drehbücher, unter anderem für den bei den Filmfestspielen in Cannes 1989 mit dem „Prix de la Jeunesse“ ausgezeichneten Kino-Film „Caracas“.

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