Europas Paradiese von der Karibik bis in die Südsee

Ein Urlaub auf Inseln, die Tausende Kilometer entfernt liegen. Portugiesen, Briten und Franzosen müssen nicht einmal das Land verlassen.

Rund 6.700 Kilometer liegt Grande Anse von Paris entfernt. Es ist einer der bekanntesten Strände Guadeloupes. Karibisch, kilometerlang, sichelförmig, goldener Sand. Das Meer brandet mit hohen Wellen an, hinter Palmen baut sich ein tropisch-grüner Wald auf. Es ist wenig los. Nur vorm Street-Food-Truck einer Insulanerin staut es sich. Sie macht mit einer Seelenruhe Bokits, für die Antillen typische frittierte Sandwiches. Wartezeit? „So ungefähr eine Stunde“, meint die Köchin. Mitteleuropäische Hektik und Ungeduld müssen die Ankommenden erst einmal ablegen – hier, 6.700 Kilometer von Paris entfernt. Auch wenn sie quasi doch in Europa sind.

Guadeloupe ist neben Martinique, Französisch Guayana, Mayotte und La Réunion eines von fünf französischen Übersee-Départements. Die Tropeninseln haben die gleiche rechtliche Stellung wie die restlichen 22 Regionen Kontinentalfrankreichs. Sie sind Teil der EU und bezahlt wird dort auch mit dem Euro. Nur zu Schengen gehören sie nicht – sollte man aus Österreich einreisen, braucht es daher einen Pass.

Regenwald, Riff, Rum

Ohne Reisedokument gibt es keinen Aufenthalt und damit keine Ausflüge in den Regenwald, wo man das Donnern der Wasserfälle auch weit entfernt hört, und noch ein aktiver Vulkan steht. Dann gibt es auch keine idyllischen Buchten zu sehen, in denen eine Handvoll Segelschiffe ankert. Und auch keinen Ausflug zum Korallenriff, das der französische Meeresforscher Jacques Cousteau als das schönste Tauchgebiet der Welt bezeichnet hat und nun als Reservé Jacques Cousteau ein Meeresschutzgebiet ist. Ohne Dokument gibt es auch keine Cuisine Créole, eine Fusion-Küche aus indischem Curry, afrikanischen Einflüssen und französischer Tradition. Und kein Pass heißt auch kein Rum, der – egal, ob weiß oder braun – vorzüglich ist. „Besonders vor dem Essen“, erklärt ein ausgewanderter Franzose.

Zuletzt war Guadeloupe aber nicht wegen der Natur oder lukullischer Genüsse in den Schlagzeilen. Ab November gab es wie auch auf Martinique tagelange, teils gewaltsame Proteste gegen die Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, die im französischen Festland beschlossen wurde. Das Lokalparlament wurde besetzt. Das Misstrauen gegenüber Paris ist seit jeher groß. Nach den Protesten zeigt sich die französische Regierung bereit zu Gesprächen über eine Autonomie für das Überseegebiet, das 1635 kolonialisiert wurde und bis zur Abschaffung der Sklaverei 1848 ein großer Umschlagpunkt für Menschenhandel war. Ansonsten ist die Stimmung auf Guadeloupe aber sehr entspannt. Es herrscht ein Savoir-vivre – mit viel kreolischem Einfluss. Da muss man halt auf das Bokit warten.

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Weniger entspannt ist es auf St. Martin im Norden der Kleinen Antillen. Die Insel ist winzig, dicht besiedelt und zu einem Teil eine autonome französische Region, zum anderen Teil das autonome Land Sint Maarten des Königreichs der Niederlande. Hier gibt es anders als auf Guadeloupe Touristenmassen. Besonders im niederländischen Teil. In der Hauptstadt Philipsburg landen wuchtige Kreuzfahrtschiffe an, Tausende Besucher schieben sich durch die kleinen Gässchen. Und beim Maho Beach sind donnernde Flugzeuge über den Köpfen der Badenden im Landeanflug.

Im niederländischen Teil St. Martins landen Flieger über den Badenden am Maho Beach.

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Dafür spielt La Réunion im Indischen Ozean – und nur 200 Kilometer entfernt von Mauritius – alle Stücke eines Tropenparadieses. Weiße Strände, Regenwälder, beeindruckende Wasserfälle, Berge und zerklüftete Schluchten. Dazu gibt es wohlduftende Vanilleplantagen (die Insel hieß einst Insel Île de Bourbon) und einen furzenden Vulkan. Der Piton de la Fournaise zählt zu den aktivsten Vulkanen der Erde. Das Magma entleert sich ungefähr einmal pro Jahr – und dazu noch schnell, ruhig und ungefährlich. Die Einheimischen sagen dann auf Kreolisch: „Volcan i pet“. Das heißt: „Der Vulkan furzt“.

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Und als wäre das nicht ohnehin schon genug mit tollen Inseln, nennt La Grande Nation das überaus kitschige Französisch-Polynesien in der Südsee sein Eigen. Zur EU gehört das aber nicht, der Euro gilt auch nicht – bezahlt wird mit CFP-Franc. Die Region besitzt eine gewisse Autonomie, französische Gesetze erlangen nicht automatisch Gültigkeit. Allerdings sind sie außen- und verteidigungspolitisch von Frankreich abhängig. Am bekanntesten sind wohl Tahiti und Bora Bora. Letzteres gilt als einer der luxuriösesten Urlaubsorte und gehört zu den teuersten Reisezielen der Welt. Wer besonders tief in die Tasche greift, wohnt in einem der Bungalows, die über dem Wasser gebaut sind.

Aber es muss kein Flug ans Ende der Welt sein, der noch dazu ewig dauert. Viel näher bei Europa befindet sich ein Naturparadies, das viele mit Hawaii vergleichen. 1.600 Kilometer Luftlinie von Lissabon entfernt liegen die Azoren. Die portugiesische Inselgruppe ist wie Hawaii vulkanischen Ursprungs. Das Klima ist mild, die Vegetation üppig. In Thermalquellen lässt es sich das ganze Jahr über aushalten. So man nicht allzu zimperlich ist, kann man sich auch noch im November in die Fluten des Atlantik stürzen. Der Golfstrom hält den Atlantik auf halbwegs akzeptabler Wassertemperatur. Und wie in Hawaii schwimmen wenige Bootsminuten von der Küste entfernt Wale vor Touristenboote.

Während die einen beim Anblick der Azoren an Hawaii denken, fällt anderen beim Namen Bermuda sofort Shorts und Dreieck ein. Tatsächlich sind die Koralleninseln im Atlantik, die ein britisches Überseegebiet sind, gefürchtet bei Seefahrern. Das hat aber nichts mit Übersinnlichem zu tun. Blitzstürme und Gewitter und auch aufsteigende Gasblasen aus dem Meeresboden setzen Schiffen zu. Rund um Bermuda liegen 300 Wracks. Einige davon sind beliebte Tauchspots. Wie auch die vielen Riffe.

Bermuda: Paradies und Hölle

Aber nicht nur das Wasser und die Strände sind pittoresk. Auch die Städte machen einiges her. St. George‘s mit seinen historischen Häusern, die teilweise noch aus der Zeit der ersten Siedler stammen. Das waren übrigens englische Kolonialisten, die auf dem Weg nach Virginia waren. Ihr Schiff kenterte allerdings bei einem Sturm 1609 bei einem Riff der Bermudas und sie mussten an Land gehen. Etwas später erkannte Mark Twain: „Bermuda ist ein Paradies, aber um dorthin zu gelangen, muss man erst die Hölle durchqueren.“

Geschichten der Inseln

Guadeloupe, Frankreich: Christoph Kolumbus hat die schmetterlingsförmige Insel auf den Kleinen Antillen  1493 entdeckt.   Die Franzosen kolonisierten das Karibik-Eiland 1645. Es entstanden Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen, wohin Menschen aus Afrika verschleppt und dann versklavt wurden. Am 19. März 1946 wurde Guadeloupe wie auch Martinique zum Übersee-Département (Département d'Outre Mer/DOM) Frankreichs. Anders als etwa St. Martin, das ebenfalls auf den Antillen liegt, sind sie somit vollintegrierter Teil des französischen Staates. 

 

La Réunion, Frankreich: Die Insel im Indischen Ozean war einst  Zwischenstation englischer und niederländischer Schiffe auf ihrem Weg nach Indien.  Die Franzosen  erklärten sie 1640 im Namen des Königs Ludwig XIII. – aus dem Adelsgeschlecht Bourbon – zu ihrem Besitz. Zwischenzeitlich hieß sie Île Bourbon. Sklaven mussten bis 1848 auf Kaffee- und Zuckerplantagen schuften. Heute ist die Insel bekannt für tolle Landschaften und als Hochburg des Vanille-Anbaus.

 

Bora Bora, Französisch-Polynesien: Das Südsee-Atoll dürfte bereits  200 v. Chr. von Samo und Tonga aus besiedelt worden sein.  Der erste Europäer, der Bora Bora erblickte, war der Brite James Cook. Er wollte 1769 anlanden, musste aber wegen schlechten Winds abdrehen. Das Tropenparadies gehört wie alle umgebenen Gesellschaftsinseln seit 1880 zu Frankreich, weil die Königsdynastie Pomaré von Tahiti auf ihren Herrschaftsanspruch verzichtete.

 

Azoren, Portugal: Die Inselgruppe im Atlantik ist rund 1.600 Kilometer von Lissabon entfernt. Die Azoren sind von einem ozeanisch-subtropischen Klima geprägt. Es gibt milde Winter und moderate Sommer. Neben üppiger Vegetation gibt es karge, vulkanische Landschaften. Offiziell wurden die Azoren in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts von portugiesischen Seefahrern entdeckt.  Sie sind seit 1975  eine autonome Region innerhalb Portugals mit  eigener Regionalregierung.

 

Bermuda, Britisches Überseegebiet. Die Inselgruppe besteht aus 360 Koralleninseln und ist nach dem Entdecker, dem spanischen Seefahrer, Juan de Bermúdez, benannt. Nachdem englische Kolonisten  hier strandeten, wurde Bermuda 1620 zur britischen Kolonie. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Bermuda zu einer bekannten Steueroase und erhielt 1968 eine eigene Verfassung.  Bei einem Referendum über die Unabhängigkeit 1995 stimmten 74 Prozent der Wähler dagegen. 
 

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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