Warum Paul Rudd zurecht „Sexiest Man Alive“ ist

Kritik an der Wahl des „People“-Magazins. Zu Unrecht.

Bei der Nachricht am Mittwochmorgen dieser Woche mag wohl so manch solariumgebräunter Nagelstudiobesitzerin mit Arschgeweih und The-Rock-Poster an der Klotür das Frühstückskipferl in den Kaffee geplumpst sein. Wie bitte? Dieses glattrasierte Bubengesicht mit dem stets leicht spöttischen Lächeln hat das „People“-Magazin zum „Sexiest Man Alive“ gekürt?

Ja, richtig gehört. Selbst wenn die New York Post in einem launigen Artikel bissige Kritik an der Kür von Paul Rudd herbeizureden versuchte: Es müssen nicht immer ganzkörpertätowierte Womanizer wie Adam Levine (2013), aufgepumpte Kraftlackeln wie Chris Hemsworth (2014) oder filigrane Faserschmeichler wie John Legend (2019) sein, die Frauenherzen höherschlagen lassen. Es geht auch facettenreicher.

Frauen, die nach ihrer Teenager-Zeit noch immer auf der Suche nach dem Bad Boy ihrer Träume sind (und denken, sie allein könnten ihn domestizieren) – alles Gute für die Zukunft und gute Gespräche beim Psychotherapeuten.

Viril, ohne plump zu sein 

Wer die Wahl von Rudd kritisiert, kann mit smarten, feschen Buben vielleicht generell wenig anfangen. Und übersieht, welch Gratwanderung dem Schauspieler seit Jahrzehnten in Hollywood gelingt: Ein Chamäleon in einer von Schubladendenken geprägten Filmindustrie zu sein. Und trotz gutem Aussehen ernst genommen zu werden, in annähernd jeder Rolle zu überzeugen – von witzig bis dramatisch. Viril, ohne plump zu sein, gewandt zu sein, aber dennoch jemand, mit dem man sich identifizieren kann. Eine Art Michael Douglas von heute.

Paul Rudd bei der Oscar-Verleihung 2019

©APA/AFP/ROBYN BECK

Ich habe Paul Rudd einst zum Film „Trauzeuge gesucht!“ interviewt. Im Doppeltalk mit Jason Segel („How I Met Your Mother“) – und selbstverständlich haben die zwei das Gespräch ordentlich verblödelt. Zugleich stand die Zusammenkunft pars pro toto für den Appeal, den Rudd versprüht: ein gewitzter, geistesgegenwärtiger Charmeur, mit Esprit, stets mit einem Lächeln auf den Lippen und oft genug mit einem breiten Grinser im Gesicht, der auch vor der billigen oder schlüpfrigen Pointe nicht zurückschreckt. Da durfte man sich von dem geschniegelten Auftritt im hellgrauen Slim-Fit-Anzug mit Krawatte nicht täuschen lassen: Der Schalk sitzt dem Mann fest im Nacken.

Rudd schont sich nicht, wenn Komödien-Genies wie Judd Apatow ihm die irrwitzigsten Szenen ins Drehbuch schreiben. Da kennt er keinen Genierer, in Szenen, die zwischen hochnotpeinlich und hysterisch changieren. Solche Bruchlinien tänzelt er wie’s scheint ohne größere Anstrengungen entlang. Sein großes Kunststück: Sowohl als Knalltüte, der die Lacher von 14-Jährigen hochprovoziert, zu funktionieren, als wie als Leading Man und Held. Deswegen kommt er gut an, ob das nun eine eine Komödie wie „Immer Ärger mit 40“ ist oder eine Marvel-Superhelden-Verfilmung wie „Ant-Man“. Davon abgesehen: Wem nicht gefallen hat, wie Alicia Silverstone und Rudd sich im Kultfilm „Clueless“ gegenseitig erst inständig ablehnen und dann doch verlieben – darf der überhaupt behaupten, in den Neunziger Jahren dabei gewesen zu sein?

Die Wahl zum „Sexiest Man Alive“ hat Paul Rudd übrigens gewohnt ironisch kommentiert. „Ich werde nicht versuchen, so zu tun, als ob ich bescheiden wäre. Ich lasse mir Visitenkarten machen.“ Davon abgesehen hoffe er, ab nun bei „sexy Abendessen mit Clooney und Pitt und Michael B. Jordan“ eingeladen zu werden. Und er freue sich darauf, sein „Yachtleben zu erweitern.“

Letztlich beweist dieser Titel vor allem aber eines: Humor kann sexy sein. Und das ist es doch, auf was es Frauen bei Männern angeblich so sehr ankommt. Oder?  

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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