"Mad Man“ Jon Hamm im Interview: "Das Internet ist der neue Gerichtssaal"

Der Serien-Star spricht über eine neue schräge Kinokomödie, seine Lebensrolle in der Serie „Mad Men“ und über das Internet als „neuer Gerichtssaal“.

Mit dem Ende der meisten Coronabeschränkungen ist auch eine Berufsgruppe wieder besonders umtriebig, die Jon Hamm nicht in den Kram passt. Sein Verständnis für Paparazzi hält sich in Grenzen. Aber dennoch konnte nichts die Freude des ehemaligen „Mad Men“-Darstellers trüben, als er seinen jüngsten Film „Corner Office“ präsentierte, in dem er einen zwanghaften Bürokraten spielt. Nach der Premiere in New York war er trotz des Blitzlichtgewitters gut drauf.

Wie geht es Ihnen?

Jon Hamm: Mir geht’s wunderbar. Es ist wirklich großartig, endlich wieder in einem Kino zu sitzen und einen Film mit einem echten Publikum anzuschauen. Auch wenn der Film so schräg ist wie dieser!

Was hat Sie an der – wie Sie sagen – schrägen Story angezogen?

Ich war überglücklich, dass ich überhaupt wieder arbeiten durfte nach diversen Lockdowns, und dass es auch noch etwas so exquisit Seltsames war, machte es noch besser. Dabei kannte ich Regisseur Joachim Backs Arbeiten. Ich habe gewusst, dass er eine Sensibilität besitzt, die gemischt mit dieser Geschichte sehr gut funktionieren würde.

Vermissen Sie Don Draper, Ihre Rolle in „Mad Men“?

Er war sicher eine meiner besten Rollen, weil er so gut geschrieben war. Was hat ihn motiviert? War es Sex? Alkohol? Die Karriere? Wir haben sechs Jahre damit verbracht, es herauszufinden. Seinen inneren Kampf mitzuverfolgen, war schon sehr interessant.

©REUTERS/HENRY NICHOLLS
Und was motiviert Sie?
Eine Kombination aus allen drei Dingen! Was meine Arbeit betrifft, bin ich am liebsten in Filmen von Leuten, die 50, 60 Jahre Erfahrung im Filmbusiness haben und daher wissen, was Sie tun.
Sie spielen auf Clint Eastwood an, mit dem Sie „Richard Jewell“ gedreht haben.

Zum Beispiel. Clint ist über 90. Er ist komplett professionell, verschwendet keine Zeit, ist immer gut vorbereitet und verlangt das auch von allen, die mit ihm arbeiten. Wenn ich mit solchen Leuten drehe, Clint, Mel Gibson und einigen anderen mit langen Karrieren, dann profitiere ich davon. Wenn ich jemanden auf diesem hohen Niveau sehe, habe ich nichts als Respekt. Mit Clint würde ich jederzeit wieder arbeiten.

„Richard Jewell“ war ja nicht der erste Film, den Sie mit ihm gedreht haben …

Ich sage es ja nicht gern laut, aber mein erster Filmauftritt war in einem seiner Filme. Ich hatte zwei Sätze in „Space Cowboys“, 1999. Schon damals habe ich die wichtigste Lektion meiner Karriere gelernt: Rede weniger und höre mehr zu. Clint ist die Personifizierung dieser Regel. Er ist sehr aufmerksam, sehr genau. Er ist ein Mann der wenigen Worte, auf der Leinwand und im Leben. Deshalb fürchten sich viele Leute vor ihm, aber wenn man ihn trifft, verschwindet die Angst, denn er ist sehr warmherzig. Ein angenehmer Mensch. Aber einer, der Narren nicht erträgt. Sollte er auch nicht.

Er wurde beschuldigt, nicht immer politisch korrekt gewesen zu sein.

Wir leben in einer Welt der „Cancel Culture“. Wenn du irgendetwas sagst, dass jemandem nicht passt, weil du dich vielleicht nicht ganz so vorsichtig ausgedrückt hast, wie die Person das erwartet, wenn du den kleinsten Fehler machst, und selbst wenn du keinen Fehler machst, kann es missinterpretiert, falsch ausgelegt oder missverstanden werden. Und dann wirst du sofort im Internet verurteilt. Das ist der neue Gerichtssaal. Und hier wird dann entschieden, dass du nie wieder arbeiten darfst, dass dir keiner einen Job anbieten darf und dass du schon gar nicht eine eigene Meinung haben solltest. Das ist die eine Seite. Die andere Seite des Internets kommt dir dann zu Hilfe und sagt, du hast gar keinen Fehler gemacht. Keine Seite hat recht. Und das ist erschreckend.

Wo ist bei Ihnen die Grenze?

Es gibt Dinge im Leben, über die ich keine Kontrolle habe, wie etwa Falschinformationen. Manchmal explodieren die, und das frustriert mich. Wäre ich jetzt besonders Zen, würde ich sagen, okay, ich habe ohnehin keine Kontrolle darüber, also kann ich es nur sein lassen. Aber ich finde es nicht richtig, wenn man über Menschen, nur weil sie in der Öffentlichkeit stehen, etwas erfindet und Unsinn verbreiten kann. Ich versuche, nicht emotional zu werden, wenn ich etwas höre oder lese, was nicht stimmt, denn natürlich ist das alles nur die Kehrseite meines privilegierten Daseins. Und natürlich bin ich lieber berühmt und bekomme Jobs, als daheim darauf zu warten, dass das Telefon läutet. Denn das habe ich auch erlebt.

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