James Blunt: „Das Musikgeschäft kann ein einsamer Ort sein“
James Blunt im Interview über sein Leben mit Kettensäge auf Ibiza, warum er in einem neuen Musikvideo von einer Frau beinahe gekillt wird und wie seine Eltern ihm halfen, als ihm der Ruhm zuviel wurde.
Bei ihm daheim sieht’s gemütlich aus. Den Laptop, vor dem er im T-Shirt Platz nimmt, hat er mitten ins Wohnzimmer gepflanzt. Hinter ihm: vertäfelte Bücherregale, Bilder, indirektes Licht. James Blunt im Videocall aus Ibiza. Noble englische Blässe hat er trotz massig Sonnenstunden beharrlich beibehalten. Anlass der Audienz: das neue Album „The Stars Beneath My Feet (2004-2021)“, das am 19. November das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Seine größten Hits aus 17 Jahren Karriere und 23 Millionen verkaufter Platten. Vier neue Songs hat der Sänger auch auf die Platte draufgepackt, darunter „Love Under Pressure“.
Im Video dazu befindet er sich auf der Flucht, gejagt von einer Blondine, die mit dem Gewehr ebenso auf ihn anlegt wie mit der Axt nach ihm wirft, ihn schließlich erlegt und ihn als Beute mit dem Auto hinterher schleift. Alles nur Spaß, natürlich! Blunt ist bekannt für seinen Humor (siehe auch seine Scherze auf Twitter), mit dem er sich oft und gern über sich selber lustig macht. Eine Gabe, die Blunt auch im Gespräch immer wieder durchblitzen lässt: feine Ironie, dosiert eingesetzt, von einem spitzbübischen Schmunzeln begleitet.
James Blunt: Meine Idee? Nein. Ihre! Sie scheint über irgendetwas sehr verärgert zu sein. Die Moral der Geschichte ist jedenfalls: Sie wird immer gewinnen.
Definitiv in diesem Fall.
Ich hätte keine Chance! (lacht) Die wahre Heldin ist aber ohnehin Jessica Hawkins, die im Video das Killermädchen spielt. Sie ist Profi-Rennfahrerin. Meine Erfahrungen als Soldat halfen mir, ihren Kugeln auszuweichen, wenn man so will.
Der Klavier-Teil des Liedes lag bei mir bereits seit zwölf Jahren in der Schublade. Wenn Gäste zu Besuch waren, beschwerten sie sich schon, ob ich nicht einmal etwas Anderes spielen könnte, weil sie das bereits seit Ewigkeiten von mir hören.
Das Lied entstand eigentlich aus einer anderen Motivation heraus: Es ging darum, weiter in Spanien leben zu können – ich stand unter Druck, was meinen Visumantrag betraf! Beim Songschreiben meinte mein Co-Autor Jack Savoretti allerdings, ein wirklich tolles Thema für ein Lied sei das aber nicht (lacht). Wir brauchten also etwas, mit dem die Leute etwas anfangen können. Letztlich bündelten wir, was wir beide erlebt haben. Im Grunde geht es darum: dass man seine Träume nie aufgeben darf. Sondern für sie kämpfen soll.
Vergangenen März war es verheerend für mich. Ich steckte mitten in der Tour, wir mussten abbrechen, Band und Crew nach Hause schicken. Das Pub, das ich in London betreibe, musste ich schließen. Aber ich hatte auch großes Glück: Ich konnte viel Zeit mit meiner Familie bei uns zu Hause auf Ibiza verbringen. Ich habe ein Buch herausgebracht und neue Musik geschrieben. Andere Menschen hatten dagegen eine wirklich harte Zeit. Ich gehörte zu jenen, die nochmal Glück hatten.
Wir wurden daran erinnert, was wirklich wichtig ist. Vor der Pandemie waren wir besessen von Celebrities, Schauspielern und Musikern. Jetzt ist uns bewusst, dass sie nicht essenziell sind. Essenziell sind Ärzte und Krankenschwestern. Und die Leute, die für unser Essen zuständig sind. Angesichts dieser Erkenntnisse hatte diese Zeit eventuell ja doch Vorteile.
Absolut. Mein Haus auf Ibiza ist umgeben von Wald. In Spanien kann das durchaus bedrohlich sein, wegen der Gefahr von Waldbränden. Und während der 15 Jahre, in denen ich dieses Haus besitze, war ich oft auf Konzert-Tournee und hätte diesen Wald schon längst von Totholz reinigen sollen. Ich habe also quasi ein Jahr mit der Kettensäge in meiner Hand verbracht und das nachgeholt. Und darauf geschaut, dass die anderen Bäume gesund sind.
Schwierig zu sagen. Mein schönstes Lied heißt „Smoke Signals“. Mein Lieblingssong als jemand, der im Musikgeschäft reüssieren will, ist „Same Mistake“. Aber mein kostbarstes Lied, jenes, das mich am meisten berührt, ist „Monsters“, für meinen Vater.
Ihm wurde eine gesunde Niere eingesetzt, er ist wieder auf den Beinen und es geht ihm sehr gut. Als ich den Song herausgebracht habe, war ich überwältigt von den Reaktionen, die er hervorrief. Ich wurde von enorm vielen Leuten angesprochen, die alle bereit waren, meinem Vater eine Niere zu spenden. Völlig Fremde. Umwerfend.
Wir haben uns immer schon sehr nahegestanden. Er hat mich immer unterstützt, und ich denke, das habe ich auch gebraucht. Das Musikgeschäft kann ein einsamer Ort sein. Man verändert sich nicht notwendigerweise, wenn man berühmt wird. Es ist die Welt, die sich verändert. Die Art und Weise, wie die Welt dich wahrnimmt.
An einem Tag läuft man die Straße entlang und niemand bemerkt einen. Und am nächsten Tag bleiben alle stehen und starren dich an und bitten um ein Autogramm oder ein Foto. Das beeinflusst einen. Ich stehe meiner Familie sehr nah. Sie hat sich um mich gekümmert, als es schwierig wurde. Und erinnerte mich daran, dass mein Job fantastisch ist und ich sehr, sehr viel Glück habe. Sie sagten mir, ich solle aufhören, mich zu beschweren. Ihre Unterstützung hat es viel einfacher für mich gemacht.
Nein, weil ich Nachtklubs mag. Wegen der Action beim Ausgehen. Und ich kann danach gut nach Hause gehen.
Naja, die Clubs waren zuletzt geschlossen. Aber ich habe einen eigenen Nachtklub am Ende meines Gartens (Bluntys Nightclub, Anm.), Sie sind herzlich eingeladen, zu kommen. Ich bringe zwar Musik raus, die ich am Klavier und an der Gitarre geschrieben habe. Gleichzeitig habe ich eine große Schwäche für Dancemusic. Ich bin auch schon im Ushuaia (großer Elektromusik-Club, Anm.) aufgetreten. Und ich habe Songs über meine Leidenschaft für Clubs geschrieben, etwa mit Robin Schulz. Ich liebe die Tanzszene.
Stimmt, ich werde der Gastgeber eines Bierbrauwettbewerbs namens „Beer Masters“ (als TV-Show für Amazon Prime, Anm.). Es ist mein Traumjob. Erst dachte ich, Musiker zu sein, wäre mein Traumjob, oder vielleicht Wirt. Aber als Moderator einer eigenen Fernsehshow, in der Leute Bier brauen, das man verkosten muss – da bin ich wohl im siebten Himmel gelandet.
Ich lerne viel über Bier, durch die Teilnahme an der Sendung. Normalerweise mag ich ja nur billiges Bier, am liebsten mit Limette oben drauf (schmunzelt). In der Sendung habe ich ein Bier namens „Prestige“ probiert, das war das phänomenalste dunkle Ale der Welt. Ich kann den Geschmack gar nicht beschreiben, es war absolut umwerfend.
Bis jetzt habe ich nur helle, gelbe, wahrscheinlich mexikanische Biere getrunken (lacht). Doch ich lerne dazu.
Meine erste Erinnerung ist: Ferien am Arlberg, einem der schönsten Plätze um Ski zu fahren. Man fühlt sich dort wie in die Vergangenheit versetzt, ein fantastischer Ort. Und ich habe Freunde in Wien und Salzburg, habe etwa Hochzeiten hier besucht. Auch die historischen Theater sind toll.
Meine Eltern nahmen mich schon als Kind zum Skifahren mit. Und in der Armee fuhr ich vier Saisonen mit den Trainern der Schweizer Nationalmannschaft. Was meine Lehrmeister betrifft, hatte ich großes Glück.
Kommentare