"Klammer"-Film: Vom Traum, ganz große Emotionen zu erzeugen
Der legendäre Olympiasieg Franz Klammers in Innsbruck 1976 kommt am 28. Oktober in die Kinos.
Bei Olympia zu gewinnen, ist für viele ein Mädchen- oder ein Bubentraum. Ganz ähnlich klingt das bei Regisseur Andreas Schmied: „Die Idee, großes Kino zu machen, hab ich, seit ich zehn Jahre alt bin. Dass sich das mit ,Klammer‘ so gefügt hat, ist für mich wie ein Traum, der wahr wird. Jeder, der das Kino liebt, träumt davon, selbst diese großen Emotionen erzeugen zu können.“
Dabei ist die Urzelle des Projekts den Träumen von Touristikern entsprungen. Die Kärnten Werbung hatte mehrfach die Idee eines Spielfilmprojekts an Franz Klammer herangetragen. Doch er und seine Ehefrau Eva lehnten die Drehbuchansätze allesamt ab. Als die Kärntner Kontakt mit Schmied aufnahmen, kamen die Dinge plötzlich ins Laufen.
Elisabeth Schmied, die gemeinsam mit ihrem Ehemann das Drehbuch schrieb, hatte die Idee, den Film nur rund um die legendäre Abfahrt von 1976 am Patscherkofel anzusiedeln. Andreas Schmied erzählt: „Ich kann mich noch erinnern, wie wir mit der Straßenbahn zum ersten Treffen mit Franz und Eva Klammer gefahren sind und gesagt haben: ,Hoffentlich waren die damals schon zusammen.‘ Das war wichtig, weil großes Kino braucht eine Lovestory.“
Elisabeth Schmied, lachend: „Lustigerweise hast du dann mehr die Lovestory thematisiert, während ich nur übers Rennen reden wollte.“
Verdichtet
„Wir wollten zeigen, was Franz gebraucht hat, um dieses Rennen zu gewinnen, und was er im Leben gelernt hat. Das alles haben wir auf diese Woche in Innsbruck verdichtet“, sagt sie. Diese Idee überzeugte die Klammers schließlich.
Beinahe sechs Millionen Euro an Produktionskosten verschlang der Film, der diesen Frühling in Innsbruck, Kärnten und Wien gedreht wurde. Für eine kleine Produktionsfirma wie Samsara, die Andreas Schmied gemeinsam mit Loredana Rehekampff gegründet hat, war das alleine nicht zu stemmen. Man holte die epo-Film von Dieter und Jakob Pochlatko an Bord, ein weiterer Financier ist Fernsehpartner ServusTV.
Breites Mainstream-Kino
„Uns war wichtig, einen Film zu machen, der auch Leute erreicht, die keine Skifans sind und die damals noch nicht geboren waren“, sagt Produzentin Rehekampff. „Wir wollten ganz breites Mainstream-Kino machen.“
Widersacher gesucht
Diese Art von Kino braucht freilich einen glaubwürdigen Widersacher. Aber da der Schweizer Bernhard Russi dem späteren Gewinner Klammer in Freundschaft verbunden war, fiel die Wahl auf den charismatischen Ski-Fabrikanten Josef "Pepi" Fischer, der kurz vor der Olympia-Abfahrt Klammer dazu drängte, den neu entwickelten Fischer Loch-Ski zu fahren – was Klammer ablehnte.
Das Unternehmen war für den Film, der die damalige Ausrüstung möglichst authentisch zeigen sollte, ein wichtiger Partner.
Es gab die Angst, dass die Firma aus Ried abspringen könnte, erzählt Rehekampff. „Aber das Tolle war, die sind wirklich ihren Mann gestanden und haben gesagt: Ja, das war damals so, das war vielleicht nicht in Ordnung. Aber jetzt sind wir im Film und unterstützen das.“
Universelles Problem
Fischer, der die Firma zum Ski-Imperium ausbaute, ist im Vorjahr 90-jährig verstorben.
„Auch wenn er nicht mehr lebt und wir nicht mehr miteinander sprechen konnten, habe ich wirklich versucht, das auch von seiner Seite zu beleuchten“, sagt Elisabeth Schmied.
Im Film wie im echten Leben entschied sich Franz Klammer für seinen gewohnten Sieger-Ski C4.
Rehekampff: „Er war noch einer, der gesagt hat: Ich muss mein Ding machen, ich muss auf mein Gefühl vertrauen. Und das ist wahnsinnig universell, wir alle stehen vor diesem Problem. Und damit gewinnt er auch, das ist das Schöne daran.“
Feine Optik, rasante Skiszenen, viel Nostalgie und fast zu viel Gefühl
„Nicht hoffen, nicht wollen – wissen“ – auf diese elementare, fast buddhistische Formel bringt „Klammer – Chasing the Line“ das Phänomen Franz Klammer. Am 5. Februar 1976 krönte sich der Kärntner bei der Olympia-Abfahrt vor heimischem Publikum zum „Kaiser“ des Skisports.
Die übergroße Erwartungshaltung im Land, die ungeliebte Startnummer 15 – und dann noch der Streit mit Ski-Ausrüster Fischer, der Klammer einen neuen Ski an die Beine schnallen wollte. Diese Steine im Weg nützt der Film als dramatisches Potenzial – denn man weiß: Es sind scho Hausherr’n g’storben.
Der Status Klammers, der in der Abfahrt als unschlagbar galt, wird mit folkloristischen Zutaten aufgebaut: Ländliche Idylle, Blasmusik, Kinder vor den TV-Geräten. Die Massen im Zielstadion sind computergeneriert.
Sympathieträger ist freilich Klammer. Aber auch Kontrahent Russi, den er in einer „Rocky“-artigen Sequenz beim Jogging im Olympischen Dorf trifft, ist kein Unguter. Diesen Part übernimmt Ski-Fabrikant Pepi Fischer (Robert Reinagl), dessen markiger Auftritt vor dem Helikopter davon erzählt, wie die Kommerzialisierung des Sports vorangeschritten war.
Regisseur Andreas Schmied zeigt, trotz allen Spielens auf der Gefühlsklaviatur, sein komödiantisches Händchen: Klammers Mannschaftskollegen, allen voran Werner Grissmann, machen sich etwa über den vom Verband gestellten neuen „Goldfinger“-Anzug lustig. Auch diesen lehnte Klammer ab – weil es nicht seinem Naturell entsprach, im güldenen Kostüm zu Gold zu rasen.
Dass Eva Klammer die Uni-Prüfung schmeißt, um nach Innsbruck nachzureisen, ist nicht nur erfunden, es wirkt auch so. Dennoch wird die authentische Art Klammers auch in der etwas überstrapazierten Liebesgeschichte stimmig eingefangen.
Sportfilme scheitern oft daran, dass man den Ausgang kennt oder dass die sportliche Spannung allein nicht reicht, um auf der großen Kinoleinwand zu zünden. Hier kommt dennoch Gänsehaut auf. Durch nostalgische Ausstattung, rasant inszenierte Skiszenen, auch durch Hollywood-Schemata, die man halt mögen muss.
Und durch einen Julian Waldner, der nicht nur mit seinem smarten Lächeln ein herzerwärmender „Franzi“ ist.
KURIER-Wertung: ***1/2 von *****
(Peter Temel)
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