Der unverwechselbare Stil der Designerin Susanne Bisovsky
Stellen Sie sich eine Mischung aus Frida Kahlo, Kaiserin Elisabeth und Heidi vor. Dazu ein Hauch von Punk. Ein Gespräch über Mode, Nachhaltigkeit und das schreckliche Wort Tracht.
Von Barbara Beer
Samt, Tüll, Spitze. Fein gestickte Blümchenmuster. Farbenrausch auf schwarzem Untergrund. Hochgeschlossene Krägen, kecke Federhütchen. Spitzenstrümpfe, in Latex gegossen. Lebkuchenherzenmuster, bunt gestickt und mit Pailletten umsäumt. Fransentücher, die hochtoupierte Frisuren und Zöpfe rahmen. Blasse Gesichter, rote Bäckchen, blutrote Blumenkränze. Ernste Schönheit. Mit Humor.
Susanne Bisovskys unverwechselbaren Stil, den „Wiener Chic“, wie sie es nennt, erkennt man auf den ersten Blick. Doch wie beschreibt man ihn?
Die Entwürfe der Wiener Designerin, die mit Helmut Lang, Jean-Charles de Castelbajac oder Kathleen Madden gearbeitet hat, sind Welten entfernt von allem, was man modisch nennen könnte. Dass Nachhaltigkeit jetzt im Trend liegt – umso besser. Aber eigentlich ist dieser Satz ein Widerspruch in sich.
In Bisovskys Arbeit hat sich ein langer textiler Atem durchgesetzt. Denn zunächst war das, was sie seit dreißig Jahren macht, gar nicht gefragt. Ihre Mitstudenten an der Universität für Angewandte Kunst fanden ihre Beschäftigung mit historischen Kleidungsstücken und Trachten doch etwas, nun ja, schräg.
Tracht? Damit wird ein Klischeetopf bedient. Aber Tracht ist mehr als Dirndl und Lederhose. Das Spektrum ist viel breiter.
Oh Gott, Trachten. Ein schwieriges Wort. „Tracht an sich ist ja nichts Verwerfliches, es kommt von Tragen. Aber in Österreich wird damit ein Riesenklischeetopf bedient. Meist wird darunter Dirndl und Lederhose verstanden und abseits davon sind kaum Kleidungszitate möglich. Genau diese machen aber das breite Spektrum der Tracht aus“, sagt Bisovsky. Sie nimmt bei Tracht und Folklore Anleihe, arbeitet mit Trachtenelementen, aber auch mit historischen Bekleidungsstücken, „weil darin Vernunft und Energie liegt. Die Substanz alter Kleidungsstücke ist eine andere. Man kann an ihnen ablesen, was sich Menschen überlegt haben“. Und ja, auch wenn sie mit dem Wort hadert: „Trachten, das sind Schwestern, mit denen man sich mal besser, mal schlechter versteht.“
Hinreißende Wunderkammer
In Bisovskys Arbeit geht es um die Geschichte des Gewandes. Egal, ob es aus China oder Wien kommt. Die mexikanische Malerin Frida Kahlo wäre, würde sie heute leben, bestimmt Kundin in Bisovskys Salon, dieser hinreißenden Wunderkammer in der Beletage einer ehemaligen Seidenmanufaktur in Wien-Neubau. Hier, am historischen „Brillantengrund“, wird das entworfen, was die gebürtige Linzerin, die seit Jahrzehnten in Wien lebt, „Wiener Chic“ nennt. Und so heißt auch der soeben erschienene Prachtband, der in opulenten Bildern und Beiträgen von Modehistorikerinnen wie Barbara Vinken und Journalistenlegenden wie Suzy Menkes einen Überblick über die bisher dreißigjährige Schaffensperiode der Modeschöpferin gibt, die einst bei Helmut Lang und Vivienne Westwood lernte.
Helmut Lang erinnert sich im Buch an die Zusammenarbeit mit Bisovsky und findet sehr persönliche Worte für ihren einzigartigen Stil. „Susanne war eine meiner Studentinnen, als ich Anfang der neunziger Jahre an der Universität für Angewandte Kunst in Wien unterrichtete. Sie hatte eine Zerbrechlichkeit um sich, war aber bei Bedarf ziemlich stark und immer bereit, ihre Arbeit und ihren persönlichen Raum zu verteidigen. Sie war mit einer Vision bewaffnet, die in der alten österreichischen imperialen Tradition verwurzelt war, die sie umarmte, aber auch auf alle möglichen Arten beurteilen wollte, um ihrer Vorstellung von Transformation und Moderne zu dienen. Immer entschlossen, mit allen erdenkbaren Ebenen von Möglichkeiten zu experimentieren und zu erkunden, um ihre eigene Stimme zu definieren.“
Früh ins Bett und lange schlafen
Ihre eigene Stimme, die findet Bisovsky, indem sie aus Historischem schöpft und mit überbordender Energie daraus Neues schafft. Anleihen aus Tracht und Folklore, aber mit einem gewissen Augenzwinkern prägen ihren avantgardistischen „Wiener Chic“, der durchaus auch Inspirationen aus China oder Mexiko haben darf. „Ich bin mir bewusst, dass es hier eine Basis gibt, aber ich möchte alles, was mir von außen zufliegt, zulassen. Es gibt keine Regeln.“ Und ja, so ganz genau lässt sich der Wiener Chic ja auch nicht in Worte fassen.
Wir arbeiten an einem Weltbild. Ich mache eine Gewandsprache für Wien.
In diesem Sinne rätselhaft ist auch der Satz, den Bisovsky ihrem Buch voranstellt: „Wien ist eine alte Dame, die früh zu Bett geht und lange schläft.“ Wiener Chic, sagt sie, sei natürlich ein provokanter Titel und „vielleicht auch ein überwuzelter Ausdruck“. Die wilde Wiener Mischung, die ihre Mode prägt, müsse man mit einem „liebevoll ironischen Auge“ betrachten. Das Wiener Mädel will sie ins Heute transportieren. Ganz abgesehen davon, dass beim berühmten Süßen Mädel „immer das große Drama mitschwingt“. Und so manche Nostalgie nach dem Gestern hält Bisovsky für „verlogen und hinterhältig“.
Schlicht und schwarz
Susanne Bisovsky kleidet sich übrigens nicht in Susanne Bisovsky. Oder nur teilweise. „Ich nehme mich heraus, ich muss eine neutrale Fläche sein.“ Sie trägt vor allem schlichte, schwarze Kleider. Durchaus auch von der Stange. Gute Stoffqualität ist ihr wichtig. Der einzige typische Bisovsky-Hingucker an ihr ist der Kopftuch-Turban. Markenzeichen, aber auch Bequemlichkeit. „Ich hab gern was auf den Ohren.“ Zurückhaltend und sehr überlegt wirkt sie in der persönlichen Begegnung. Und unermüdlich neugierig in ihrer Arbeit – sie ist immer am Stöbern, am Auftreiben neuer Inspirationsquellen. „Wenn ich in der Nacht aufwache, brauche ich die Gewissheit, dass ich arbeiten kann, dass Material auf mich wartet.“ Ihre Arbeit bedeutet mehr als „nur“ Mode. „Wir arbeiten auch an einem Weltbild. Ich mache eine Gewandsprache für Wien.“ Denn was in dieser Stadt einmal war, dass Wien einst eine Modestadt war, das ist heute etwas in Vergessenheit geraten.
Aber es geht Bisovsky auch um etwas anderes. Um die Überlegung, „was man dem Planeten noch antun kann an Textilien. In der Coronazeit ist dermaßen viel Bekleidung einfach verbrannt worden! Die textilen Irrsinnigkeiten sind mir immer gegen den Strich gegangen. Die Lieblosigkeit, mit der die Leute sagen: Wenn eine Naht aufgeht, dann schmeiß ich das Ganze weg und kauf mir was Neues. Ich habe schon früh erkannt, dass das nicht meine Welt ist.“ Besteht jetzt nicht die Hoffnung, dass das heute oft zitierte Schlagwort Nachhaltigkeit tatsächlich eine Rückbesinnung ist? Schön wär’s. „Man sollte darüber nachdenken, ob man überhaupt so viele Kleidung braucht. Ob es nicht reicht, wenn man sich sehr gute Basisstücke aneignet und dazwischen ein bisschen Schnickschnack. Wir sollten wegkommen von dem, dauernd etwas Neues haben wollen.“
Wiener Chic
Mode für eine große Stadt von Susanne Bisovsky
erschienen im Verlag Anton Pustet Salzburg
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