
Warum Mann mit Krawatte gerade der Trendsetter schlechthin ist
Sie galt als spießig und überholt und wurde selbst bei Hochzeiten aussortiert. Nun aber feiert die Krawatte ihr modisches Comeback.
Die Krawatte – jahrzehntelang das Symbol für Anstand und Angepasstheit – schien aus der Mode gekommen zu sein. Selbst auf Hochzeiten und anderen feierlichen Anlässen tanzen Männer vornehmlich „oben ohne“. In den letzten Jahren wurde der Schlips als zu formell und bieder wahrgenommen.
Selbst in konservativen Umgebungen wie Anwaltskanzleien oder Ministerbüros sind sie immer seltener zu sehen. Der alles beherrschende „Casual Chic“ ließ die Krawatte fast aussterben.
Bis jetzt. Nun ist sie wieder da. Zwar (noch) nicht in Konferenzräumen oder Chefetagen – aber auf den Laufstegen. Und die geben bekanntlich vor, was in ein paar Saisonen auch auf der Straße zu sehen ist.
Dior, Celine, Saint Laurent, Armani, Louis Vuitton, Dolce & Gabbana – sie alle zeigen in ihren Sommerkollektionen für 2026 wieder Halsgebinde, durchaus auffällig inszeniert.
College-Look neu interpretiert
Der Preppy-Stil ersetzt nun scheinbar den lässigen Streetstyle in der Männermode. In den Damenkollektionen hat der bürgerlich-gestriegelte Look längst Einzug gehalten. Preppy leitet sich von „Preparatory Schools“ ab, gemeint ist die brave Mode an US-Privatschulen ab den Fünfzigerjahren.
Im deutschen auch als College-Look bezeichnet, sind die charakteristischen Stücke Segelschuhe, Ledergürtel, Strickjacken, und Poloshirts.

Giorgio Armani Spring/Summer 2026
©REUTERS/Alessandro Garofalo
Louis Vuitton Spring/Summer 2026
©EPA/TERESA SUAREZ
Saint Laurent Spring/Summer 2026
©EPA/CHRISTOPHE PETIT TESSONDior und Celine zeigen es vor
Genau diese „Spießer-Garderobe“ wird auch von Jonathan Anderson neu gedacht, der vor einigen Tagen seine erste Kollektion für Dior präsentierte. Sein Mix aus Harry Potter-Schuluniform und Barock-Kostüm funktioniert.

Dior
©APA/AFP/BERTRAND GUAY

Dior
©APA/AFP/BERTRAND GUAY
Rapper ASAPRocky mit Krawatte bei der Dior Show
©APA/AFP/EMMA DA SILVAUnd auch Michael Rider, der mit seiner Celine Kollektion eines der besten Debüts der letzten Jahre hinlegen konnte, interpretiert den Büro-Look neu. Er zeigt Krawatten wie aus einem 80er-Jahre-Filmset – lässig, ironisch, und ein bisschen übertrieben.

Celine Kollektion von Michael Rider
©Courtesy of CelineDolce & Gabbana dramatisiert sie in im Miami-Vice-Stil mit fließenden übergroßen Anzügen.
Louis Vuitton kombiniert den Schlips mit Streetwear, Saint Laurent lässt sie ganz schmal und eingesteckt über hauchdünne, glänzende Hemden gleiten.
Was alle Looks gemeinsam haben: Die Krawatte ist wieder sichtbar. Aber nicht als Pflicht, sondern verspielt.

Dolce & Gabbana Spring/Summer 2026
©EPA/MATTEO CORNER
Saint Laurent Spring/Summer 2026
©REUTERS/Benoit TessierKroatische Soldaten machten Mode
Die Historie der Krawatte beginnt jedoch martialischer: Schon seit Jahrhunderten sind geknotete Halstücher als Schutz für Soldaten überliefert. Als eine Reitertruppe 1663 dem französischen König Ludwig XIV. ihre Aufwartung machte und dabei breit geknotete Bänder trugen, die unter die Brust hingen, wurden die „Cravate“ (französisch für „kroatische Art“) auch vom Adel übernommen.
Die Soldaten hinterließen modischen Eindruck, der Geschichte schrieb.
Der Stoff um den Hals wurde zum Statussymbol, ein Ausdruck von Seriosität und Macht. Im 20. Jahrhundert galt er als Standard in Büros und für alle, die „etwas darstellen“ wollten. So lange, bis die Nullerjahre mehr Lässigkeit und Lockerheit einforderten und sich im trendangebenden Silicon Valley die Tech-Millionäre in Jeans und T-Shirts in Vorstandssitzungen setzten.
Die Krawatte wurde auch im Berufsleben etwas für Spießer. Genau dieser Stil ist nun aber wieder angesagt. Trendsetter der Stunde tragen Krawatten nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen.
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