Warum der Wettkampf zwischen Mode und Sport in Paris beginnt
Paris rüstet sich auch modisch für die Olympischen Spiele 2024 und zeigt im Musée des Arts Décoratifs, was auf Laufstegen unübersehbar geworden ist: wie sich Sport und Mode beeinflussen.
Die ersten Olympioniken waren nackt. Ob beim Diskuswurf, Speerwerfen, Laufen oder Weitsprung – in der Antike kämpften die Athleten ohne Tuch und Lendenschurz. Nacktheit beim Sport sollte bei den alten Griechen soziale Gleichheit zwischen den Reichen und der Mittelschicht symbolisieren. Heute ist das ganz anders: Es wird in Markenkleidung gesportelt, die Kultstatus erreichen kann und nach stylischem Re-Design von modischen Fans getragen wird.
Solche Outfits sind heute als "Athleisure" oder "Activewear", abseits von Tennis- oder Fußballplätzen, allgegenwärtig. Und wer Turnschuhe sagt, gilt als gestrig – man trägt Sneakers. Auch Bomberjacken und hautenge "Yoga-Pants", die früheren Jogginghosen, sind im Streetstyle selbstverständlich geworden und gehören wie Baseball-Caps zur modischen Ausstattung vieler.
Top-Sektor der Modeindustrie
Activewear ist zu einem Mode-Hybrid geworden, dessen Umsatz am Modemarkt olympiareife Kurven erreicht. Alleine in Amerika werden bis 2024 nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Allied Market Research Umsätze der globalen Activewear-Industrie von fast 547 Milliarden US-Dollar erwartet. Dass Sport zum wichtigen Sektor in der Modeindustrie wurde, ist dabei noch gar nicht so lange her.
Erst mit dem Aufkommen von mehr Freizeitgestaltung im vorigen Jahrhundert entwickelte sich die sportliche Betätigung – einst nur dem privilegierten Adel vorbehalten – zum Zeitvertreib für alle.
In Vorausschau auf die Olympischen Spiele 2024 zeigt das Pariser Musée des Arts Décoratifs in der aktuellen Ausstellung Zusammenhänge zwischen Sport und sozialen Strömungen, die die Mode bis heute beeinflussen: Bunte Sportdressen von Comme des Garçons bis Paco Rabanne, Fußballtrikots und weiße Tenniskleider zeigen eine klare Verbindung von Mode und Sport – von mittelalterlichen Turnieren mit grober Bekleidung, bis zum feinen Jeu de Paume, einem Vorläufer vom heutigen Tennissport, das die Eleganz der Outfits betont.
Im Tennis zeigt sich am deutlichsten, wie weiße Sportbekleidung zur Alltagsmode wurde. Jean Patou, Jeanne Lanvin, Gabrielle Chanel und Elsa Schiaparelli waren Mode-Pioniere der Zwischenkriegszeit, sie revolutionierten die Sportbekleidung und brachten sie in den Alltag.
Tennis als Treiber
Als 1900 das erste Tennisturnier stattfand, bei dem Damen an den Olympischen Spielen in Paris teilnehmen durften, waren Frauen in weißen, langen Kleidern noch eine Sensation. Doch die Tennisdressen mit dem steifen Schnürkorsett, das für eine schmale Taille sorgte und den Busen betonte, waren äußerst einengend. "Luxus muss bequem sein, sonst ist es kein Luxus", meinte die junge Pariserin Gabrielle "Coco" Chanel, die selbst an der französischen Riviera Tennis spielte.
1913 eröffnete sie in Paris eine Boutique für kurze, legere Tenniskleider und befreite die Spielerinnen damit vom steifen Korsett. Auch die Stoffe ihrer Kostüme bezog sie aus der Sportmode. Chanel verwendete erstmals Jersey, was bis dahin nur für Männerunterwäsche und Sportbekleidung üblich war. 1921 brachte sich auch der Pariser Modeschöpfer Jean Patou ins Spiel, als die französische Nummer 1 im Tennis, Suzanne Lenglen, in einem wadenlangen Faltenrock und einer ärmellosen Bluse in Wimbledon den Grand Slam gewann.
Der weiblichen Couture auf dem Spielfeld folgte ein paar Jahre später Mode für Männer. Tennisprofi René Lacoste, mit dem Spitznamen "das Krokodil“, erfand das praktische und elegante Lacoste-Poloshirt mit dem legendären Krokodil-Logo.
Designer selbst als Sportler
Sport zu treiben war um 1900 nicht so selbstverständlich wie heute. Aus den Leibesübungen für Adelige, die dazu dienten, Fähigkeiten wie Jagen, Bogenschießen oder Fechten zu verbessern, entwickelten sich erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit den Reformbewegungen rund um Gesundheit und Natur, sportliche Freizeitaktivitäten. So geht auch die Gründung des Adidas-Imperiums auf die olympischen Leistungen der deutschen Leichtathletin Karoline "Lina" Radke zurück. Sie gewann 1928 in Breslau die Goldmedaille in Turnschuhen von Adidas.
Adi Dassler wollte den Sportlern die bestmögliche Ausrüstung bieten und gründete 1924 die erste Schuhfabrik für die Turnschuhe mit den drei Streifen. Viele Modedesigner nahmen früher selbst an sportlichen Wettkämpfen teil, ehe sie die Catwalks eroberten: Neben René Lacoste, war Emilio Pucci 1936 Mitglied der italienischen Olympiamannschaft und Ottavio Missoni war Meister im 400-Meter-Lauf.
1967 kam zwar schon der erste Trainingsanzug von Adidas als Kleidungsstück auf den Markt – aber erst mit der zunehmenden Freizeit erlebte Sportkleidung im Alltag der 1980er- und 1990er-Jahre einen Aufschwung.
Mit dem Aufkommen von Hip-Hop-Bands, die Sportschuhe trugen, sowie durch Marketingkampagnen von Adidas, Nike & Co., die berühmte Sportler wie Franz Beckenbauer oder Michael Jordan als Markenbotschafter einsetzten, entwickelten sich Turnschuh und Trainingshose zu angesagtem Streetstyle. Auch die Looks von Surfern und Skateboardern inspirierte in den 1980er-Jahren die Luxusmodebranche. Beide Trendsportarten sind übrigens erst seit 2021 olympische Disziplinen.
Sportler als Mode-Musen
Was bei den Olympischen Spielen als Trendsportart gilt, macht sich auch die Modeindustrie zunutze – und setzt neuerdings dazu die besten Sportstars in die Front-Rows der Pariser und Mailänder Modewochen. Wie etwa die Fußballer Marcus Rashford und Jude Bellingham, die bei der Louis-Vuitton-Sommerkollektion 2024 fußfrei saßen. Auch sie sollen mit ihrem Image neue Absatzmärkte erschließen. Sie sind wie einst Roger Federer oder Serena Williams nicht nur als Sportler Vorbilder für einen aktiven Lebensstil, sondern auch als Markenbotschafter.
Auch David Beckham posierte lange für eine Unterwäschekollektion von H&M, genauso wie Tennis-Ass Rafael Nadal, der 2015 in die Unterwäsche von Tommy Hilfiger schlüpfte.
Umgekehrt lassen sich Modekonzerne von Sportstars inspirieren: 2019 mischte Model Cara Delevingne zwei Unisex-Kollektionen zwischen Mode und Sport von Puma X Balmain auf, 2022 Naomi Ōsaka für Louis Vuitton. Und da besonders junge aufstrebende Sportler positive Energie versprühen, hat sich Gucci aktuell Tennisstar Jannik Sinner geholt, der die Taschen des Labels repräsentiert.
Kultige Sportmode kann übrigens auch das Sprungbrett für Mode-Millionäre sein. So wurde heuer um etwa zwei Millionen Euro ein signierter, schwarz-roter "Bred" Air Jordan XIII versteigert, den Basketballer Michael Jordan während der NBA-Finalserie 1998 trug. Nike selbst machte damals innerhalb von zwei Monaten nach der Veröffentlichung des Sneakers Air Jordan einen Umsatz von 70 Millionen US-Dollar.
Surftop und Seidenkleid
Von André Courrèges bis Gucci und Prada – Modekonzerne orientieren sich bis heute gerne an medaillenträchtigen Erfolgen und statten Athleten bei Olympischen Spielen aus. Warum selbst Stoffe und Schnitte aus dem Sport in ihre Mode einfließen, ist einem Umdenken in der Fashionwelt geschuldet.
Couture kann zwar hinreißend schön, aber auch unpraktisch sein. Kleidung muss heute dem entsprechen, was sich Menschen nach den Pandemie-Erfahrungen im Homeoffice wünschen: Bequemlichkeit.
Sportartikelhersteller setzten daher gerne auf Designer-Kooperationen, die für beide Seiten lukrativ sind. So folgte auf Adidas X Gucci eine Gucci X Northface-Ready-to-Wear-Kollektion, die aktuell mit der Gucci-Cruise-Kollektion, wieder inspiriert von Surfern und Skatern, fortgesetzt wird.
Vergangenes Jahr gab es übrigens bei der Kooperation Balenciaga X Adidas Kritik im Netz, weil die Luxus-Sneaker 2.000 Dollar kosteten. Heuer sind auch günstige Designer-Kooperationen präsent – wie von H&M X Rabanne, in der bequeme Trainingshosen zu eleganten Anzugshosen werden.
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