Neujahrskonzert: Was hinter den Kostümen steckt
Susanne Bisovsky spricht über ihre Inspiration und wieso sie es nicht scheute, tief in den Klischeetopf zu greifen.
Übertragen wird das berühmteste aller Klassikereignisse aus dem Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, ein einmaliges Erlebnis. Glanzvoller Höhepunkt der ORF-Liveübertragung: die Tanzeinlagen des Wiener Staatsballetts, diesmal zu den Klängen von Johann Strauss Sohn und Carl Michael Ziehrer, und erstmals in Kostümen von Susanne Bisovsky. Die freizeit hat die Designerin interviewt.
Susanne Bisovsky, Sie haben für das Neujahrskonzert die Kostüme entworfen. Wie kam es dazu?
Susanne Bisovsky: Das war immer ein Jugendtraum von mir, und ganz ehrlich, ich habe immer darauf gewartet, gefragt zu werden. Hat relativ lang gedauert, umso größer die Freude.
Gab es seitens des ORF eine Motto-Vorgabe?
Mehrere, eine davon Bad Ischl als Europäische Kulturhauptstadt. Und da ist Sisi und Franzl natürlich ein aufgelegtes Thema.
Wo wurde gedreht?
Der "Ischler Walzer" von Johann Strauss Sohn in Bad Ischl und „Wiener Bürger“ von Carl Michael Ziehrer in der Rosenburg im Waldviertel. Die Auswahl der Musikstücke obliegt den Wiener Philharmonikern, für die Kostüme muss ich nur wissen, wer den Haxen in die Höhe reißt (lacht).
Wie war die Arbeit mit den Tänzerinnen und Tänzern?
Traumhaft, weil sie so unglaublich mitfühlen und mitdenken. Ketevan Papava, die die Sisi gibt, war so begeistert von ihrem Kostüm, das macht mich dann schon sehr glücklich, wenn man merkt, juhu, sie liebt es wirklich. Für mich ist Papava der absolute Star, weil sie auch privat so hinreißend agiert, wie sie tanzt. Und das ganze ORF-Team, Filmcrew, Haar- und Make-up-Leute, die sind wirklich super, unglaublich professionell, da funktioniert alles wie ein geschmiertes Radl. Schon sehr beeindruckend, so etwas mitzuerleben.
Wie haben Sie sich den Kostümentwürfen angenähert?
Ich musste mich entscheiden, zuckersüßer Stil und Sahnehäubchen, oder ich arbeite komplett konträr dagegen. Ein Dazwischen gibt es da nicht. Die Kamera liebt das Glitzern und den Glamour, daher bin ich aufs Ganze gegangen und habe mich voll auf das Thema Sisi eingelassen. Und in Zeiten der ungeheuer tristen Medienbilder ist es halt extrem wichtig, auch eine fulminant schöne Welt zu zeigen.
Wie lang haben Sie daran gearbeitet?
Der schnelle Wurf, also dass man weiß, was man generell möchte, der ist schon einmal schnell da. Die Verfeinerungen sind dann langwierig, die ziehen sich über Monate.
Mussten Sie auf irgendetwas speziell Rücksicht nehmen?
Wenn man davon ausgeht, dass das Neujahrskonzert auf der ganzen Welt zu sehen ist und Millionen zuschauen, dann muss man auch so Dinge bedenken wie Höschen, die darunter getragen werden und alles gut abdecken. Besonders wichtig für den arabischen Raum. Überlegt wird auch, ob ein Tänzer seine Tattoos zeigen darf, ob das Kostüm langärmelig oder ärmellos sein kann.
Inspiration aus der Tradition?
Ja, natürlich, das kann man gar nicht ausblenden, diese Bilder will ich auch nicht unbedingt brechen. Außer, es wäre der Auftrag gewesen, wir machen jetzt mal ganz was anderes, da würde ich natürlich auch zur Verfügung stehen. Aber diesmal hab ich mich nicht gescheut, ganz tief in den Klischeetopf zu greifen.
Die Sisi-Figur steht diesmal ja irgendwie im Mittelpunkt, was waren da die Überlegungen?
Für mich war immer klar, dass sie nicht bunt sein wird, sondern schwarzweiß. Das ist für mich Jahrhundertwende und viktoranischer Stil. Hochgeschlossen, steife Spitze, aber trotzdem attraktiv. Und natürlich muss das starre Korsett, aus dem sich Sisi ja immer befreien will, dargestellt werden. Wir haben in Bad Ischl in der Kaiservilla gedreht, wo sich die alte, melanchollische Sisi rüberträumt in das Marmorschlössl, wo sie als junge Frau ausgelassen getanzt hat.
Der "Wiener Chic" ist Ihr Leitmotiv, was kann man sich darunter vorstellen?
Der Wiener Chic ist ja eigentlich eine ironische Sichtweise auf eine Zeit, die es nicht mehr gibt. Wiener Dame, Wiener Mädel sind geträumte Begriffe, haben mit der Realität wenig zu tun. Und wenn wir "Wiener Chic" sagen und diesen verschrobenen, alten Begriff absichtlich verwenden, dann nehmen wir dieses Stilmotto ein bisschen auf die Schippe.
Was bedeutet Ihnen persönlich das Neujahrskonzert?
Es ist einfach das beste österreichische Ritual.
Susanne Bisovsky
Susanne Bisovsky ist in Linz geboren, in Wien aufgewachsen, hat als Modeschöpferin, aber auch als Kostümbildnerin sehr früh begonnen, international Karriere zu machen. Sie hat bei Castelbajac, Bohan (Dior), Vivienne Westwood und Helmut Lang gelernt. 1990 gründete sie ihr eigenes Label, das sie seit 2000 zusammen mit Joseph Bonwit Gerger führt.
Wo werden Sie es sich anschauen?
Ursprünglich hatten wir vor, mit unseren Freunden und Kunden hier im Salon zu schauen, in Abendkleidung. Aber das war uns dann doch zu anstrengend. Wir werden, glaube ich, vom Bett aus zuschauen.
Haben Sie einen Vorsatz für 2024?
Ich träume von einem kleinen zweiten Salon, kein Geschäft, einfach eine zweite Location im Grünen in der Nähe von Wien. Je älter ich werde, desto größer der Wunsch, ein bisschen rauszukommen, ein bisschen Luft zu schnuppern.
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