Chic mit seinem Stück: Wie Frauen Krawatten entdeckten

Zu maskulin, zu sehr Uniform und unbequem: die Krawatte war lange Zeit den Business-Männern vorbehalten. Bis wir Frauen sie für uns entdeckten.

von Karin Garzarolli

Zugegeben, Krawatten sind adrett – ganz gleich, ob Mann oder Frau, sie lässt einen angezogener aussehen. Ob dieser Streifen Stoff aber in irgendeiner Weise praktikabel ist – wie etwa ein Gürtel, der die Hose an dem Platz hält, wo sie hingehört –, darüber lässt sich nicht streiten. Krawatten geben nun mal nur optisch etwas her.

Louis Vuitton, Fall/Winter 22-23

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Ein Fakt, dem auch Greta Garbo und Marlene Dietrich in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts durchaus etwas abgewinnen konnten. Die beiden Mode-Revoluzzerinnen machten immer schon mit maskulinen Outfits – wie etwa dem Smoking – von sich reden. Und ließen nicht lange darauf warten, sich auch die – sonst den Männern vorbehaltene – Krawatte um den Hals zu binden. Greta Garbo hat sie ganz feminin mit einer weißen Bluse zu einem schmalen Kostüm aus feinem Tuch kombiniert. Die Dietrich hat sich die Krawatte hingegen einfach frech um ein aufgeknöpftes, weich fließendes Hemd gelegt und dazu ihre legendäre, weite Marlene-Hose getragen.

Doch schon um 1900, also vor den beiden Filmdiven, haben Frauenrechtlerinnen gerne zur Krawatte gegriffen. Dies geschah nicht aus einem modischen Instinkt heraus, sondern sie unterstrichen damit ihr Ansinnen auf Gleichberechtigung von Mann und Frau. Galten doch Krawatten als Symbol der Männlichkeit schlechthin. Brav und sittsam hat auch Madonna ihre ersten Krawatten-Versuche zur weißen Bluse hingelegt. Während ihrer legendären MDNA-Tour im Jahre 2012 kombinierte die Queen of Pop ebenfalls weite Marlene-Hosen dazu. Und natürlich eine Korsage von Jean-Paul Gaultier – ein legendäres Bühnenoutfit wurde geboren.

Jil Sander, Fall/Winter 22-23

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So trägt man sie heute Rein modisch war die Krawatte dann bei den Damen in der Versenkung verschwunden. Umso glorreicher das Comeback bei den diesjährigen Fashion-Shows. Kenzo, Dior, Louis Vuitton, Gucci & Co. haben das Stück Stoff wieder für sich entdeckt und schickten die Models reihenweise damit über die Laufstege von Paris, Mailand und New York. Wobei alle möglichen Tragevarianten erlaubt sind. Sei es nun – wie bei Chanel – auf nackter Haut, zu schwarzem Tweed oder mit Blumenprint unter dem XL-Hemdkragen und goldener Brokathose à la Kenzo, die Krawatte mutiert zum It-Accessoire der Saison. Dior und Thom Browne binden den Damen von Welt die Krawatte zum klassischen, grauen Kostüm um. Ein Look, der durchaus alltagstauglich ist.

Thom Brown, Fall/Winter 2022

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Das mit der Alltagstauglichkeit finden auch immer mehr Stars und Influencer, weshalb sich das It-Piece zum Accessoire der Stunde mausert. En privè hebt eine breite Seidenkrawatte für den klassischen Damen-Smoking in eine neue Modedimension. Schmale Krawatten werden hingegen sehr lose gebunden, ein Party-Highlight zu metallisch-bunten Lederhosen. Tagsüber im Office trägt man sie Ton-in-Ton mit dem Hemd oder unter einem Gilet.

US-Schauspielerin Laura Dern mit Krawatte bei einer Ralph Lauren-Show

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Wie alles begann Wer kam eigentlich auf die Idee, uns dieses Stück an den Hals zu wünschen? Farblich zu ihrer Uniform passend haben übrigens auch die kroatischen Reiter ein Stück Stoff um ihren Hemdkragen zur Schleife gebunden. Ein Detail, das König Ludwig der XIV. im Rahmen einer Truppenparade 1663 so gut gefiel, dass die Cravate (abgeleitet von Kroate, Anm.) fixer Bestandteil seiner eigenen Garderobe wurde. Auch der Adel fand Gefallen an dem Accessoire des Königs und so wurden vermehrt Halsbinden, Jabot und Schleifen getragen. Die Vorläufer der Krawatte waren aus erlesensten Stoffen und nur der oberen Gesellschaftsschicht vorbehalten und galten als Statussymbol.

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Die Krawatte, wie wir sie heute kennen, hat ihren Ursprung in Schul- und Vereinsuniformen Englands, allen voran der Universität Oxford. Und spätestens als Prinz Edward um 1920 herum mit seinem lässigen Style und den locker gebundenen Krawatten zum Modevorbild wurde, wollte sie jedermann tragen. Ein Mann mit Krawatte war das Sinnbild für Erfolg und Zugehörigkeit.

RetroGanz im Style von Schuluniformen schickte Kenzo die Models mit Krawatte und  Baskenmütze über den Runway.

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Heute ist bei der Wahl der Krawatte ein unerschöpfliches Repertoire vorhanden. Es gibt unterschiedlichste Materialien, Farben und Muster. Und auch unzählige Möglichkeiten, sie zu binden. An die 200 Varianten soll es geben, welche man verwendet, ist eine Frage des Geschmacks und Könnens. Der Vollständigkeit halber hier noch die vier bekanntesten Knoten: Four-in-Hand, halber und voller Windsorknoten, Pratt-Knoten und Grantchester-Knoten. Da könnte man demnächst mal prüfen, ob der Liebste die Kunst des Krawattenbindens beherrscht, wenn man sich seine ausleiht.

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