Couple on the beach with retro bike

Suche nach der Sommerliebe: Fünf Dates in fünf Tagen - so lief es

Turbo-Dating als Selbstversuch, mit Höhen und Tiefen, echten und falschen Profilen - und einem überraschendem Finale

Wo ist sie nur, meine Sommerliebe? Während andere es nicht nur wegen der hohen Temperaturen heiß haben, herrscht bei mir absolute Liebesflaute. Dabei bin ich doch gar kein Schreckgespenst, sondern Sabine, eine junge Frau mit 30 Jahren, seit einigen Monaten Single, ich lebe in einer kleinen aber feinen Mietwohnung in Wien-Neubau, bin quietschlebendig, etwas klein aber schlank, kommunikativ und vor allem: bei jeder Party dabei. Ich trage am liebsten schöne Kleider, achte auf mein Äußeres, bin hilfsbereit und verdiene mein eigenes Geld als Assistentin des Geschäftsführers eines größeren Betriebs in Wien. Pro Woche lerne ich sehr viele neue Menschen kennen, wahrscheinlich sind es immer einige Dutzend.

Trotzdem habe ich in der Liebe einfach kein Glück. Immer wieder surfe ich durch die Datingapps und treffe gelegentlich den ein oder anderen, aber eigentlich nervt es mich. Weil der Weg dorthin oft sehr mühsam ist: Erst ein Match, dann ein "hi", vielleicht noch ein "Wie gehts?" und nicht selten ist dann wieder Funkstille. Wieso matcht man sich dann eigentlich? Andererseits ist abends in den Clubs und Bars der Stadt auch nicht wirklich Interessantes dabei, und selbst wenn, kommt immer die gleiche Leier des Herantastens, Beschnupperns, um am nächsten Tag meist nichts mehr voneinander zu hören.

Doch so kann es nicht weitergehen. Ich nehme mir vor, meine Sommerliebe als Projekt zu sehen, aus der vielleicht (hoffentlich!) doch mehr werden könnte. Und dafür braucht es einen Plan. Es kann doch nicht so schwer sein: Wenn ich jeden Tag jemanden date, wird doch wohl ein "Magic Match" dabei sein. Als ich diesen Selbstversuch starte, weiß ich noch nicht, wie turbulent die Tage darauf sein würden, und welche Überraschung ich im Finale erleben würde.

Date 1: Der Ja-Sager

Ich aktiviere mein inzwischen stillgelegte Tinder-Profil, setze vier Bilder ein und als einzige Info, dass ich an einer Fachhochschule in Wien studiert habe. Ich habe keine Lust, mir einen besonderen Slogan oder ein Motto einfallen zu lassen, und fühle mich wie ein Stück Fleisch, das präsentiert wird. Zwei Stunden später: 600 Likes, erneut zwei Stunden später: 1400 Likes, davon 34 Matches. Ich bin ziemlich beschäftigt, die vielen Profile durchzuschauen und bin bei so manchem "Wisch-und Weg" recht unkonzentriert. War da vielleicht die große Liebe dabei? Pech gehabt! 

Aus nur zwei der 34 Matches entwickelt sich ein Chat, beide Male wurde ich angeschrieben. Bei sämtlichen anderen, bei denen zuerst ich geschrieben habe, kommt keine Antwort. Ghosting! Eine Frechheit! Einer der beiden Chatpartner ist sympathisch, auch auf den Bildern, er heißt Jürgen, ist 34, er fragt sofort ob wir uns auf einen Drink treffen. Ich mache Nägel mit Köpfen, wir verabreden uns für den Abend. Im Nachhinein werde ich mir denken, dass solche spontanen Aktionen doch nicht immer gut sind. In echt gefällt er mir nämlich so gar nicht, dennoch sind wir zwei Stunden lang am Donaukanal unterwegs. Wir setzen uns in eine Bar, er langweilt mich schrecklich, und ich frage mich, wie ich möglichst schnell dieses Treffen beenden kann. Für ein Aufstehen und Gehen bin ich zu höflich. Was mich am meisten stört: Er stimmt mir in allem zu, obwohl er zuvor andere Ansichten hatte. Zum Beispiel wenn es um Urlaub geht: Zuerst hasst er die Berge, aber als ich sage, gerne wandern zu gehen, ist er plötzlich der größte Berg-Fan. Oder als wir über Computerspiele reden: Zuerst findet er sie doof, und als ich erzähle, dass ich hin und wieder spiele, ist er auf einmal begeistert. Zuerst finde ich das mühsam, dann lustig. Ich ziehe ihn damit auf, was er witzig findet, wir lachen, der Abend ist also nicht ganz verloren. Meine Nummer will er haben, doch er bekommt sie nicht. Einige Stunden später schreibt er mich daher nochmals auf Tinder an. Ich antworte nicht mehr.

Date 2: Der Künstler

Weitere 2640 Likes auf meinem Profil, 43 neue Matches. Oh wow, guten Morgen! Ich wische mich durch die Chats und Fotos, ein gewisser Moritz textet mir. Wieder schreiben wir nicht lange herum, sondern verabreden uns. Er ist mein Auserwählter an Tag Zwei. Wir treffen uns spätabends in einer Bar in der Wiener Innenstadt, und ich betone, dass das kein "Bootycall" ist, ich ihn nur kennenlernen will. Er reagiert cool und schon als ich die Bar betrete, sehe ich auf den ersten Blick: Dieser Typ ist anders. Lustig, laut.

Gleich am Anfang erzählt er mir von seiner Nasen-OP, komisch aber funny. Irgendwie ein leichter Abend, die Zeit verfliegt. Wir reden über leichte Themen, Small Talk, ungezwungen. Moritz ist ein Künstler, malt Bilder, hat schöne Zähne und blaue Augen. Mir fast ein bisschen zu hipp aber irgendwie gefällt er mir. Es beginnt zu prickeln, und es bleibt doch nicht beim Bar-Besuch, ich nehme Moritz mit zu mir nach Hause. Er küsst mich leidenschaftlich, ein echt guter Küsser denke ich mir, vor allem dafür, dass wir uns noch nicht gut kennen. Er berührt mich überall am Körper, sucht die Nähe, der Sex ist großartig, ich fühle mich beschwingt, glücklich. Wir schlafen Arm in Arm ein.

Der Tag danach

Die Sonne strahlt schon durch die Fenster, ich blinzle. Moritz ist noch da, es ist 8.30 Uhr. Recht eilig springt er aus dem Bett, zieht sich das Hemd über, stammelt etwas von "Ich muss zur Arbeit" und schon ist er zur Tür raus. Ich atme tief durch und frage mich: Meldet er sich wieder? Nummer hat er keine, aber das Match auf Tinder ist noch da. Die Hoffnung lebt also. Ich öffne die App: Mehr als 3400 Likes und wieder 41 neue Matches. Aber ich habe einfach keine Lust. Es ist ganz schön anstrengend, die ganzen Profile anzuschauen und dann auch noch so viele verschiedene Chats gleichzeitig zu schreiben. Außerdem hänge ich noch dem schönen Abend nach, fühle mich, als würde ich mich auf Tinder "verkaufen". Also schreibe ich nur kurz mit zwei, drei Männern hin und her, vereinbare mit einem von ihnen - Martin - ein Treffen für den nächsten Tag. Und bin froh, heute eine Date-Pause einzulegen.

Das große Tinder-Tief

Mir springt die neue Zahl der Likes entgegen: Schon wieder 4000, und 51 Matches. Uff! Und gerade als ich beginne, mich durchzuscrollen, kommt eine Nachricht von Moritz. Aufregend! Er will sich treffen, doch ich habe keine Zeit dafür. Ich treffe ja heute Martin, mein drittes Date. Das verrate ich ihm freilich nicht. Aber eigentlich hätte ich viel mehr Lust, mich mit Moritz statt Martin zu treffen. Doch was soll's, Selbstversuch ist Selbstversuch. Leider sinkt meine Stimmung in den Keller, je näher das Treffen rückt, desto weniger Lust habe ich darauf. Ich ärgere mich über mein Projekt des Supertinders, es strengt mich schon so an. Martin kann nichts dafür, aber so schlecht gelaunt sollte er mich nicht kennen lernen. Also texte ich ihm und sage eine Stunde zuvor unser Date ab.

Date 3: Der Schüchterne

Neuer Tag, neues Date. Über die vergangenen Tage schon hat er mir immer wieder geschrieben: Patrick, 31. Er sieht auf den Fotos aus wie der nette Kerl von nebenan, süß, auch schüchtern. Aber er bleibt dran, deshalb gebe ich ihm die Chance. Wir treffen uns in einem etwas heruntergekommenen Beisl mit ausgefransten Sofas und großen Ohrensesseln die schon sehr in die Jahre gekommen sind. Patrick ist in echt genau wie auf den Fotos, und wie ich ihn einschätzte. Super nervös setzt er sich zu mir, mit einem unsicheren Dauerlächeln, Blickkontakten weicht er schnell aus. Er arbeitet Teilzeit bei einem Sozialdienst und studiert nebenbei Geographie. Was er eines Tages damit arbeiten will, weiß er noch nicht. Wir plaudern ein wenig, merken aber schnell, dass wir nicht auf einer Wellenlänge sind. Er sollte sich nach dem Date nicht mehr bei mir melden, ich mich bei ihm auch nicht. Das Match löst dennoch keiner von uns beiden auf.

Date 4: Der Affären-Suchende

So ein mieser Zwischenstand! Zwei Reinfälle und einer (Moritz), der mich interessiert, sich aber nicht mehr meldet. Die vielen Matches und Likes auf Tinder machen mich inzwischen fast wahnsinnig. Ich möchte eigentlich gar nicht mehr reinschauen, werde schon leicht aggressiv. Ich habe keine Lust auf einen vierten Mann, möchte diesen Selbstversuch eigentlich abbrechen. So frustriert bin ich!

Da kommt plötzlich eine Nachricht von Moritz: Er hat seine Unterhose bei mir vergessen, möchte sie abholen. Irgendwie freue ich mich darüber, einige Stunden später ist er bei mir zu Hause. Eigentlich will ich mit ihm auf einen Drink gehen, doch dazu sollte es nicht kommen. Wir plaudern ein wenig, recht oberflächlich und nach einer halben Stunde landen wir im Bett. Die Ernüchterung: Der Sex ist leider nicht so großartig wie beim ersten Mal. Außerdem habe ich mir etwas mehr erwartet, als zwei Stunden lang nur Small Talk und Sex. Auch mit den Komplimenten war es plötzlich vorbei, es ging nur noch um die schnelle Nummer. Das sagt Moritz plötzlich auch: Er suche eigentlich keine richtige Liebe, sondern ein Abenteuer. Freundschaft-Plus vielleicht. Nervt mich tierisch! Hätte er mir eher sagen können. Aber immerhin ist er ehrlich.

Date 5: Das überraschende Finale

Es ist echt ernüchternd: Stundenlang schreibe ich mit Männern, aus nur wenigen Matches entsteht überhaupt ein Chat. Und von den wenigen, die ich tatsächlich treffe, lässt sich niemand wirklich etwas einfallen. Meist schlage ich den Treffpunkt vor, es ist immer nur ein Drink oder ein Spaziergang, man hat das Gefühl, bei dem vielen oberflächlichem Geplauder ist nur Sex das Ziel. Ich fühle mich ausgenutzt, leer, müde. Sommerliebe 2022, ein totales Fail. So geht es jedenfalls nicht. 

Voller Enttäuschung lösche ich die App und verabrede mich mit meinen Nachbarn in einer Gay-Bar. Dort werde ich nicht blöd von der Seite angequatscht, denke ich mir. Wird mir gut tun nach diesem Tinder-Wahnsinn der vergangenen Tage. Wir stehen an der Bar, trinken unsere Gin Tonics, lachen viel, haben Spaß. Plötzlich sagt eine Stimme hinter mir: "Kennen wir uns nicht irgendwoher?" Ich drehe mich um, bin mir nicht ganz sicher. Der junge Mann kommt mir bekannt vor, aber ich weiß nicht wieso.

Wir kommen ins Gespräch, er heißt Julian, erzählt, er sei 27 und auf der Suche nach einer Partnerin. Warum kommt er dann in eine Gay-Bar, frage ich mich. Als würde er meine Gedanken lesen können, sagt er: "Ich bin mit Freunden da, die gerne hierher kommen. Aber du suchst ja auch einen Mann, oder?" Ich lache, er auch. Dann erzählt er mir, er hätte noch nie eine Beziehung geführt, und plötzlich klingelt es bei mir. "Nein!", rufe ich laut aus, drehe mich zu meinen Nachbarn, die mich fragend ansehen. "Wir kennen uns von Tinder!" 

Julian war eines der Hunderten Matches und einer der Dutzenden Chats, die ich verdrängt hatte. Ich fand es seltsam, wenn mir jemand in seinem Alter sagt, noch nie in einer Partnerschaft gewesen zu sein. Rote Flagge? Vielleicht. Ich rufe den Chat auf und lese nach. Er hätte ewig keinen Sex gehabt, schrieb er auf die Frage was er hier denn genau suche. Für mich klang das danach, als wäre auch er nur auf die schnelle Nummer aus, und hätte kein Interesse an mir als Person. Also antwortete ich nicht mehr.

Plötzlich steht er aber vor mir, absurderweise in einer Gay-Bar, und: Er gefällt mir! Sein Lächeln ist süß, wir berühren uns flüchtig, beschließen, noch in eine andere Bar weiterzuziehen - alleine, ohne unsere Freunde. Auf der Straße nimmt er meine Hand, zieht mich in eine Toreinfahrt und küsst mich. Ich komme mir vor wie ein verliebter Teenager. Er kann richtig gut küssen, ich schmelze dahin. Zwei Mal fragt er, ob er auf meiner Couch übernachten könne, ich lehne ab. Es ist zu spät und die Erinnerung daran, dass er vielleicht nur Sex sucht, törnt mich ab. Ich lasse ihn stehen, schnappe mir das nächste Taxi und rufe ihm zu, mich zu melden. Vielleicht treffe ich ihn wieder, entschieden habe ich mich noch nicht.

Mein Fazit des Super-Dating-Selbstversuchs: Tinder ist super für viele, schnelle Bekanntschaften. Aber es ist auch sehr anstrengend. Wer es konsequent macht, hat eine klitzekleine Chance auf die große Liebe. Die Anzahl der Matches ist jedoch nicht bewältigbar und die Ernüchterung über stockende Chats ist groß. Für das schnelle Abenteuer werde ich die App wohl wieder installieren. Inzwischen aber suche ich Bekanntschaften wieder auf dem traditionellen Weg: offline.

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