Sexfasten: So positiv wirkt der Koitusverzicht auf die Lust

Einige Wochen gar kein Sex - und das ganz bewusst: Warum das speziell für Langzeitpaare wunderbar sein kann.

Sexuelle Abstinenz: Das klingt auf den ersten Blick nicht so prickelnd. Sex-Fasten scheint in gewissen Kreisen trotzdem gerade im Trend zu liegen, wie zum Beispiel bei Kourtney Kardashian und ihrem Verlobten. Die beiden kombinierten angeblich eine Ayurveda-Kur mit einer erotischen Auszeit. Dem Frühstücksbrei folgte also kein entspanntes Morgen-Löffelchen, stattdessen gabs Ölmassagen und Meditation.

Aber bringt’s der phasenweise Verzicht auf Sex tatsächlich? Unter bestimmten Gesichtspunkten sehr wohl. Da kommt es zunächst auf die Haltung und Motivation an. Sexfasten, nur weil’s alle machen, ist sinnlos – etwas, das man sich auferlegt, um nur „dabei“ zu sein. Da fehlt der sinnvolle Hintergrund, so tut das niemandem gut. Zumal Sex nicht nur schön, sondern auch gesund ist und zutiefst entspannt. Außerdem ist er – im besten Fall - Ausdruck von Liebe.

Doch speziell in Langzeit-Beziehungen kann es durchaus sinnvoll sein, ganz bewusst eine Zeitlang keinen Geschlechtsverkehr zu haben, um die Lust neu zu definieren und wiederzuerwecken. Etwas, das manchmal auch im Rahmen einer Sexualtherapie eingesetzt wird, um auf anderen Ebenen Intimität zu erleben, jenseits des üblichen Rein-Raus. Dann können Partner einander auf neue Weise kennenlernen und nah sein – das Kuscheln, Streicheln und Umarmen hat eine spezielle Qualität. Der Facettenreichtum von Intimität wird so erlebbarer, es werden unterschiedliche Möglichkeiten und neue Erlebnisräume eröffnet. Außerdem fällt der Performancedruck weg, der mit Sexualität ja auch sehr häufig verknüpft ist. Endlich „muss“ nix mehr, keine Horuck-Lust, schnell-schnell nach einem langen Arbeitstag.

Das gemeinsam vereinbarte „Nein“ kann eine Zeitlang sehr entlastend wirken – so wie das echte Fasten auch. Ähnlich wie Handyfasten oder „Lärm-Fasten“, im Sinne eines Rückzugs in die Stille. Daher geht’s auch beim "Sex-Detox" um bewusstes Wahrnehmen: Was macht es mit mir, wenn ich mich nicht gleich auf den anderen stürze und ruckzuck Richtung Orgasmus hechle? Was tut der Verzicht mit meiner Seele und meinen Gefühlen? Wie und wo spüre ich meine Sehnsucht – und definiert sich dadurch der Blick auf die Partnerin/den Partner neu? Im besten Fall führt der Verzicht zu mehr Verlangen, einer vertieften Sehnsucht, einem erneuerten Blick und zu enormer Vorfreude. Sodass das „sexuelle Fastenbrechen“ als besonders intensiv und genussvoll erlebt werden kann. So ein Glück!

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Das Verlangen steuern

Zum Sexfasten gehört auch dazu, nicht zu masturbieren. Und schon sind wir beim nächsten Punkt – nämlich der bewussten Entscheidung für Verzicht, im Sinne eines „Das will ich, das ziehe ich jetzt durch“. In einer Welt, in der Sex so omnipräsent und verfügbar ist, eine spezielle, aber umso spannendere Herausforderung, die an eigene Grenzen führen kann. Genau das macht sie so interessant: Wie sehr kann ich mein Verlangen steuern? Wie sehr bin ich Herr/Frau meiner Sinne? Habe ich mich gut im Griff? Ein spannendes Selbsterfahrungs-Experiment also, das einem viel über sich als begehrender Mensch erzählen kann – da mehr zu wissen, schadet nie.

Zumindest aus Sicht der traditionellen fernöstlichen Medizin kann zeitweiliger Verzicht – vor allem für Männer und das wiederum betrifft die Ejakulation – sehr gesund sein. Weil übermäßige sexuelle Betätigung (also Ejakulation bei ihm und Orgasmus bei ihr) schwächend wirken können. Demnach würde sexuelle Ausschweifung zu gesundheitlichen Problemen führen. Totaler Sexverzicht wird dennoch nicht empfohlen, weil ein Mangel auf Dauer ebenso nicht zuträglich ist. Was aber stattdessen?

Dem „Klassiker des einfachen Mädchens“ folgend, eine „Ejakulationsempfehlung“, abhängig vom Alter des Mannes. Während ein 20-Jähriger noch alle vier Tage „kommen“ darf, sind es beim 40-jährigen Mann nur noch alle 16 Tage. Ab 60 ist ein Samenerguss lediglich alle 30 Tage zu empfehlen. Auf sexuelles Erleben zu verzichten, bedeutet das aber nicht – im Gegenteil. Vielmehr geht es darum, Sexualität so zu beherrschen, dass es selten oder kaum zum Samenerguss kommt. Eine Kunst, die erlernt werden kann und zu besonders intensiven Orgasmen führt, die im ganzen Körper zu spüren sind. Eine Frage der Übung, die sich lohnt. „Es heißt, dass Dr. Ma Yinchu, der verstorbene Direktor der Beijing-Universität, Wert darauf legte, jede Nacht Sex zu haben. Trotz all seiner Qualen während der kommunistischen Herrschaft, starb er erst mit 105 Jahren als gesunder Mann“, steht im Buch „Chinesische Heilgeheimnisse“ von Henry B. Lin.  Angeblich war er ein großer Meister der „beherrschten Sexualität“.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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