Schön langsam: Warum Achtsamkeit beim Sex 2023 so im Trend liegt

Achtsamer Sex ist einer großen Umfrage zufolge ein zentraler Trend des neuen Jahres. Gut so. Weil wir damit lernen, den Körper intensiver zu erfahren.

Wenige Wochen ist das neue Jahr erst jung, da darf man schon noch fragen, was mit dem Sex jetzt so los ist. Was kommt, was geht, was steht an?

Das erzählen uns rund um die Jahreswende meist die großen Player der „Sexual Wellness-Industrie“, wie etwa die „Lovehoney Group“. 22.000 Menschen aus insgesamt 15 Ländern wurden im Auftrag des Unternehmens für eine Studie befragt, in der es darum ging, die neuesten Sextrends herauszuarbeiten. Die Ergebnisse sind insofern erfreulich, als sich die Menschen offenbar besinnlichen. Richtig, ein Wort, das nicht im Duden steht, aber egal. Für mich drückt es etwas sehr Wesentliches und Willkommenes aus: die Besinnung auf die Sinne und Sinnlichkeit. Das vor allem schön gemütlich, also langsam und bewusst. Denn einer dieser fünf Trends heißt „Sexual Mindfulness“, übersetzt: Achtsamkeit beim Sex. Sie gilt als Antwort auf das ganze Ruckzuck-Schnellschnell, das die vergangenen Jahre allseits in der Luft lag und uns mehr und mehr den Atem raubte.

Viele Menschen haben die Reizüberflutung satt – es reicht an schlechten Nachrichten, an To-dos, an Social-Media-Postings, an Befindlichkeiten, an Multitasking, an Leistungsirrsinn, an Hetzerei, an Partygetümmel, an Dating-Wahnsinn und an schnellem oberflächlichen Sex. Viele sehnen sich nach Momenten der Leere, nach Pausen zum Durchatmen. Nach einer Art Nullpunkt, an dem nichts geschieht, man nirgendwo und vor allem nichts sein muss, außer man selbst, im Sinne von Echtheit und Authentizität. Welcher Ort eignet sich dafür besser als das Liebesleben – ob mit oder ohne Partner? Stimmt, der Begriff „Achtsamkeit“ ist jetzt auch nicht mehr der frischeste und wird mitunter inflationär gebraucht. Man kocht achtsam, man duscht achtsam und sitzt achtsam tippend zwölf Stunden am Laptop. Viele verbinden damit schicke Yoga-Accessoires, Räucherstäbchen-Runden und langsam geschlürften Kräutertee.

Doch in Wirklichkeit geht es um so viel mehr. Um eine Lebenshaltung nämlich, und – in puncto Sexualität – um eine Liebeshaltung. „Achtsamkeit ist die stille, liebevolle, wertfreie Wahrnehmung dessen, was gerade ist, und weniger dessen, was sein sollte. Gleichzeitig ist sie eine innere Haltung, die wir uns mit der Zeit und zunehmender Praxis zu eigen machen können und die uns diese besondere Art der Wahrnehmung ermöglicht“, schreibt die Expertin Susanna-Sitari Rescio im Buch Sex & Achtsamkeit: Sexualität, die das ganze Leben berührt.

Im Hier und Jetzt verankert

Achtsamkeit hat vor allem mit der Fähigkeit zu tun, im Hier und Jetzt verankert zu sein. Körper und Atem spielen eine bedeutende Rolle, weil wir mit ihrer Hilfe lernen, mehr mit uns in Kontakt zu kommen, um uns intensiv zu spüren. „Achtsamkeit bedeutet auch, sich Zeit zu nehmen, den Lebensrhythmus zu verlangsamen, weniger zerstreut zu sein und mit Bedacht auszuwählen, was wir wirklich wollen und brauchen.“ Oh ja, das kann nicht schaden, wenn es um die Lust geht. Wer achtsam liebt, entschleunigt. Und die Pause zwischen Reiz und Reaktion ermöglicht wahrzunehmen, was ist: die Wärme im Körper, die Art und Weise der Erregung, das Tempo des Atems, aber auch, ob das, was geschieht, richtig für uns ist. Wir nehmen uns selbst, aber auch die Partnerin oder den Partner, gut wahr. So kann viel Schönes passieren – einfach so. „Sexualität ist in ihrem Wesen eher ein Zulassen als ein Machen. Dabei geht es weniger darum, jemand anderem Lust zu verschaffen, als vielmehr selber dafür offen zu sein, dass Lust geschehen kann“, schreibt Rescio und beschreibt so den Zauber von achtsamem Sex.

Noch ein Trend

Laut dem Sextoy-Hersteller „Lelo“ ist 2023 „Solo-Polyamorie“angesagt. Der Begriff steht für ein Beziehungsmodell, das sich von der „klassischen“ heteronormativen Denkweise löst. Heißt, dass  Menschen mehrere sexuelle oder romantische Beziehungen mit unterschiedlichen Partnern gleichzeitig.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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