Obsessiv und abgründig: Warum Erotikromane boomen

Sex-Bücher mit schlichten Titeln und seltsamem Inhalt liegen im Trend. Nicht alles davon ist schlecht – und das Publikum mag’s, als aufregende Alternative zum Schlafzimmer-Alltag.

Klischees, böse Klischees! Darüber schimpfen manche Menschen gerne und verwandeln – ganz genderbewusst – „Personen“ in „PersonInnen“. Soll so sein – doch dann stöbert man online im Genre „erotische Romane“ und beginnt über das enorme Klischee-Konglomerat zu staunen. Irgendwo da draußen muss es also Leute geben, die bei Büchern wie „Im Parkhaus ungeschützt zugeritten: Vom erfahrenen Mann hemmungslos benutzt“ zugreifen. Und andererseits jene, die sich solche G’schichteln einfallen lassen, in dem Fall: Junge Frau steht auf reifen, reichen Unternehmer, - „ehe sie sich versieht, sitzt sie auf seinem Schoß und lässt sich auf ein gewagtes Abenteuer ein, welches ihr eine ganz andere Art der Ektase beibringt.“ Aja. Noch so ein Meisterstück aus dem beliebten Genre „Dark Romance“, dessen Erfolgsformel so lautet: „Faszinierend, gefährlich, abgründig, düster, jenseits der gängigen Moral.“ Klingt nach einem simplen Strickmuster, zu dem ich in der Sekunde drei mögliche Buchtitel aus dem Ärmel schütteln könnte, sogar mit fescher Alliteration: „Obsession im Opernhaus“, „Abgrund am Arbeitsplatz“ oder „Fesselnde Fiakerfahrt.“

Erfolgreiches Genre

Da kann’s passieren, dass man die eigene Berufswahl hinterfragt: Warum, zum Teufel, checke ich die schlampige Buchhaltung anderer Leute, wo ich mit Erotikromanen reich werden könnte? Nun, so einfach ist das auch wieder nicht, außer die Sterne stehen supergünstig und man trifft mit seinem Thema die Spitze der aktuellen Sexual-Bedürfnispyramide. Wie etwa seinerzeit E. L. James mit ihrem „50 Shades of Grey“, von dem es, hm, wie viele Spin-offs gibt? Ich weiß es nicht. Was ich schon weiß: Dass das Genre erfolgreich und beliebt ist.

Auch wenn die Werke mitunter von einer bedrückend literarischen Armut sind, dass man den AutorInnen am liebsten einen lebenslangen Schreibkurs spendieren würde und eine Klinikpackung Anti-Klischee-Tropfen. Die literarische Vorliebe bleibt dennoch unbestritten, das wurde sogar wissenschaftlich untersucht, am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik. Da wurden u. a. die Gründe dafür beleuchtet. Die Mehrheit der Befragten waren heterosexuelle Frauen in festen Beziehungen mit überdurchschnittlichem Bildungsniveau, zwischen 20 und 40. Die meisten von ihnen gaben an, erotische Romane zur Ablenkung zu lesen. Gefühle von Leichtigkeit wurden als Motivationsgrund genannt. Die sexuelle Explizitheit der Romane und ihr Potenzial, Orientierung im eigenen Leben zu geben, spielten ebenfalls eine Rolle. Spannend: Viele der Studienteilnehmerinnen empfanden erotische Romane, zumindest zu einem gewissen Grad, als emanzipiert, feministisch und progressiv.

An dieser Stelle ein kurzer Blick auf die aktuelle „Bestseller“-Liste eines bekannten Online-Bücherdealers. Auf Platz 4 der Titel "Zur willigen Zuchtstute erzogen", auf Platz 11 das Werk "Auf die Knie, Schlampe!", auf Platz 33: "Smoke. Du bist sein Besitz" von der Autorin J. S. Wonda. Klappentext: "Auf einem Road Trip in die Prärie Montanas stoßen Cinder und ihre beste Freundin Ivy in einem altmodischen Saloon auf Smoke. Er wirkt unnahbar, düster, anziehend und überaus gefährlich. Allen Warnungen zum Trotz stiehlt Cinder sich einen Kuss von ihm. Die eifersüchtige Ivy lässt ihre Freundin daraufhin im Stich, sodass Cinder auf Smokes Hilfe angewiesen ist. Am nächsten Morgen wacht sie in seinem Haus auf. Die Hände gefesselt. Und sie begreift, dass ihr Albtraum erst begonnen hat ..."

Da kann ich mich nur mit Shakespeare beruhigen, wie schon so oft: „Eine schmutzige Phantasie ist ein ewiges Fest.“ Bin mir dabei aber nicht immer sicher.

Aufklärung.

Körperwissen und sexuelle Bildung sind von Beginn an wichtig, um Kinder zu stärken. Wie Eltern ihre Kinder altersgerecht in ihrer sexuellen Entwicklung begleiten,  ohne sie zu überfordern, sie aber auch schützen – das hat die Sexualpädagogin Magdalena Heinzl  in ihrem Buch „Was kribbelt da so schön?“ zusammengefasst. Sie gibt 80 Antworten auf neugierige Kinderfragen. Erschienen im Verlag Beltz, 20 €

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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