
Kink, Konsum, Kultur: Die verborgene Macht des Fetischs
Fetisch ist mehr als Sex: Er steckt in Mode, Marken und Must-haves. Anastasiia Fedorova zeigt, wie Begehren, Kink und Kapitalismus ineinandergreifen.
F wie Fetisch: Damit assoziieren viele Menschen immer noch ein bisserl was Perverses. Man denkt an Leute, die an gebrauchten Slips schnuppern oder nur durch den Anblick von Füßen erregt werden. Die erst durch das Lecken von High-Heels, das Spiel mit Handschellen oder das Tragen hautengen Latexzeugs so richtig in Fahrt kommen. Statistisch gesehen ist Fußfetischismus der häufigste.
Rund 30 Prozent der Männer geben an, schon fetischistische Fantasien gehabt zu haben, bei Frauen sind es weniger. Fetisch ist relativ weit verbreitet, aber nur selten problematisch. Erst wenn Leiden und eine allzu große Fixierung auf ein Objekt entsteht, spricht man von „Störung“. Rein psychologisch betrachtet handelt es sich also schlicht um eine von vielen Facetten sexueller Vorlieben und Spielarten. Die Vielfalt des Verlangens. Außerdem ist Fetisch überall: Was früher als „abweichend“ galt, ist heute roter Teppich. Mainstream. Kim Kardashian schwebte im hautengen, schwarzen Ganzkörper-T-Shirt zur Met Gala, Lady Gaga trug Gimp-Maske, Rihanna hat Fetisch längst zum Fashion-Statement gemacht, samt Korsett, Harness und High Heels, bei denen man nicht weiß, ob sie zur Show oder zu einer Session gehören. Und da wäre noch Madonna, die man schon mal im Dienstmädchen-Outfit aus Leder sah.
Fetisch: ein Mainstream-Thema?
Was das bedeutet und über die Menschen sagt, hat die Autorin Anastasiia Fedorova in ein spannendes Buch gepackt: „Second Skin“. Darin entmystifiziert sie den Fetisch, nicht als Tabu, sondern als Spiegel von Macht, Mode, Begehren und Identität. Ihr Grundgedanke: Wir alle sind ein bisschen fetisch-fixiert. Ob auf Latex oder Lederschuhe, Autos oder Marken, weiße Hemden oder die spezielle Ausstrahlung einer neuen Luxushandtasche.
Fedorova, aufgewachsen im postsowjetischen Russland, verknüpft in ihrem Buch persönliche Erfahrungen mit kulturhistorischer Recherche. Ihre These: Fetischismus ist nicht nur ein sexuelles Thema, sondern auch ein ökonomisches. Zwischen Marx und Freud, zwischen Prada und Pet Play verläuft eine unsichtbare Linie: der Wunsch, ein Objekt zu besitzen, zu spüren, zu inszenieren. Fedorova zeigt aber noch etwas anderes: Wie stark queere Communitys Fetischkulturen geprägt haben und wie die Modeindustrie deren Ästhetik heute oft kopiert, ohne die Geschichten dahinter zu erzählen. Pride-Paraden mit Leder-Daddys und Gasmasken werden plötzlich als „zu viel“ empfunden – während dieselben Outfits bei Balenciaga bejubelt werden.
Rund 30 Prozent der Männer geben an, schon fetischistische Fantasien gehabt zu haben, bei Frauen sind es weniger. Fetisch ist relativ weit verbreitet, aber nur selten problematisch. Erst wenn Leiden und eine allzu große Fixierung auf ein Objekt entsteht, spricht man von „Störung“.
In Interviews mit Künstler:innen, Dominas und Aktivistinnen fragt Fedorova: Was macht ein Objekt zum Fetisch? Und was macht der Fetisch mit uns? Manchmal ist es einfach das Gefühl, Latex auf der Haut zu spüren oder sich mit einer Gimp-Maske aus dem Alltag zu beamen. Manchmal ist es auch der Wunsch, Kontrolle abzugeben. Oder sich neu zu erschaffen. „Sexualität war für mich immer eine Möglichkeit, mich neu zu erfinden“, sagt Fedorova. „Fetisch hat mir geholfen, meinen Körper zurückzuerobern.“ Am Ende stellt sie die zentrale Frage: Wenn Fetisch auch Selbstermächtigung sein kann – warum dann das Schweigen und Pathologisieren? Warum schämen wir uns für das, was uns Lust bereitet – sei es ein Lackstiefel, ein Haargummi oder ein imaginärer Geruch?
Vielleicht, so Fedorova, brauchen wir gar keine große Analyse – sondern einfach ein bisschen mehr Mut zur Ehrlichkeit. Denn Fetisch ist nicht nur etwas, das man sich überzieht. Es kann verwandeln und etwas symbolisieren, als zweite Haut aus Erinnerung, Fantasie und Begehren. Und die tragen wir alle, oft unbewusst – meist auch sehr gerne.
Ciao, Carrie!
Die „Sex and the City“-Nachfolgeserie „And Just Like That ...“ (zu sehen bei Sky) geht mit der aktuell laufenden Staffel zu Ende, jetzt ist Schluss. Hauptdarstellerin Sarah Jessica Parker betrauerte via Instagram das Ende ihrer Serienfigur, der Kolumnistin Carrie Bradshaw. Die Serie „Sex and the City“ wurde Ende der 90er-Jahre zu einem gefeierten Serien-Welterfolg mit Schauplatz New York.
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