Sexual Breathing: Mit Hilfe des Atems zum intensiven Orgasmus

Seufzen statt lautem Hecheln und Stöhnen: Warum die richtige Atemtechnik zu mehr Lust und Erregung führt und Übung die Meisterin macht. Eine Anleitung zum Glücklichsein.

Einatmen. Ausatmen. Und wieder ist ein Jahr vorüber. Zeit, loszulassen, heißt es in diesen Tagen oft. Man schickt Wünsche fürs Neue ins Universum und das Alte zum Teufel. Zum Beispiel den Stress. Die Wut. Diesen unzuverlässigen Typen. Eine Affäre, die nur mehr nervt. Oder Verhaltensweisen, die überflüssig geworden sind.

An dieser Stelle fällt mir dieses schöne Gespräch ein, das ich vor einiger Zeit mit Josefine Roß geführt habe. Die 37-Jährige Hamburgerin hat sich auf Atemarbeit spezialisiert, im Allgemeinen wie im Speziellen. Mit „speziell“ ist Sexual Breathwork gemeint, als Methode um das eigene Liebesleben zu pimpen. Roß’ Zielgruppe sind – zunächst – Frauen. Womit wir beim Thema „Stöhnen“ wären. Wie Untersuchungen zeigen, ist lautstarkes weibliches „Ah & Oh“ nicht zwingend der Beweis für exzessiv empfundene Lust. Eher mehr denn weniger geht es darum, den Akt zu beschleunigen – oder zu gefallen. Klingt desillusionierend, ist aber erlernt. Josefine Roß kennt das: „Vielfach wurden wir mit Pornos sexuell sozialisiert. Und in denen stöhnen die Frauen immer sehr heftig, weil sie erfahren haben, dass Lautstärke wichtig ist.“ Performance statt Fühlen. Was dabei verloren geht, ist Authentizität. Das Echte, die Wahrheit, in die wir uns fallen lassen und alles zulassen können. 

Exakt das ist die Idee des „Sexual Breathing“: Es soll Frauen helfen, wieder mehr Körpergefühl zu bekommen, Verspannungen zu lösen, aber auch bewusst in den Körper und in das Becken zu atmen. Je tiefer, desto besser. Weil intensives Atmen Sauerstoff erzeugt und damit stark durchblutet – ein ultimativer Kick für die Erregung. 

Beim Sex zu kurzatmig

Roß widerspricht dem Hechel-Hype: „Es ist eher ein sanftes Stöhnen und Seufzen, das unser Nervensystem entspannen lässt. Viele Frauen sind auch beim Sex viel zu kurzatmig oder halten die Luft an.“ Doch erst mit der Entspannung kommt der Genuss. Und das Fühlen des eigenen Körpers. 

Exakt das ist die Idee des „Sexual Breathing“: Es soll Frauen helfen, wieder mehr Körpergefühl zu bekommen, Verspannungen zu lösen, aber auch bewusst in den Körper und in das Becken zu atmen. Je tiefer, desto besser. Weil intensives Atmen Sauerstoff erzeugt und damit stark durchblutet – ein ultimativer Kick für die Erregung. Energie wird frei. Diese Art zu atmen kann leise sein und eher unspektakulär. Übung hilft, zunächst in Form von Selbstbeobachtung. Was Roß rät: „Zu schauen, was passiert, wenn ich mit geschlossenen Augen ein- und ausatme. Um zu lernen, in den Bauch, ins Becken zu atmen, weich zu werden, Kontakt aufzunehmen.“ Vielleicht ist da Widerstand, man atmet eine Spur lauter – oder seufzt. Seufzen kann sich herrlich anfühlen – und nach und nach in einen Zustand tiefenentspannter Sinnlichkeit führen. An dieser Stelle wird’s wirklich interessant: „Denn jetzt kann der Impuls eines lauteren Stöhnens folgen.“ Der ist allerdings nicht erdacht, nachgemacht oder erzwungen – sondern kommt von selbst. Endlich Geräusche, die nicht irgendeiner Porno-Performance entsprechen, sondern einem selbst. Und ja: All das funktioniert formidabel ohne Partner. Zumal es zunächst darum geht, sich selbst zu entdecken, statt jemandem zu gefallen und ihn performativ und bühnenreif in seinen Orgasmus zu jagen.

Es kann aber auch recht charmant sein, sich gemeinsam in die Verschmelzung zu atmen, was fast schon tantrische Züge hat. Im besten Fall winkt ein Zuckerl: der Ganzkörperorgasmus. Roß, die ihn selbst schon erlebt hat, schildert das so: „Es zittert durch den Körper, man atmet und atmet, ein inneres Kribbeln entsteht, das sich vom Beckenboden über das Herz bis in die Fingerspitzen und Füße ausbreitet.“ Ein wohliges Gefühl sei das, weniger anstrengend als der klassische Peak-Orgasmus, der nur Sekunden dauert. Vor allem aber hält das Gefühl an, mitunter einen Tag. So betrachtet: einatmen. Ausatmen. Noch tiefer und bewusster. Willkommen 2024.

Männliches Stöhnen

Sie seufzen oder sie sind still: Im Gegensatz zu Frauen sind viele Männer ruhig beim Sex. Experten vermuten, dass das mit der Idee von „Kontrolle“ zu tun hat, eine Art Coolness. Dabei würde es sich lohnen, die eigenen Empfindungen stimmlich auszudrücken. Frauen mögen es, wenn Männer stöhnen – wie die Plattform TikTok zeigt. Der Suchbegriff „Male Whimpering“ (für „wimmern“) hat gigantische Aufrufe.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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