Italienisch oder Französisch: Welche Sprache erotisierender wirkt

Erneut erreichte uns eine Umfrage in Sachen "Sprache und Sinnlichkeit". Was ist animierender: ein gehauchtes "Je t’aime" oder das klingende "Ti amo"?

Am Anfang war das Wort. Vielleicht erreichen uns deshalb immer wieder Umfragen zum Thema "Erotische Sprachen". Und so erfuhren wir auch heuer mit Hilfe der Sprachlernplattform "Babbel", pünktlich zum Valentinstag, welches Land in Sachen "Liebesbooster" linguistisch die Nase vorne hat.

Fantastique, es sind eh wieder die Franzosen. Diesmal mit einer Einschränkung, denn auch das Italienische aphrodisiert. Weil es gleich mehrere Attribute kombiniert: Es hat die höchsten Werte beim Trio "sexy, romantisch, leidenschaftlich". Und sonst? Amerikanisches Englisch gilt als cool, britisches Englisch als höflich, lateinamerikanisches Spanisch als spielerisch, Deutsch als rational und direkt.

An dieser Stelle vielleicht ein kleiner Vergleich aus dem Sexualvokabular: "tailler une pipe" steht im Französischen für "jemandem einen blasen". Der gewisse Unterschied, sprachliche Finesse betreffend, oder? Übrigens: Der Begriff „Sexualvokabular“ heißt auch "Sexualwortschatz", ein Schatz, der so alt ist wie die Menschheit und, so wie der restliche Wortschatz auch, einem steten Wandel unterliegt. 

"Die Ausdrücke und Benennungen waren früher oft von unverkrampfter Deutlichkeit", heißt es dazu in der Sammlung "Sexualität und Sprache" von Eva Maria Rastner (1996). So gab es für "Geschlechtsverkehr haben" einst das "fleischliche vermischen“, "Adamscipfel essen", "die Ladung geben", "knallen" oder "mausen". Heute wohl eher "ficken", "vögeln" oder "bumsen". Im Französischen: "baiser". Im Italienischen: "fottere" oder "scopare".

Vermutlich fehlt es auch dem Sächsischen ein wenig an erotischer Raffinesse, man stelle sich vor, George Clooney öffnet den Mund und sagt: "S Läbn iss gee Bonnihof."

Erotische Dialekte

Aber was genau ist es, das eine Sprache sinnlich klingen lässt? Sicher ist, dass die Melodie eine Rolle spielt. Alles, was „singend“ klingt, scheint eine musikalisch-leichte Anmutung zu haben. Das gilt für das Französische ebenso wie für das Italienische, die Aussprache ist rhythmisch, Vokale werden betont. Das Deutsche hingegen kann sperrig klingen, wie der irische Comedian Dylan Moran, vermerkte: "Wie eine Schreibmaschine, die Alufolie frisst und die Kellertreppe hinuntergetreten wird."

Wobei Deutsch nicht Deutsch ist, das Bayerische wird immer wieder zum "erotischsten Dialekt" gewählt (von den Deutschen, naturgemäß). Pfälzisch hingegen – naja. Da fällt mir nur der Schwank "Sex auf Pfälzisch" ein, der im Netz kursiert: Ein Paar sitzt beim Therapeuten. Der Therapeut fragt: "Was kann ich für Sie tun?“ Der Mann antwortet: "Ei, däde Sie uns beim Sex zugugge? Vermutlich fehlt es auch dem Sächsischen ein wenig an erotischer Raffinesse, man stelle sich vor, George Clooney öffnet den Mund und sagt: "S Läbn iss gee Bonnihof."

Zurück zum Kernthema: Die Sprachwahrnehmung hängt wohl auch mit Assoziationen zusammen, die Menschen zu einem Land haben. Das Frankofone ist mit Romantik, gutem Wein, herrlichem Essen, Liebesfilmen und der Mentalität des Genießers verbunden. Leben und Lieben wie Gott in Frankreich, quasi. Und fast jeder kennt Begriffe wie "Chérie" oder "Amour". 

Was Bella Italia betrifft – da reicht’s, aus dem Roman "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull"  von Thomas Mann zu zitieren. Als Krull vom Hoteldirektor gefragt wird, ob er Italienisch sprechen kann, antwortet die Romanfigur auf Italienisch – übersetzt: "Aber mein Herr, was fragen Sie mich da? Ich liebe diese wunderbare Sprache, die schönste der Welt … Es besteht kein Zweifel, dass die Engel im Himmel Italienisch sprechen." Amore mio! Und dann wäre da noch – Casanova, das Fixierbild des italienischen Liebhabers. Wer mich fragt, wird allerdings ein Plädoyer fürs Spanische hören. Darin schwingt so viel Leidenschaft – pasión.

Podcast-TIPP

In eigener Sache: "Sex & Fragen" heißt der neue Ableger des bekannten Podcasts "Sex & Essen“, in dem Sexualberaterin und Beziehungscoach Nicole Siller mit der Autorin dieser Kolumne, Gabriele Kuhn, regelmäßig über Sexualität, Liebe und Beziehung anhand praktischer Beispiele und Geschichten plaudert. Bisher ging’s um Sex Toys, Affären, Paare und die Lust sowie Verführung.  Reinhören, hier: sexundessen.simplecast.com

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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