Warum man einander zumindest ein bisschen sympathisch sein sollte

Von ehelichen Gemeinheiten und U-Bahnansagen für die Ewigkeit.

Was ist das Geheimnis einer sehr langen Ehe? Die Antwort gleich vorweg: Es gibt kein Geheimnis, denn das ist eine sehr individuelle Paarangelegenheit. Und wer sollte das besser wissen als Helene Klaar, die renommierte Scheidungsanwältin, die regelmäßig in die Abgründe ehelicher Gemeinheiten blickt. Ich bin auf ein Interview mit ihr gestoßen, das sie vor einiger Zeit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung gegeben hat. „Ich sage immer, das Gesetz regelt die Ehe, und da steht von der Liebe kein Wort. Es ist keine Voraussetzung, dass Menschen sich in Liebe verbinden müssen. Nur weil man sich liebt, könnte man auch so zusammenleben. Natürlich, man hält die Ehe leichter aus, wenn einem der andere wenigstens sympathisch ist“, sagte sie.

Aber Geschäftsgrundlage der Ehe sei die Liebe nicht. Sie selbst führt seit vielen Jahren eine Ehe, und natürlich wurde sie in dem Gespräch gefragt, wie sie diese Herausforderung hinbekommen hat. „Wir haben nie geglaubt, dass uns das pure Glück erwartet. Wir haben nicht an die Fernsehwerbung geglaubt, die einem vormacht, wenn man den Kindern nur die richtige Windel umschnallt, tanzen sie Cancan, schreien nie, und man kann wunderbar kochen und hübsch sein und aufregenden Sex haben.“ Außerdem hätten ihr Mann und sie feste politische Überzeugungen und ließen sich niemals gegeneinander aufhetzen.

So dürfte es auch bei der Londonerin Margaret McCollum und ihrem Partner Oswald Laurence gewesen sein, der heute leider nicht mehr lebt. Ihre Liebesgeschichte ging durch alle britischen Medien, weil sie die Menschen berührt. Sie vermisst ihn so sehr, dass sie sich jeden Tag auf die Bank in der U-Bahnstation setzt, um die Stimme ihres verstorbenen Mannes zu hören. Er hat nämlich im Jahr 1950 die „Mind the Gap“-Ansage eingesprochen.

Yvonne Widler

Über Yvonne Widler

Nach ihrem Wirtschafts- und anschließendem Journalismus-Studium hat Yvonne Widler mit Kollegen das mehrmals preisgekrönte Online-Magazin "paroli“ gegründet und fungierte als dessen Chefredakteurin. Im Mai 2014 wechselte sie in das Gründungsteam von NZZ.at, wo sie zuerst das Projektmanagement übernahm und später als Chefin vom Dienst und Ressortleiterin für gesellschaftspolitische Themen tätig war. Seit April 2016 ist sie beim KURIER, mit Jänner 2021 übernahm sie die Ressortleitung der "Lebensart". 2017 erhielt sie den Prälat-Ungar-Preis für den Artikel "Gedanken von unheilbar kranken Menschen". Ein Jahr später wurde sie mit dem Dr. Karl-Renner-Publizistikpreis ausgezeichnet - für ihre Aufarbeitung des Schicksals eines Heimkindes.

Kommentare