Ja, ich will – aber anders: Jetzt kommen die "Anti-Bräute"

Gesellschaftliche Strömungen verändern auch die Art, wie geheiratet wird. Warum sich junge Bräute von Traditionen abwenden und diese neu interpretieren.

Nachdem der 24. 4. 24 heuer bereits viele Zahlenfreunde auf die Standesämter lockte, nimmt die Hochzeitssaison Anfang Mai traditionell so richtig Fahrt auf. Von einer Heiratsmüdigkeit war in den vergangenen Jahren österreichweit wenig zu spüren. 2022 gab es – nach zwei kargen Pandemie-Jahren mit diversen Feier-Einschränkungen – so viele Trauungen wie seit 40 Jahren nicht mehr.

Im Vorjahr ging die Zahl der Eheschließungen zwar etwas zurück, lag aber immer noch deutlich über dem Wert von vor zehn Jahren. „Die Institution Ehe hat in Österreich nach wie vor einen hohen Stellenwert“, bestätigt die Soziologin Eva-Maria Schmidt vom Österreichischen Institut für Familienforschung. „Je jünger die Befragten, desto geringer ist die Zustimmung zwar. Aber das ist ein sehr zögerlicher Prozess, den wir da beobachten.“

Einfach abhauen

Wenn die junge Generation „Ja“ sagt, dann immer häufiger auf ihre eigene, sehr individuelle Weise. In den sozialen Medien hat sich für die neue Heiratsmentalität der Begriff „Anti-Bride“ etabliert. Zig Millionen Beiträge finden sich dazu alleine auf Tiktok, der digitalen Spielwiese der unter 30-Jährigen. Laut dem Trend-Report der Fotoplattform Pinterest sind die Suchanfragen zu Anti-Bride-Hochzeiten innerhalb eines Jahres um 490 Prozent gestiegen. „Willkommen in der Anti-Bride-Ära“, titelte das Modemagazin Elle jüngst. Was aber zeichnet die Anti-Braut und ihre Anti-Hochzeit aus?

Heiraten in Österreich

Beliebteste Monate
Am meisten geheiratet wird im September, Juli, August, Juni. Der Mai liegt nur noch auf Platz 5

44.948 Eheschließungen
gab es 2023 in Österreich – 2.534 weniger als im Rekordjahr 2022. Damit haben sich die Zahlen wieder auf dem Niveau der  Vor-Corona-Jahre eingependelt. Knapp 10.000 Paare pro Jahr heiraten kirchlich

Ehe für alle
Seit 2019 sind auch gleichgeschlechtliche Ehen am Standesamt möglich. 2023 nahmen das 772 Paare wahr, um 2,4 % weniger als 2022

31,3 Jahre alt
sind Frauen in Österreich durchschnittlich bei ihrer ersten Ehe. Bei Männern beträgt das Erstheiratsalter  33,3 Jahre. Der Wert steigt seit Jahren an,  2012 lag er bei 29,8 (Frau) bzw. 32,2 Jahren (Mann)

Scheidungen
Vorläufigen Daten der Statistik Austria zufolge wurden 2023 14.033 Ehen geschieden, um 13,5 % weniger als im Schnitt der Vor-Corona-Jahre 2015 bis 2019. Mittlere Ehedauer: 10,6 Jahre

Die Hochzeitsfotografin Nikki Baker umschrieb es als „das zu tun, was man möchte, auch wenn es für andere keinen Sinn ergibt“. Das Konzept sei eine „entspanntere Version von dem, was die meisten Menschen unter einer Hochzeit verstehen“, erklärte sie in einem viralen Tiktok-Video.

Dazu zählt ein Honeymoon mit Freundesclique („Buddymoon“) oder gemeinsames Poltern mit Braut und Bräutigam. Auch in Österreich lässt sich der Trend beobachten, sagt die Hochzeitsplanerin Luise Wagner. Das zeige sich zum einen bei den beliebter werdenden „‚Elopements“, zu denen man früher „Durchbrennen“ gesagt hätte. „Brautpaare wollen zu zweit oder in sehr kleinem Rahmen heiraten, oftmals im Ausland. Hier wollen sie dem großen Fest mit ‚gezwungenen’ Gästen entkommen“, berichtet Wagner. 

Zum anderen werde bei größeren Feiern auf Traditionen verzichtet. Keine Torte, kein Eröffnungstanz, ein anderer Tagesablauf. Kein Schleier, ein gewagtes, transparentes Kleid statt der klassischen Prinzessinnenrobe oder ein cooler Pantsuit. Und: „Weniger religiöse Trauungen. Manche feiern eine ‚Wedding Party’, zu zweit aufs Standesamt und dann eine Party ohne gesetztes Essen.“ Mit kleineren Budgets hat das nicht zwingend zu tun, sagt Wagner: „Paare, mit denen ich plane, geben im Schnitt 30.000 bis 50.000 Euro aus.“

Luise Wagner plant Hochzeiten in ganz Österreich 

©Kamerakinder Weddings

Wider die Erwartung

Gut möglich, dass sich viele Bräute am pastellfarbenen Instagram-Hochzeitshype der vergangenen Jahre sattgesehen haben. Auch das Hinterfragen von Bräuchen trägt zu veränderten Heiratsgewohnheiten bei. Annika, 31, heiratet 2025 und würde sich ebenfalls als „Anti-Braut“ bezeichnen. Ganz bewusst hat sie ihrem Freund den Antrag gemacht. „Heiraten ist traditionell genug, da war das für mich ein kleiner feministischer Ausgleich“, erzählt sie. Eine Braut-Übergabe am Altar vom Vater an den Bräutigam wird es nicht geben, „und auch keine sexistischen Gstanzln“.

Amy Egan hat den Trend schon vor Längerem erkannt. US-Medien nennen sie die „Anti-Hochzeits-Hochzeitsplanerin“, weil sie sich mit ihrer Agentur auf Paare fokussiert, die es anders machen wollen. Die Anti-Bride-Philosophie reflektiere moderne Frauen und ihren Wunsch, die Erwartungen rund um Hochzeit und Ehe zu verschieben, glaubt Egan. „Auf Frauen lastet so ein Druck, den Richtigen zu finden und zu heiraten“, sagte sie in einem Interview. „Ich finde es erfrischend, zu sehen, wie sie nun zurückschlagen und das tun, was sie möchten.“

Ihre Kollegin Luise Wagner sagt im Herbst selbst „Ja“. Eine Anti-Braut ist sie nicht, seit über einem Jahr tüftelt sie an der Planung der dreitägigen Feier mit 80 Gästen. Aber es geht eben auch anders, wie das Beispiel ihrer eigenen Familie zeigt: „Meine Schwester hat sich vor einem Monat verlobt und ihre Hochzeit in der Toskana mit nur 15 Personen innerhalb von zwei Wochen geplant. Es gibt eine Poolparty und Pizza für alle.“ Den Zeitgeist spiegeln beide wider. Denn aller Coolness zum Trotz: „Die große, teure, traditionelle Hochzeit wird so schnell nicht verschwinden.“

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