Snow Food: Wintererntedankfest auf der City Farm Augarten in Wien
Snow Food

City Farm Augarten: Wintererntedank, eiskalt serviert

Der „Koch.Campus“ tagte auf der City Farm Augarten und feierte ihr „Snow Food“. Zugleich kommt auch der Frühling ins Beet.

Von Ingrid Greisenegger

Auf der City Farm Augarten kann man seit Jahren bestaunen, dass sich frisches Gemüse direkt aus dem Schnee ernten lässt. In einschlägigen Workshops lässt sich auch lernen, wie das geht. Viele, die dieses Kompetenzzentrum für urbanes Gärtnern und zukunftsfähige Landwirtschaft mitten in der Stadt besuchten, haben anschließend bei sich zu Hause eine eigene „Snow-Food“-Kollektion angelegt, beispielsweise mit Radieschen, Rucola, Asia-Salaten, süß schmeckenden Karotten und auf der Zunge schmelzendem Kohlrabi. „Snow Food“, das Gemüse, das in großer Vielfalt auch im tiefen Winter gedeiht, lässt sich nämlich nicht nur im Freilandbeet, im offenen Frühbeetkasten oder im ungeheizten Gewächshaus kultivieren, sondern auch ganz einfach in einem Balkonkisterl. Sogar in einem Topf, der bekanntlich die kleinste Form eines Gartens darstellt.

Der Anbau von „Snow Food“ ist aber nicht nur ein kultiges Vergnügen privilegierter Balkon- und Terrassenbesitzer, sondern, richtig eingesetzt, von volkswirtschaftlicher Bedeutung. Etliche Gartenbaubetriebe verdienen bereits ihr tägliches Brot damit, oft im Rahmen des 4-Jahreszeitengärtnerns, über das später noch zu lesen sein wird. Es handelt sich dabei um eine „Low Energy“-Methode, die durch Versorgung mit Frischgemüse zu jeder Jahreszeit (und das auch noch direkt aus der Region) punktet.

Auf der City Farm Augarten wird dank Snow Food auch im Winter fleißig Gemüse geerntet

©City Farm Augarten

Gletschergemüse 

Der Selbstversorgungsgrad bei Gemüse liegt in Österreich bei 58 Prozent. „Es könnten 100 Prozent sein, würde man das 4-Jahreszeitengärtnern aus der Nische holen und damit verlässlich auch eine Winterernte einfahren“, sagt Wolfgang Palme der Leiter der City Farm und im Brotberuf Gemüseforscher an der Gartenbauschule Schönbrunn. Das ginge österreichweit, denn „Snow Food“ gedeiht nicht nur in klimabegünstigten Niederungen, sondern auch in rauen Höhenlagen. Sogar in einem Gletscher hat man es schon demonstrativ harten Temperaturen ausgesetzt - als Touristenattraktion im „Eispalast“ nahe der Bergstation der Dachsteingletscherbahn. Im Gletschereis herrschen konstant minus fünf Grad Celsius, was dem Gemüse allerdings weniger gut bekommt als die natürlichen Bedingungen des Freilandanbaus, bei dem erfahrungsgemäß gängige Gemüse und Kräuter Temperaturen bis minus 10 Grad ertragen und gelegentliche Frostspitzen bis zu minus 20 Grad Celsius verkraften können.

Was einer großflächigen Umsetzung dieser Produktionsmethode jetzt noch fehlt, ist der politische Wille durch gezielte Förderung. Es würde sich lohnen. Das zeigt ein Vergleich der Klimabilanzen: im beheizten Glashaus kultivierter Häuptelsalat verursacht pro 1 kg 0,7 kg CO2. Ohne Heizung sind es pro 1 kg nur 0,2 kg CO2. Dazu rechnet sich noch positiv die beachtliche Einsparung an Energiekosten im Vergleich zum herkömmlichen Anbau, bei dem pro Hektar/Jahr rund 2.000 Megawatt an Heizenergie verbraucht werden. Bei der Produktion von „Snow Food“ entfallen auch Energieverschwendung und hohe Kosten für die Belichtung der Glashäuser.

Was in der kalten Jahreszeit geerntet werden soll, muss zum Teil schon im Juli ins Beet, zum Beispiel Blattkohle und Zichorien. Hauptauspflanzzeit ist aber im September. Dann kann von November bis März durchgehend geerntet werden.

Spitzenkoch Heinz Reitbauer vom „Steirereck“ brillierte beim "Koch.Campus" mit „Gemüse, eiskalt“, raffiniert marinierten Mangoldblättern in einem Trockeneisnebel.
 

©Anna Stöcher

Erntedank auch im Winter 

Während alle anderen ihre Erntedankfeste traditionell im Herbst abfeiern, hat die City Farm Augarten erst zu Ende des Winters (der bisher fälschlich als tote Jahreszeit galt) diesem für seine reichen Erntegaben gedankt und ihm zu Ehren ein Fest gefeiert. Es fand mit prominenter, auch internationaler Begleitung statt, hatte doch der „Koch.Campus“, eine Interessenvereinigung führender Köche und landwirtschaftlicher Produzenten Österreichs, zu einer „Snow Food“-Tagung auf das 4.000m2 große Gelände der City Farm eingeladen. Auch die benachbarte Augarten Porzellanmanufaktur und das Restaurant „Sperling“ wurden miteinbezogen. Die Wiener Sängerknaben und Wiener Chormädchen erfreuten mit einem musikalischen Auftritt die 100 geladenen Gäste. Singen soll ja auch gut sein für das Gemüse, Charles Darwin, der Evolutionstheoretiker, hat seinen Kohlköpfen Musik vorgespielt.

Die Spitzengastronomie hat beim Wintererntedank „Snow Food“ durch ihre Kochkunst geadelt: Paul Ivić (oben links), Johann Reisinger, Rebecca Clopath, Josef Floh mit Elisabeth Floh

Die Spitzengastronomie hat beim Wintererntedank „Snow Food“ durch ihre Kochkunst geadelt: Paul Ivić (oben links), Johann Reisinger, Rebecca Clopath, Josef Floh mit Elisabeth Floh

©Anna Stöcher

Einen Arbeitstag lang war man in Gruppen im Augarten unterwegs. Zunächst an den Beeten, um die Anbaumethode in natura kennenzulernen und an mehreren Kochstationen, um zu verkosten, was Spitzenköche aus der Winterernte kreierten. Das „Snow Food“ stammte von der City Farm oder war von den Marktgärtnereien „Krautwerk“, „Lerchenhof“ und „Ackerschön“ angeliefert worden. Das Küchenteam um Paul Ivić im Wiener Restaurant „Tian“ legte Hand an Wurzelgemüse-Sorten und reichte einen Drink aus fermentierten Roten Rüben. Josef Floh von der Gastwirtschaft „Der Floh“ in Langenlebarn hatte ein „Kohl-Departement“ eingerichtet. Dem Radicchio widmete sich Rebecca Clopath vom „Biohof Taratsch“ in Lohn in Graubünden. Heinz Reitbauer vom Restaurant „Steirereck“ präsentierte Mangold, Tatsoi, Hirschhornwegerich und andere Winterfrischgemüse, deren Eigengeschmack mit Nuancen von Zitrone oder Orange aufgefrischt waren, auf Eis. Koch- und Geschmackspädagoge Johann Reisinger wartete mit „Snow Food“ -Raritäten auf bei einer exzellenten Sensorik-Verkostung.

©KURIER Grafik/Tichy

Was jetzt ins Beet muss 

Zeitparallel zum Wintererntedankfest für den reichen „Snow Food“ Segen der Saison 2024/25 wurde und wird auf der City Farm die nächste Gemüsegeneration ins Beet gebracht. Im System des 4-Jahreszeitengärtnerns befinden wir uns gerade in der Pflanzsaison 1. Diese bedeutet: Aussaat im Jänner im Frühbeetkasten oder unter der Hochbeethaube, im Februar/März erfolgt dann die Aussaat ins offene Beet. Geerntet wird ab Ende März. 

Die Pflanzsaison 2 erstreckt sich von April bis Ende Mai (Frucht- und Sommergemüse). Geerntet wird bis in den Herbst hinein. 

Die Pflanzsaison 3 reicht von Mitte Juni bis Ende Juli, sie betrifft Herbst- und Wintergemüse, Erntezeit ab Ende Oktober. 

Mit der Pflanzzeit 4 ist es dann wieder so weit: Im September/Oktober wird Winterfrischgemüse ausgesät und ausgepflanzt. Wir ernten dann bis Februar/März und werden sicher nicht vergessen, zum nächsten Wintererntedankfest alle wieder einzuladen. Jetzt aber hinaus in den Garten: es ist noch Pflanzsaison 1. Die Grafik (oben) zeigt uns, was genau jetzt zu tun ist.

Wolfgang Palme und Ingrid Greisenegger zeigen auf der City Farm Augarten in Wien wie 4-Jahreszeiten-Gärtnern funktioniert

©KURIER/Gerhard Deutsch

Information
www.cityfarm.wien
[email protected]
Adresse: Obere Augartenstraße 1/8,
1020 Wien

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