Klima: Wird es in Zukunft noch Wein aus Österreich geben?
Die Weinlese startete so früh wie nie. Weinbau-Experte Ferdinand Regner erklärt, welche Sorten sich mit dem Klimawandel schwertun und was der Wein der Zukunft sein könnte.
Ein früher Lesebeginn kommt im Weinbau immer wieder vor – doch heuer startete die Ernte aufgrund der anhaltenden Hitze allgemein besonders früh: Anfang September hat praktisch überall die Hauptlese begonnen.
Der Österreichische Weinverband rechnet mit einer Weinmenge, die deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre liegt. Er wird allerdings von guter Qualität sein. Qualität scheint im ungewöhnlichen Weinjahrgang 2024 also vor Quantität zu gehen.
Da ist der Gedanke zu einer Verbindung mit dem Klimawandel und die Zukunft des Weinbaus in Österreich nicht weit. Wie werden sich die Weine entwickeln? Welche Sorten sind Gewinner, welche Verlierer? Und: Wird es in einigen Jahrzehnten überhaupt noch Wein aus Österreich geben?
Wie verändert der Klimawandel den Weinbau?
Ferdinand Regner: Er stellt den Weinbau vor große Herausforderungen. Aber es ist nicht alles schlecht. Wenn die Witterungsbedingungen so wie vor 40 Jahren wären, gäbe es wahrscheinlich keinen Weinbau mehr in Österreich. Damals hatten wir das Gegenteil von heute: Winter- und Spätfröste, Ernteausfälle. Die Reifeproblematik, die es früher gab, gibt es so nicht mehr. In der Regel wird in allen Weinbaugebieten die durchschnittliche Sorte in jedem Jahr vollreif.
Werden also die klimatischen Auswirkungen überbewertet?
Es sind natürlich Herausforderungen da, die dann und wann heftig sind und den Weinbau durchschütteln. Wenn wie heuer alles sehr früh beginnt mit der Ernte, kommt es auf die Schlagkraft der Betriebe an und auf die technischen Einrichtungen, um eine möglichst temperierte Gärung abhandeln zu können, damit das nicht zu heiß vergärt.
Als Laie denkt man: Wenn früher geerntet wird, gibt's halt früher einen Wein.
Nein, das ist deutlich mehr Herausforderung als sonst. Die Entwicklung verläuft sehr schnell wenn es heiß ist. Man verliert die Säure schneller, kriegt aber relativ schnell viel Zucker. Auf beides muss man achten für ein gutes Produkt. Die Betriebe haben deutlich mehr Stress in der Erntephase.
Grüner Veltliner wird sich verändern
Gibt es in 30 Jahren noch Grünen Veltliner?
Ich denke schon. Natürlich wird es nicht mehr so einfach sein, und er wird nicht mehr so sein, wie etwa in den 1980er- und 1990er-Jahren. Der Grüne Veltliner wird etwas üppiger, voller, kräftiger werden. Daran gewöhnt sich der Konsument – wenn der Wein noch der Frische und Aromatik des Grünen Veltliners entspricht. Eine Herausforderung wird es allemal sein.
Warum wird der Grüne Veltliner kräftiger werden?
Die Pflanze bekommt gleich viel Strahlung ab – diese bewirkt ja die Energiegewinnung. Aber durch höhere Temperaturen kann sie mehr CO2 einbauen. Gleichzeitig wandeln die Weinreben die Energie in Substanzen wie Zucker um. Wenn mehr Zucker enthalten ist, vergärt die Hefe diesen zu mehr Alkohol. Dann werden die Weine breiter. Die interessanten, spannenderen Aromen entstehen aber durch starke Tag-Nacht-Differenz – wenn die Temperaturen tagsüber nicht so hoch sind und in der Nacht unter 15 Grad ins Kühle abgleiten.
Welche Weinsorten Probleme bekommen
Wie werden sich die Rebsorten entwickeln?
Der Klimawandel beeinflusst die Rebsorten in die Richtung, dass man eher später reifende Sorten mit mehr Säure haben möchte, die vielleicht unter den heißen Bedingungen trotzdem eine schöne Aromatik ausbilden und nicht zu breit und plump werden.
Eines der wesentlichsten Argumente für oder gegen eine Sorte ist aber derzeit der Markt. Die Sorte, die sich gut verkaufen lässt, wird trotzdem gepflanzt, auch wenn sie schwierig ist. Ein Beispiel ist Muskateller. Das ist keine triviale Sorte, sie braucht viel Pflanzenschutz. Man merkt über die Jahre, dass sich Sorten verschieben. Der Rheinriesling etwa hat bei den Weißweinen zugenommen, Neuburger oder Frühroter Veltliner aber deutlich abgenommen. Müller-Thurgau hat sich mehr als halbiert. Diese Frühsorten haben wirklich ein Problem mit dem derzeitigen Klima und viele Winzer wollen das einfach nicht mehr. Welschriesling wird offenbar nicht so nachgefragt und ist daher kein ausgesprochener Gewinner der derzeitigen Situation. Dabei ist er für heiße, trockene Phasen prädestiniert. Da kommt er viel besser durch als der Grüne Veltliner, hat auch mehr Säure.
Rotweine verkaufen sich derzeit nicht besonders gut. Sie sind meist kräftiger, haben mehr Alkohol und die Tendenz geht zu leichteren Weinen. Ein Winzer wird sich hüten, etwas zu pflanzen, von dem er nicht weiß, ob der Markt nicht noch schwieriger ist, wenn die Pflanze dann trägt.
Wird die Bodenqualität beeinflusst?
Auf alle Fälle. Eine höhere Temperatur bewirkt ein anderes Mikrobiom. Ein belebter Boden enthält mehrere hunderttausend Bakterien und Hefen, und diese Zusammensetzung verändert sich natürlich. Dass sie sich verändert, sieht man bereits daran, dass sich der Humus schneller abbaut.
Der Wein der Zukunft
Sind neue Züchtungen oder Kreuzungen die Antwort?
Aufgrund unserer Versuchstätigkeiten im Weingarten sehen wir, wenn sich neue Sorten gut für bestimmte Szenarien eignen. Sorten, die sich in Jahren wie heuer sehr gut verhalten, wird man weiterverfolgen und vielleicht entsteht daraus die nächste neue Sorte. Hauptrichtung ist, dass sie weniger Pflanzenschutzmittel benötigen. Neuzüchtungen wie Donaurieslung (weiß) und Pinot Nova (rot). sind innovative pilzwiderstandsfähige Sorten (PiWi, Anm.).
Wie lange dauert es, eine neue Sorte zu etablieren?
Der Prozess erstreckt sich über Jahrzehnte. Die Winzer machen dann Versuchspflanzungen mit uns. Die Einführung einer Sorte dauert normalerweise bis 20 Jahre, bis sie wirklich bekannt ist. Der Donauriesling wird derzeit auf zirka 100 Hektar angebaut. Die Rebsorte wurde 2011 registriert und 2012 zum Anbau zugelassen. Das ist schon relativ flott gegangen, aber bis ihn die Konsumenten kennen, wird es noch einige Jahre dauern. Er ist eine Sorte, die relativ gut mit Trockenheit zurechtkommt, die die Säure lange bewahrt und deren Aromatik nicht unter zu warmen Bedingungen leidet. Er könnte ein Wein der Zukunft trotz Klimawandel sein.
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