Werner Gruber präsentiert mit einer Zange das fertige Kipferl - und formt dazu mit der anderen Hand Teufelshörner (oder die Pommesgabel)

Werner Gruber lüftet das Geheimnis des perfekten Vanillekipferls

Wie schmeckt das Vanillekipferl wirklich gut? Physiker und Genussmensch Werner Gruber klärt auf – und zeigt, warum man unbedingt einen Fleischwolf braucht.

Mit seiner Nachricht im Vorfeld machte es Werner Gruber spannend: "Könnten wir einen Fleischwolf haben?"

Sollte dieses brachiale Gerät die Lösung fürs perfekte Vanillekipferl sein? Damit ist es so eine Sache: teures oder billiges Mehl? Glatt, griffig oder die pragmatische "Universal"-Variante? Ei im Teig – Segen oder Frevel? Und die Gretchenfrage: Mandeln oder Nüsse? Denn da hat ja jede Bäckerin, jeder Bäcker eine eigene Meinung. Und die meisten sind überzeugt, dass nur ihre Methode zum idealen Ergebnis führt.

Hier soll der Physiker, Wissenschaftserklärer und Genussmensch Werner Gruber helfen. Die Frage nach dem Mehl ist für ihn ziemlich schnell geklärt: "Für die meisten Rezepte ist die Wahl des Mehls irrelevant, außer, wenn ich im Saucenbereich bin."

Brauchen die Vanillekipferln ein Ei?

Aber beim Ei? Da kommt der Physiker ins Plaudern. Beide Varianten – mit oder ohne Ei – können, so versichert er, zu "großartigen Resultaten" führen. Doch ist beim Mürbteig eine nicht unwesentliche physikalische Reaktion zu beachten: jene zwischen Mehl und Butter. "Durch das Verkneten mit der Butter werden die einzelnen Stärkekörner des Mehls voneinander getrennt. Da Butter aus rund 20 Prozent Wasser besteht, können die Stärkekörner ein wenig quellen, aber nicht zu stark."

Zwei fertige Vanillekipferln neben einem Haufen Staubzucker

So werden später die Vanillekipferl von Gruber, gemacht nach Toni Mörwalds Rezept, aussehen.

©kurier/Kurier/Eva Manhart

Fehlt das Ei, hat Gruber einen Trick parat: "Ein paar Esslöffel Weißwein hinzuzugeben. Damit habe ich eine zusätzliche Flüssigkeit, die das Quellen erleichtert." Der Teig wird geschmeidiger. Mit dem Ei verändert sich das Quellverhalten. Denn: Ein Ei besteht aus Wasser, Eiweiß, etwas Fett und Proteinen. Das Wasser vom Ei sorgt dafür, dass sich der Zucker auflöst. Das Zucker-Wasser-Gemenge befindet sich nun zwischen den Mehl-Butter-Körnern. 

Die Kipferl werden steinhart

Beim Backen verdunstet das Wasser, und übrig bleibt getrocknetes Eiweiß mit Zucker, der wieder kristallisiert. Der Zucker bildet nun ein sehr starres Gerüst, in dem die Butter-Stärkekörner eingelagert sind. Das Ergebnis? "Die Vanillekipferln werden steinhart."

Doch das große Aber: "Wenn ich sie ein paar Tage lagern lasse, kommt Luftfeuchtigkeit und sorgt für homogenere, mürbere Kipferln." Es braucht also keinen Fleischwolf, der das fertige Gebäck genießbar macht.

Vanillekipferln mit Ei: Rezept von Gruber

Zutaten:

  • 300 g Butter,
  • 100 g Staubzucker
  •  350 g Mehl
  •  200 g geriebene Haselnüsse
  •  1 Ei, 1 Prise Salz
  •  2 Päckchen Vanillezucker

Zubereitung:

1 / Zuerst den Vanillezucker mit dem Salz und Ei vermengen. Dann Butter und Staubzucker dazugeben, kräftig verrühren. Zum Schluss Mehl und Nüsse untermengen.

2 / Den Teig im Kühlschrank eine Stunde rasten lassen. 

3 / Teig zu einer Stange rollen, kleine Stücke abschneiden, daraus kleine Kipferln formen. 

4 / Bei 190 °C Ober- und Unterhitze rund 7-8 Minuten backen. 

5 / Eine halbe Minute auskühlen lassen und sofort in einem Gemenge aus 200 g Staubzucker und 3 Päckchen Vanillezucker wälzen. 

Die Kipferln ohne Ei sind gut für Ungeduldige. "Die kann ich sofort essen. Die haben nur den Nachteil, dass sie mir zerbröseln, wenn ich sie vom Blech nehme." Denn die Butter ist noch zu weich. Die Lösung: einfach ein paar Minuten warten, bis die Kipferln kalt sind und die Butter wieder fest ist.

Mandeln oder Nüsse, gemahlen, nicht gerieben

Bei der ewigen Frage "Mandeln oder Nüsse" bleibt Gruber diplomatisch. Denn das sei Geschmackssache – und hier hat die Wissenschaft ihre Grenzen: "Die Physik kann ihre Meinung kundtun, weiß aber, wann sie eine Ruhe geben soll." Nur gemahlen sollten sowohl Mandeln als auch Nüsse sein – gerieben ist schwierig. "Wegen der Größe bekommt man keinen vernünftigen Teig", stellt er klar. "Der zerbricht schon beim Rollen."

Fleischwolf ist Pflicht

Und jetzt kommt der Fleischwolf ins Spiel – ein Tipp, den Gruber einmal von einem Profi bekam. "Der ist unabdingbar", sagt er mit Nachdruck. "Damit mache ich es mir leichter." Während professionelle Konditoren den Teig so kneten können, dass er butterweich und trotzdem formstabil wird, stoßen die meisten ungelernten Menschen schnell an ihre Grenzen. "Mit dem Fleisch-wolf wird der Teig homogener und ich habe keine Probleme mehr mit den Nüssen."

Diese Kipferln waren schlecht geknetet

Um die Wirkung des Fleischwolfs eindrucksvoll zu demonstrieren, greift Gruber zu einem vorbereiteten Teig mit Nüssen, der vom Redakteur – offensichtlich ein Laie – nach einem Rezept des Spitzenkochs Toni Mörwald zubereitet wurde.

Gruber mustert den Klumpen und schneidet ihn durch. „Sehen Sie das?“, fragt er und deutet auf die sichtbaren Butterstücke im Inneren. "Diese Inhomogenitäten zeigen, dass der Teig nicht gut geknetet wurde." Keine akzeptable Masse. Er wirft den Teig in den Fleischwolf – und voilà! Heraus gleitet eine gleichmäßige, samtig-weiche Masse in kleinen Würstchen. Homogenisierung gelungen.

Wichtig ist auch, dass der Teig rastet. "Auf molekularer Ebene ändert sich dabei sehr viel." Beim Rasten quellen die Stärkekörner durch Wasseraufnahme, wodurch ihre Struktur aufgelockert wird. Der Teig wird geschmeidiger und flaumiger. Und was ist mit dem Tipp, den Teig über Nacht in den Kühlschrank zu legen? "Nein, muss man nicht", sagt Gruber, "es reichen vier Stunden bei Raumtemperatur".

Runde Enden sind Pflicht

Die Halbmonde formt der Physiker mit Präzision. Doch Vorsicht! "Die Enden bloß nicht zu spitz formen", warnt er. „Die verbrennen sonst.“ Dann landen die Kipferln auf dem Blech, bereit fürs Ofenrohr.

Gruber ist bei Keksen gegen Experimente

Wer nun glaubt, mit kreativen Temperatur-Spielereien oder einem Schuss Wasserdampf das Rezept zu verbessern, wird schnell eines Besseren belehrt. "Was steht im Rezept?", fragt Gruber streng. "Das hat jemand getestet – halten Sie sich dran!"

Auch bei der Wahl der Fette duldet er keine Nachlässigkeit. Butter oder Margarine nach Gutdünken auszutauschen, sei ein fataler Fehler. "Das macht einen riesigen Unterschied", erklärt er. "Margarine hat ein komplett anderes Fließverhalten." Die Botschaft ist klar: Wer perfekte Kipferln will, vertraut dem Rezept – und der Physik.

Werner Gruber lächelt vorm Backrohr und hält das Blech mit den Kipferln in die Kamera

Der Physiker gibt die Kipferln zum Backen ins Rohr.

©kurier/Kurier/Eva Manhart

Nachdem die Kipferln fertiggebacken sind, legt er sie zur Krönung in ein Gefäß voll mit Zucker-Vanillezuckermischung. Während viele auf echte Vanille setzen, akzeptiert Gruber auch das billigere Vanillin. Aus einem ganz simplen Grund: "Machen wir eine Blindverkostung, dann reden wir weiter."

Er beißt ins warme Kipferl mit den Nüssen und wirkt zufrieden. "Einen Schuss Amaretto könnte man noch in den Teig geben." Wegen des Mandelgeschmacks, versteht sich.

Werner Gruber beißt in das Keks

Werner Gruber probiert, ob die Kipferln auch wirklich gelungen sind.

©kurier/Kurier/Eva Manhart

Grubers eigentliche Lieblingskekse? Englische Teekekse aus Mürbteig mit Ribiselmarmelade. 

Das Kipferl-Trauma

Mit Vanillekipferln hingegen verbindet er ein Kindheitstrauma: "Am 24. Dezember lagen drei Sorten Vanillekipferln auf dem Teller. Dreigeteilt, damit sie klar identifizierbar waren – von beiden Omas und meiner Mutter. Und dann kam die Frage: 'Burli, welche schmecken dir am besten?'"

Der damals fünfjährige Werner Gruber ahnte das Unheil. "Die Bescherung stand noch aus. Ich wusste sofort: Das kann ich nicht gewinnen." Ein Blick des Vaters bestätigte die Lage. "Burli, du bist fünf Jahre alt, aber du hast das Problem des Lebens erkannt."

Doch das Burli hatte einen Geistesblitz und sagte: "Vanillekipferln mag ich eigentlich nicht. Ich bin eher für die Nussbusserln." Davon gab es nur eine Sorte.

Wie von Werner Grubers Mutter

Zutaten:

  • 300 g Butter
  • 100 g Staubzucker
  • 420 g Mehl
  • 150 g geriebene Haselnüsse
  • 2 Päckchen Bourbon-Vanillezucker
  • 5 EL Weißwein

Zubereitung:

1 / Alles gut vermengen. 4 Stunden kalt stellen und dann noch eine Stunde bei Raumtemperatur rasten lassen. 
2 / Aus dem Teig kleine Kipferln formen und auf das mit Backpapier ausgelegte Backblech legen.
3 / Bei 190 °C Ober- und Unterhitze rund 7-8 Minuten backen.
4 / Eine halbe Minute auf dem Backblech auskühlen lassen und sofort in einer Mischung aus 200 g Staubzucker und 3 Päckchen Vanillezucker wälzen.  

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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