Pilzjäger Stefan Marxer vertreibt die Angst vorm Pilzesammeln

Der 33-jährige Stefan Marxer machte seine Leidenschaft zum Beruf und nennt sich "Mykohunter" – der professionelle Pilze-Sammler vermittelt sein Wissen in Kursen und Koch-Workshops.

Vor fünf Jahren wurde Stefan Marxer für seine Berufswahl noch belächelt, doch dann strömten während der Pandemie die Massen durch die Wälder und die Netflix-Naturdokumentation "Fantastische Pilze" lenkte die Aufmerksamkeit der jungen Generation auf die etwas anderen Lebewesen nahe des Erdreichs.

Heute wird der Wiener, der in einer Kleingartensiedlung am Rande des Wienerwalds wohnt, nicht mehr belächelt, sondern als Kursleiter gebucht. Wie viele seiner heutigen Kursteilnehmer suchte er als Kind auch nur die Klassiker wie Eierschwammerln und Steinpilze, doch dann weckten ein Buch zu Weihnachten und ein Spaziergang seine Leidenschaft für das Unbekannte: Plötzlich wollte er verstehen, wie bei Minusgraden Schwammerln sprießen können.

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Vor zwei Jahren machte sich der "Mykohunter", so der Markenname für seine empfehlenswerten und lehrreichen Youtube-Tutorials, selbstständig. Neben den Videos veranstaltet der Agrarwissenschafter daher Pilz-Wanderungen und Koch-Workshops.

Fakten

Mykologie
wird  die Wissenschaft über Pilze genannt. Der älteste, beschriebene Pilzfund heißt Gondwanagaricites magnificus und ist 115 Mio. Jahre alt

Lebewesen
Früher wurden Pilze zu den Pflanzen gezählt, jedoch sind sie näher mit den Tieren verwandt. Pilze können keine Photosynthese betreiben

180 Pilzarten
gelten als unverträglich. In Österreich gibt es zwischen 10 und 20 Arten, die dem Menschen nicht bekömmlich sind

Sprache
Pilze sind in der Lage, mithilfe elektrischer Signale miteinander zu kommunizieren 

"Die Angst vor dem Sammeln gründet in der Angst vor dem Unbekannten. Schwammerln sind ein Thema, das man weder in der Schule noch akademisch vermittelt bekommt. Viele können nur ein paar Pilze aufzählen, dabei gibt es genauso viele Pilze wie Tiere und Pflanzen."

Giftige Arten

In Österreich sind 80 Prozent des Waldes Privatbesitz – auch die Schwammerln gehören streng genommen diesen Besitzern. "Wichtig ist die Einsicht, dass wir nur Gast im Wald sind. Pilze sind Lebensraum und Nahrung für Tiere. Wer sich beim Sammeln nicht sicher ist, sollte daher nur ein Exemplar pro Art mitnehmen und bestimmen lassen." Von den hierzulande 4.500 Speisepilz-Arten porträtierte Marxer 40 in seinem Buch "Pilzvergnügt".

Er rät Anfängern jedoch davon ab, ausgerüstet mit Apps und Nachschlagewerken durch den Wald zu wandern: "Bevor es an das Sammeln von Speisepilzen geht, sollte man sich mit den 10 bis 20 tödlich giftigen Arten in Österreich beschäftigen. Erkennt man diese markanten Arten, dann beginnt man mit den Verwandten jener Pilze wie Eierschwammerl oder Steinpilze, die man schon kennt."

Auch in seinen Exkursionen vermittelt Marxer diese Systematik: "Denn in den Familien von Eierschwammerln oder Steinpilzen gibt es keine tödlich giftigen Verwandten." Obwohl es Schwammerln auch in den kalten Monaten gibt, sind die Monate Februar und März tatsächlich etwas trostlos für Pilzjäger. "Morcheln sind das erste kulinarische Highlight des Pilzjahres. Heuer sind sie etwas früher dran: Sie wachsen in Auen und bei Eschen. Die Esche ist in vielen Gebieten durch einen Schadpilz beschädigt, daher stehen Morcheln unter Druck."

Generell würden Anfänger ob der Freude des Fundes dazu neigen, alle Pilze wahllos einzusammeln: "Oft werden zu alte Pilze gesammelt und man riskiert eine Lebensmittelvergiftung – genauso wichtig wie die Art sind Frische und Qualität. Gerade bei Hexen-Röhrling und Morcheln, die roh giftig sind, muss man kritisch sein."

Klimawandel

Als Konservierungsmethode rät Marxer vom Einfrieren ab, denn Schwammerln verlieren an Geschmack und Konsistenz durch die tiefen Temperaturen. „Ich trockne Pilze, da diese dann über Jahre haltbar bleiben und sogar an Geschmack gewinnen. Neben Morcheln eignen sich auch Steinpilze zum Trocknen.“

Jetzt im Frühjahr geht es nach den Morcheln mit dem Schwefelporling, dem Flockenstieligen Hexen-Röhrling sowie den Steinpilzen weiter. Laut dem Experten ist das Pilzwachstum noch nicht ausreichend erforscht, um Prognosen über ein ganzes Pilzjahr zuzulassen.

"In den vergangenen 25 Jahren hat sich viel verändert: Im Osten ist das Pilzwachstum massiv zurückgegangen, weil es sehr trockene und heiße Perioden gab. Interessant ist, dass sich die Saisonen verschieben: Tendenziell finden wir immer früher Pilze, im Sommer haben wir dann aufgrund der Hitze ein Loch." Im Wiener Raum haben sich September und Oktober zu den ergiebigsten Monaten entwickelt.

Termine: Sommerpilze am 2. 6. und 28. 7., Grundlagen 25. 8., Pilzverarbeitung 6. 10., www.pilzvergnuegt.com

Morcheln

©Stefan Marxer

Morcheln

Morcheln eignen sich besonders gut zum Trocknen. Roh sind sie giftig, sie sollten gegart werden, bevor sie weiterverarbeitet werden. Marxer arbeitet diese gerne in Butter ein

Hexenröhrling

©Stefan Marxer

Flockenstieliger Hexen-Röhrling

Generell eignen sich Röhrlinge gut zum Grillen sowie getrocknet und vermahlen als Pilzpulver. Der Flockenstielige Hexen-Röhrling schmeckt besonders gut in Saucen

Schwefelporling

©Stefan Marxer

Der Schwefelporling schmeckt nach Fleisch und wird daher "chicken of the woods" genannt. In Marxers Küche handelt es sich bei diesem Pilz um den einzigen, den er gerne paniert

Anita Kattinger

Über Anita Kattinger

Leidenschaftliche Esserin. Mittelmäßige Köchin. Biertrinkerin und Flexitarierin. Braucht Schokolade, gute Bücher und die Stadt zum Überleben. Versucht die Welt zu verbessern, zuerst als Innenpolitik-Redakteurin, jetzt im Genuss-Ressort.

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