Rapunzel: Vogerlsalat sorgt für Frischekick und Vitamine
Nicole Ott schreibt von inspirierenden Gesprächen rund um saisonale Produkte und kreiert ein Rezept damit.
Ich schaue aus meinem Küchenfenster auf die Bäume, die immer noch ihr karges Winterkleid tragen. Werden die Tage auch schon merklich länger, Väterchen Frost hat noch lange nicht vor, unsere Breiten zu verlassen. In meiner Küche allerdings vollzieht sich schon der Wandel von der heimeligen Winterkost zu frischen, bunten Speisen.
König der Salate
„Darum gibt es heute Vogerlsalat als Vorspeise“, erzähle ich der Mittleren beim Hundespaziergang. „Er wird auch ‚König der Salate“ genannt, weil er so gesund ist. Er strotzt nur so vor Vitaminen, sein Gehalt an Folsäure ist beeindruckend und weil er zur Familie der Baldriangewächse gehört, wurde er früher als ‚Vespermahlzeit‘ empfohlen, um Schlaflosigkeit zu bekämpfen. Er kann bei Temperaturen bis zu minus 15 Grad geerntet werden, ist also der ideale Wintersalat.“
Jetzt wird meine Salaterzählung poetisch: „Lustig ist auch, dass dieser Salat in den verschiedenen Regionen so unterschiedliche Namen hat. In der Schweiz heißt er Nüsslisalat, weil er im Geschmack an Haselnüsse erinnert. Dann gibt es den Ausdruck ‚Hasenöhrchen‘, ‚Feldsalat‘ oder auch ‚Rapunzel‘.“ „Rapunzel? Wie im Märchen?“, fragt mich die Tochter. „Ja, genau. Rapunzels schwangere Mutter hatte eine unbändige Lust auf den Salat, der in wunderschönen Rosetten im Garten der Zauberin wuchs, überredete ihren Mann, das Gemüse für sie zu stehlen und der Rest ist Geschichte.“
Darum hat Rapunzel so schöne Haare
"Darum hatte Rapunzel später auch so wunderschöne Haare, kein Wunder bei der Menge an Folsäure“, lacht sie. „Aber diese ewige Geschichte von der armen Prinzessin, die auf ihren Prinzen wartet, ist gar nicht zeitgemäß. Die Kinder aus meiner Klasse lieben es, diese alten Märchen umzuschreiben. Aus Rapunzel wird so ein wunderschöner, wenn auch hilfloser Mann, dessen Bart so lang und dicht gewachsen ist, dass sich die sportliche, clevere Prinzessin flugs daran hinaufziehen kann.“ „Märchensalat neu interpretiert!“, schmunzle ich.
Hauch von Frühling
Bei meiner Komposition des Wintersalates habe ich Winterfarben vor Augen: eine schneeweiße Buttermilchmousse wird Cremigkeit bringen. Zitrusfrüchte gehören zum Hochwinter wie Eis zu den Schlittschuhen, darum kommen Saft und Schale aller Agrumen dazu, die ich gerade zu Hause finde. Erdiges Kürbiskernöl ist der traditionelle Begleiter vom tannengrünen Salat, rosa Radieschenscheiben verheißen ein klitzekleines bisschen Frühling, und die kernigen Brösel dürfen zwischen den Zähnen knuspern.
Beim Kochen erfreu ich mich an der Fülle der Zitrusfrüchte, die es im Moment am Markt gibt. Ich presse den Saft blutroter Orangen und reibe fröhlich Mandarinen- und Zitronenschale. Später lümmeln die Mittlere und ich auf dem Sofa, löffeln genüsslich die frische Mousse und lassen uns den Vogerlsalat schmecken. Ein herrlich kitschiger Film entführt uns in andere Welten – gemütliche Abende sind die Sonnenseiten des Lebens im grauen Februar.
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