Neues Buch: Selbst ernten und naschen, was in der Stadt wächst

Alexandra Maria Rath zeigt, wo in der Stadt Wildpflanzen wachsen. Neben Rezepten gibt es auch jede Menge historische Anekdoten.

Auf die Mischung kommt es an: Wilder Thymian, den man eher mit Pikantem assoziiert, harmoniert etwa mit Erdbeeren. Tannennadeln mit Zucker kombiniert, ergeben ein zitronig-herbes Tanneneis. Und ein Kochbuch kann gleichzeitig auch ein Stadtführer sein – eine Sammlung an Rezepten, gewürzt mit Anekdoten über Wien.

Die Autorin Alexandra Maria Rath unternimmt in „Süßes wildes Wien“ Streifzüge durch die Stadt. Sie erkundet, wo man Wildpflanzen ernten kann: etwa Taubnesseln vor der Hofburg, Wiesensalbei vor dem Narrenturm oder Kornelkirschen in Stammersdorf. Zu jedem Ort und jeder Pflanze gibt es Hintergrundinfos, immer mit einer Prise Wiener Schmäh. Und zu jeder Pflanze gehören mindestens drei süße Rezepte.

Alexandra Rath: „Es macht Freude, die Pflanzen, die man isst, selbst zu sammeln."

©Süßes wildes Wien

Rath arbeitete in der Werbung, beschäftigte sich dann aber mit Ernährung und Wildkräutern. „Im Prinzip bin ich eine Fress-Botanikerin“, sagt sie und lacht. Spaß und Genuss sind für sie zentral: „Es macht Freude, die Pflanzen, die man isst, selbst zu sammeln. Sie sind gesund und enthalten viele Nährstoffe.“ Vor allem aber könne man daraus köstliche Süßspeisen zaubern. „Unsere Hofzuckerbäcker kennt alle Welt – wo sollte man so ein Buch schreiben, wenn nicht in Wien?“, sagt sie.

Apotheker als Zuckerbäcker

Und schon sind wir mitten in der ersten Anekdote aus ihrem Buch: Früher waren eigentlich die Apotheker die Zuckerbäcker. Da Zucker teuer importiert werden musste, war er ein rares Luxusgut. Aber Apotheker durften Zucker verwenden – und zwar, um bittere Arzneien genießbarer zu machen.

Der erste richtige Zuckerbäcker, der kein Apotheker war, wurde in Wien um 1554 erwähnt. Da Konditoren wiederum kein Mehl verwenden durften, konnte auch er nur eine kleine Auswahl süßer Speisen bieten: etwa kandierte Früchte, Zuckerl oder Marzipan. Erst als vor rund 200 Jahren aus der Runkelrübe die Zuckerrübe gezüchtet wurde, wurde Zucker allgemein erschwinglich.

Taubnesseln vor der Hofburg

Die erste Station in Raths Buch ist die Hofburg: Dort kann man von April bis Juni sowie von September bis Oktober Taubnesseln ernten. Und auch die Hofburg hat Anekdotisches zu bieten: Hier gibt es die „Zuckerbäckerstiege“, die nicht nur in die Hofzuckerbäckerei führte, sondern auch genutzt wurde, um unauffällig die Burg zu verlassen. Franz Stephan von Lothringen, Maria Theresias Gemahl, soll diese Fluchttreppe genutzt haben, um seine „G’spusis“ zu besuchen.

Über die Taubnessel wiederum lernt man, dass sie in Kombination mit Schokolade einen leicht bitteren bis minzig-harzigen Geschmack entwickelt. Dazu gibt es Rezepte für einen saftigen Taubnessel-Schokokuchen (siehe unten), Taubnessel-Crème-Caramel oder Taubnessel-Power-Balls.

Und so führt die Autorin in 13 Kapiteln durch die Stadt – von Hofburg über Türkenschanzpark und Narrenturm zum Donauturm. Und auch durch die Jahreszeiten: Im letzten Kapitel landet sie am Graben bei den Tannen, die im Dezember dort verkauft werden. Denn aus den Nadeln lassen sich Sirup, Zuckerl oder Eis herstellen.

Das zitronig-frische Tanneneis schmeckt auch im Winter gut .

©Mayer mit Hut

Ein bis drei Hauben

„Ich habe alle Rezepte ausprobiert und verfeinert. Zum Beispiel, wie viele Tannennadeln die richtige Dosis sind, damit es nicht allzu sehr nach Sauna schmeckt“, sagt Rath und lacht. Kleine Haubensymbole zeigen den Schwierigkeitsgrad des jeweiligen Rezepts.

Nicht-Bäcker können sich also an den Anekdoten im Buch erfreuen. Und für Nicht-Wiener findet sich im Anhang ein Glossar mit den wichtigsten Wiener Begriffen von „Ansa Panier“ (Sonntagskleidung) bis „Zuagraster“ (Zugereister). „Fad“ (langweilig) wird einem bei der Lektüre jedenfalls nicht.

Info: wildes-wien.at

Johanna Kreid

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