Dry Martini short drink cocktail with gin, dry vermouth and an olive garnish.

James Bonds Martini ist eigentlich ein Witz

Jeder kennt ihn, er ist ein Weltstar unter den Drinks. Aber ausgerechnet der berühmteste Martini ist im Grunde gar keiner...

Gibt es einen bekannteren Drink als den Martini? Oder einen cooleren? Wobei er beides doch in großem Ausmaß einem fiktiven britischen Geheimagenten namens Bond zu verdanken hat. James Bond.

Und genau hier fängt es an, ein wenig diffus zu werden, echte Puristen würden vielleicht sogar sagen: obszön. Weil der Martini Cocktail ja eigentlich in seiner Klarheit unübertrefflich ist und daraus auch sein gewisses Etwas generiert. Aus dieser verblüffenden Simplizität: Man nehme Gin und einen Spritzer Wermut. Und aus. Wobei die Sache mit dem „Schuss“ Wermut ursprünglich nicht ganz so spartanisch ausfiel. In den frühen 1920ern, als der Martini Cocktail so richtig hip wurde, mixte man ihn im Verhältnis 2:1. Also zwei Teile Gin, ein Teil Wermut. Im Lauf der Jahre wurde der Cocktail dann immer „trockener“, die International Bartender’s Association empfiehlt heute ein Mischungsverhältnis von 6:1. Na prost, der haut doch ganz schön rein, wenn man, wie in vielen Fernsehserien üblich, schon zu Mittag damit anfängt…

Wie sieht dagegen der Martini des Herrn Bond aus? 1953, damals noch ausschließlich in Buchform, gibt er dem Barkeeper ganz genaue Anweisungen: Drei Teile Gordon’s Gin, ein Teil Wodka, dazu ein halber Teil Kina Lillet. What?! Das geht ja von Anfang an überhaupt nicht. Entweder Gin ODER Wodka – aber einfach beides zusammen? No way! Und Kina Lillet? Ein französischer Likör statt eines italienischen Wermuts, uff, das tut weh. Aber James Bond setzt noch einen drauf: „Geschüttelt, nicht gerührt“, sagt er doch tatsächlich. Sowas tut man nicht. Weil klare Drinks, die praktisch nur aus Alkohol bestehen, immer gerührt werden. Um zu verhindern, dass das Getränk durch Mini-Eissplitter getrübt wird. Oder gar verwässert, Gottbewahre!
 

Warum Mr. Bond das macht? Vielleicht ja, um gleich mal zu zeigen, dass er sich nichts scheißt, sich an keine Regeln hält. An der Bar quasi genauso wie im Kampf gegen weltbedrohende Superschurken. Provokant und lässig eben. Es könnte auch sein, dass er einfach keine Ahnung hat – was allerdings unwahrscheinlich ist, denn sein geistiger Vater Ian Fleming gilt als großer Liebhaber spiritueller Getränke – und soll eben diesen Mix in der berühmten Dukes Bar in London selbst erfunden haben.

©Picturedesk

Und wahrscheinlich hat er diebisch gegrinst, als er sich von den Barkeepern, die damals schon dafür berühmt waren, die „stiffest“ Martinis der Welt zu mixen, seine beinahe ungeheuerlich unorthodoxe Version servieren zu lassen. Ein Witz also vielleicht, aber ein durchaus nachhaltiger.

Der Cocktail wird von der IBA mittlerweile offiziell als Vesper Martini geführt, benannt nach der großen und einzigen Liebe in James Bonds Leben, Doppelagentin Vesper Lynd. Und ist nur eine von sehr vielen Varianten des Klassikers. Mit Zwiebel statt Olive nennt man ihn Gibson, beim Bronx kommt Orangensaft dazu, der Porn Star Martini wird mit Passionsfruchtsaft und Prosecco aufgespritzt, Filmemacher Luis Bunuel mochte Angostura Bitters in seinen Martini, Winston Churchill ließ außer Gin gar nichts in sein Glas, weshalb man absurderweise puren Gin bekommt, wenn man einen Churchill Martini bestellt.

Richtig gut ist auch der sogenannte Dirty Martini, wie ihn Kan Zuo in seiner Wiener Bar „The Sign“ serviert.

Rezept

Dirty Martini

Zutaten

45 ml Wodka
45 ml Olivenlake
15 ml Sherry (Fino)

Zubereitung

1 / Alle Zutaten im Tumbler mit großen Eiswürfeln 15-20 Sekunden rühren (nicht shaken! ;)

2 / In ein vorgekühltes Martiniglas abseihen. Mit Olive dekorieren.

Ausgetrunken

ist ein digitales Format der freizeit. Jede Woche beleuchten wir den Hintergrund und die Geschichte eines berühmten Drinks.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

Kommentare