Gericht vom kolumbianischen Koch Jaime Rodriguez. Unter den bunten Blättern verbirgt sich roher Thunfisch.

Mehr als Tacos: Lateinamerikanische Küche boomt - auch in Wien

Eine neue Generation von Köchen besinnt sich auf die Traditionen und Aromen ihrer Länder und interpretiert sie neu. Manche sehen das "next hot thing" nach der Skandinavischen Küche.

Tacos aus Mexiko, Rotweine aus Chile, Rindfleisch, Kaffee aus Kolumbien - als Europäer hat man ein kulinarisches Bild von Lateinamerika im Kopf, das so nicht mehr stimmt. 

Da wäre zum Beispiel eine grüne Pflaume, die wie eine große Olive ausschaut - und auch geschmacklich an eine erinnert. Jaime Rodriguez hat diese alte, teilweise in Vergessenheit geratene Tradition seiner Heimat Kolumbien aufgegriffen. Er serviert sie zu einem fruchtigen Signature-Aperitif aus kolumbianischem Rum, Rosé und einem Saft aus Pflaumenblättern.

Der 37-jährige servierte diese Kreation und einige seiner Speisen während seines Gastaufenthalts vor einigen Tagen in Wien. Mit seinem Restaurant "Celele" in Catagena an der Westküste Kolumbiens wird er auf der Liste "Latin America's 50 Best Restaurants" auf Platz 17 gereiht.  

Er ist ein Vertreter jener Generation lateinamerikanischer Küchenchefs, die die Traditionen und Aromen ihrer Heimatländer neu interpretieren und den Lebensmitteln Respekt entgegenbringen. 

©Z'som

Neuer Blick auf lateinamerikanische Küche

Dieser neue Blick auf die spannende lateinamerikanische Küche ist in Österreich noch nicht so ganz angekommen. Weltweit wird allerdings das Potenzial mehr und mehr entdeckt. Im jahr 2025 wird der Michelin-Guide in Mexiko, Brasilien und Argentinien erscheinen. Schon jetzt befinden sich auf der renommierten Liste der "World's 50 Best Restaurants" zwölf Lateinamerikaner. Für manche bereits ein Hinweis, dass Lateinamerika ein Nachfolger der skandinavischen Küche wird.

So wie sich dort 2004 Köche auf die Produkte und Traditionen ihrer Heimat fokussierten und mit modernen Techniken weiterentwickelten, geschieht dies auch in Lateinamerika. "Es ist ein Boom spürbar, es gibt ein gemeinsames Ziel und Unterstützung zwischen den Köchen aus verschiedenen Ländern", sagt auch Diego Briones

Wiener Lokal "Z'som": Globale Küche, lokal gedacht 

Der gebürtige Chilene betreibt mit seiner Tiroler Ehefrau Judith Lergetporer in Wien das Restaurant "Z'som" und holt immer wieder lateinamerikanische Köche für gemeinsame Kochabende nach Wien. Warum das Potenzial Lateinamerikas jetzt erkannt wird, sieht er in einer neuen Köchegeneration. Viele haben ihre Lehrjahre in der ganzen Welt und Europas verbracht. "Früher war man vielleicht etwas schüchtern, was die Qualität unserer Küchen betrifft. Da hat es diesen Stolz, unsere Wurzeln, Techniken und Traditionen zu zeigen, noch nicht so gegeben."

©Z'som/Graeme Kennedy

Er selbst kocht in seinem Restaurant zwar eine "globale Küche mit lateinamerikanischem Einschlag". Die Philosophie der lokalen Produkte lebt er auch hier: Wenn er etwa "Asado de otoño" serviert, kommt das Fleisch für den gegrillten Rehrücken aus Österreich, Kaktusfeigen für die reduzierte Sauce und Gewürze wie gelber Chili werden importiert.  

Vorspeisen-Variation von Diego Briones.

©Z'som

Ebenso die chilenische Alge "Cochayuyo", zu deutsch Ochsenschwanzalge. Sie ist so etwas wie die "Nationalalge" seines Heimatlands, die schon die Ureinwohner, die Mapuche, aßen. Briones verarbeitet sie in seiner Interpretation der lateinamerikanischen Bratwurst "Buttifarra" - für die er zwar die gleichen Gewürze, aber Kabeljau statt Fleisch verwendet.

Jaime Rodriguez wiederum stammt aus der kolumbianischen Karibik, und das spiegeln seine Kreationen wieder. Für "Crudo de Antun" serviert er rohen Thunfisch mit einem Chimchurri (argentinische Gewürzmischung) aus dem gängigen Gemüse Okra und karibischem Sesam mit Moringa-Öl. Überraschenderweise würzt er unter anderem mit Zatar - eine arabische Gewürzmischung, die auch bei uns immer beliebter wird. 

Der Hintergrund: "In der kolumbianischen Küche gibt es auch viele orientalische Einflüsse." Die Karibik würdigt er sogar visuell in seinem Signature-Gericht: Mit kräftig gelben Blüternblättern und Grün dazwischen erinnert es an die Papageien, die in den Moringa-Bäumen leben.

Was ist lateinamerikanische Küche überhaupt?

Angesichts so vieler Einflüsse zwischen scharfen Tacos mit Salsa in Mexiko bis zu karibischem Moringabäumen: Kann man da überhaupt von einer lateinamerikanischen Küche sprechen? Man könne durchaus, betont Jaime Rodriguez beim KURIER-Gespräch. "Die Länder haben gewisse Zutaten und Herstellungsformen gemeinsam, sie heißen nur anders. Zum Beispiel Maisfladen. Das große Privileg der lateinamerikanischen Küche ist ihre Diversität."

Ingrid Teufl

Über Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

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