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Mehr als nur Würze: Warum Senf unverzichtbar ist

Der Küchenklassiker aus Glas oder Tube hat viel Charakter und Tradition – und sogar einen eigenen Feiertag.

Verliebt  tanzende Paare in sattgelb  blühenden Feldern: Mit Romantik verbindet man  Senf im Allgemeinen wohl eher selten. Eher mit Frankfurtern, Brettljause oder Altwiener Backfleisch, wo die scharfe Würzpaste eine fast unverzichtbare Rolle spielt.  In indischen Bollywoodfilmen sind Senffelder hingegen eine häufig genutzte Kulisse für kitschig-romantische Szenen.   Statt der blühenden Senfpflanze beschäftigt kulinarisch meist die simple Frage „Siaßn oder Schoafn?“ Was schade ist, denn Senf wird oft unterschätzt und hat durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient. Weshalb seit 1992 (ausgehend von den USA) am ersten Samstag im August der „Tag des Senf“ begangen wird.

Warum Dijon-Senf nicht nur in Dijon hergestellt wird

Geschichte 
Das erste überlieferte Senfrezept stammt aus dem 1. Jahrhundert nach Chr. von den alten Römern. Senfkörner wurden allerdings vermutlich schon viel früher als Würzmittel genutzt. Doch erst Karl der Große ließ um 800 Senf in seinem Fränkischen Reich im großen Stil anbauen.  


Medizin 
Beim Aufbrechen der Senfkörner reagieren Senfölglykoside mit Enzymen – Senföl entsteht. Es wirkt antibakteriell und entzündungshemmend. Die alten Ägypter dürften bereits Pasten aus Senfkörner auch als Heilmittel genutzt haben. In der Volksmedizin setzte man Senfmehl etwa als Fußbäder oder Wickel  gegen Erkältung ein.


Senfherstellung 
Estragon-, Kremser- und etliche Spezialsenfe werden mit dem „Bordeaux-Verfahren“  hergestellt. Es ist auch als „Deutsches Verfahren“ bekannt, weil es hauptsächlich im deutschen Sprachraum eingesetzt wird. Die Senfkörner werden dafür aufgebrochen, dann mit Wasser, Essig, Salz, Gewürzen vermaischt sowie vermahlen. 
Für Dijon-Senf wird im Unterschied dazu das ganze Senfkorn aufgequollen, die Schalen später entfernt. Dadurch und durch die Verwendung von braunen und schwarzen Körnern entsteht ein besonders scharfer Senf, der aber über keine geschützte Herkunftsbezeichnung verfügt.  
Das Englische Verfahren wird naturgemäß hauptsächlich in Großbritannien angewendet. Gelbe und braune Senfkörner werden zu Pulver vermahlen und mit Würzmitteln zu einer Paste gerührt. 

Estragon oder Kremser?

Über Senfpflanze, Senfkörner und die unterschiedlichen Herstellungsprozesse, die den jeweiligen Lieblingssenf ausmachen, macht man sich naturgemäß wenig Gedanken. Schon gar nicht, während der Senf aus der Tube gedrückt oder aus dem Glas gelöffelt wird.

Aber Senf ist bekanntermaßen nicht Senf. In Österreich wird zwar zu über 50 Prozent zum eher scharfen Estragon-Senf gegriffen, der süßere Kremser-Senf macht noch immer 16 Prozent aus. Laut Statistiken der vom Land- und Forstwirtschaft unterstützen Plattform „Land schafft Leben“ gibt es bezüglich Vorlieben ein Ost-West-Gefälle: In Richtung Bayern wird der Senf zunehmend süßer. Allerdings noch lange nicht so wie in den USA. Der auch in Europa bekannte „American Mustard“ erinnert eher an eine milde Senfsoße. Im Gegenzug dazu gilt Englischer Senf generell als sehr scharf, ebenso ist der französische Dijon-Senf für seine typische Schärfe bekannt.

Maischen und Mahlen

Im Wesentlichen geht es dabei um das Vermahlen von Senfkörnern, das Mischen mit Flüssigkeit und das Reifenlassen. Dafür werden verschiedene Herstellungsverfahren angewendet, auch die Mischung der Senfsamen hat Einfluss auf die Schärfe. „Die Basis für ‚Schoafen’ und ‚Siassen’ ist Gelbsenfsaat“, erklärt man etwa beim österreichischen Marktführer Mautner-Markhof. 5.000 der jährlich in Österreich produzierten Menge von 8.500 Tonnen kommen aus der Fabrik in Wien-Simmering.

Wesentlich für die Senfherstellung ist der Mahlprozess der Maische: Der Mahlgrad bestimmt die Feinheit der Senfpaste, darf jedoch maximal 60 Grad erreichen, um die ätherischen Senföle nicht zu zerstören. „Estragonsenf wird doppelt vermahlen, so erhält er seine bekannte, fein-cremige Existenz“, heißt es bei Mautner-Markhof. Bei Kremser Senf sind hingegen die Schalen der enthaltenen Braunsenfkörner als die markanten Punkte noch sichtbar.

Die traditionell verwendeten Granitsteine sind in der industriellen Produktion robusteren Maschinen gewichen. Doch handwerklich arbeitende Senfmanufakturen wie Eva und Norbert Eder aus dem Mühlviertel setzen mit ihrem „Prankrazhofer Bio-Senf“ bewusst darauf. Sie arbeiten mit Senfmüller Thomas Weber zusammen, der in Telfs eine der wenigen traditionellen Granitmühlen betreibt. „Damit sind alle wertvollen Inhaltsstoffe im Senf drinnen.“

Handwerk

Wie die Eders auf den Senf gekommen sind, war für die beiden Bio-Bauern ein natürlicher Prozess. Eva Eder produziert selbst Fruchtessig. „Je nach Rezept besteht Senf aus bis zu einem Drittel Essig. Aber auf fast jeder Tube Senf ist als Zutat Weingeistessig, der aus Industriealkohol vergoren wird, angegeben“, sagt sie. Bei echtem Fruchtessig werde der Zucker im gepressten Apfelsaft zu Alkohol und dann Essigsäure.

Natürliche Geschmacksstoffe bleiben dadurch erhalten und geben auch dem Senf seine eigene Würze. Mittlerweile bauen sie selbst auch Senf an – die Hauptanbauprodukte in Österreich konzentrieren sich auf Ostösterreich. Vier Sorten werden nach altem Herstellungsverfahren produziert. Abgefüllt wird er ebenso wie früher im Glas.

Dabei könnte man Österreich glatt als Tubenland bezeichnen. Aufgrund Rohstoffmangels verpackte Mautner-Markhof schon bald nach dem Beginn seiner Senfproduktion 1921 die Paste in Aluminiumtuben mit Schraubverschluss. Eine Notlösung, die schnell zur praktischen Alternative wurde und Nachahmer fand.

Ingrid Teufl

Über Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

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