Zitronen aus Sizilien sorgen für Schmetterlinge im Bauch
Marktgeschichten, Folge 9: Die Zitrusfrüchte wecken Erinnerungen an warme Sommertage zurück.
Es ist ein kalter, grauer Tag, als ich über den Markt gehe und die Marktstandler grüße. Wenn auch die ersten Blümchen durch die braune Erde blitzen, Frühling liegt noch nicht in der Luft. So eile ich zu Erol, um nach buntem, gesundem Obst Ausschau zu halten. „Blutorangen aus Sizilien sind da!“, ruft er. „Gerade richtig, um ein bisschen Sonne ins Leben zu bringen!“ antworte ich.
Wo die Zitronen blühen
Zitrusfrüchte stammen aus den tropischen Gebieten Asiens und wurden einst von Alexander dem Großen in den Westen gebracht. War die knubbelige Zitronatzitrone, deren Schale kandiert wird, die erste der Agrumen, die Europa gesehen haben, brachten jüdische Migranten Zitronen und
Pomeranzen, also Bitterorangen mit sich. Im 18. Jahrhundert verkauften Zitronenhändler ihre Waren im deutschen Raum und Künstler wie Goethe oder Johann Strauss ließen sich auf Italienreisen von den Südfrüchten verzaubern. Und so stehen die Klänge vom Walzer „Wo die Zitronen blühen“, die heuer vom Musikverein in die Welt tanzten, für unsere Sehnsucht nach Licht und Heiterkeit.
Zurück zum Marktstand. „Blutorangen brauchen viele Grade Temperaturunterschied, damit sie so schön rot werden“, meint Erol, mein Zitronenhändler. „Quasi vom Frost geküsst und von der Sonne erwärmt“, schmunzelt eine ältere Dame, „ich mache gleich heute einen Wintersalat mit Roten Rüben und Blutorangen, mit Minze und gerösteten Mandeln.“ „Ich schneide die Orangen in Scheiben und serviere sie mit Zimt bestreut, wie in Marokko!“, ruft ein junger Mann, der ein Baby im Tragetuch hält. Oh, ein Orangensalat mit Zimtdressing, eine gute Idee, denke ich mir.
„marmelade“ und „jam“
Im Café erzählt mir eine Studentin von ihrer Reise nach Sevilla, wo die Orangen mitten in der Stadt von den Bäumen auf die Straßen fallen und all diese bitteren Früchte zur berühmten englischen Orangenmarmelade verarbeitet werden. Und sie ist die einzige, die als „marmelade“ zum Tee serviert wird, während alle anderen Früchte zu, „jam“ verkocht werden.
In unserer Küche rühre ich meinen berühmten „8 Minuten-Kuchen“ zusammen, den ich Freunden, die jammern, wie aufwendig das Backen doch sei, gern unter die Nase reibe. Eine Hälfte wird der Boden für unsere Zitronentorte, die andere nehme ich für die Skitour morgen mit. Wie gern denke ich an all die Bergerlebnisse und Picknicke, die uns der Zitronenkuchen versüßt hat. Später rühre ich die Zitronencreme für unsere Zitronentarte, als mir der Älteste ein Löfferl davon stiehlt. „Hmm, ist das gut! Würde sie auch in einen Salat mit gebratenem Chicorée passen?“ „Gute Idee!“, meint Daniel, der Koch. „Und die Tarte hat sich auch ein paar Frühlingsgefühle verdient! Wie wäre es mit knusprigem Lavendelbaiser?“ Aber das ist eine andere Geschichte.
Zitrusfrüchte vor dem Pressen mit sanftem Druck hin- und herrollen.
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