Marktgeschichten

Quitten: Vom antiken Liebessymbol zum Energie Booster

Marktgeschichten, Folge 6: Diese Frucht symbolisiert seit der Antike Liebe und Glück.

Ein kühler Wind weht mir ins Gesicht, als ich an diesem Novembermorgen über den Markt eile. Ich bleibe bei Erol stehen, wünsche ihm einen guten Morgen, als mein Blick auf eine Kiste voller goldgelber Quitten fällt. „Das sind schöne reife Apfelquitten, riech mal, wie sie duften!“, ruft er mir zu. Ich stecke meine Nase in die Früchte und bin verzaubert von ihrem blumigen Aroma. Ich habe die Quitte, dieses vergessene Obst, vor ein paar Jahren im Nachbargarten kennengelernt. Beim herbstlichen Hundespaziergang ist mir der Baum aufgefallen, der über und über mit den gelben Früchten behängt war. So bin ich mit der Nachbarin ins Gespräch gekommen und sie hat mir von den Quitten erzählt, die ich mir gerne abholen könne. Gesagt, getan, die Quitten wurden gebrockt, vom Flaum befreit, mit Kraft geschnitten und mit Gewürzen und Zitronensaft pochiert.

Metamorphose zum Glück

Nur der Liebste, damals oft beruflich in der Türkei unterwegs, machte mir einen Strich durch die Rechnung. „Nicht so gut wie in der Türkei“, war das Urteil. Bis ich eines Abends die Quitten vergaß  und erst kurz vor dem Zubettgehen den Topf aus dem Backrohr holte. Da war die  Metamorphose passiert – die unscheinbaren, blassen, holzigen Früchte verwandelten sich in purpurfarbene, duftende Köstlichkeiten. Nun verstand ich auch, warum die Quitte die Frucht der Göttin Aphrodite ist – nicht nur ihre üppigen Kurven, sondern auch ihr Duft symbolisieren seit der Antike Liebe, Fruchtbarkeit und Glück. Ihren Ursprung hat die Quitte im Kaukasus, die Römer lernten sie bei den Griechen kennen und brachten sie über die Alpen zu uns.

©Getty Images/CactuSoup/Istockphoto

Zurück zum Marktstand. „Ah, es gibt Quitten! Da ist der Winter nicht mehr weit!“, ruft eine ältere Dame. „Gerade richtig für das Quittenrotkraut zum Martinigansl! Und Quittenkäse kann ich heute auch gleich machen.“ – „In Spanien wird er Membrillo genannt und zu Manchego, dem spanischen Schafkäse, gegessen“, schmunzelt ein junger Mann, dessen Pullman Kapperl ihm ein verwegenes Aussehen gibt. „Ich möchte einen Lammtopf mit Quitten machen, mit Zimt und Safran, den habe ich im Urlaub in Marokko gegessen!“

Herbstsalat mit Quitten

Das werde ich meinem Koch Daniel vorschlagen. Der hat noch eine  Idee: Ein Herbstsalat mit pochierten Quitten, Ziegenkäse und Gewürz-Haselnüssen. Während ich die Quitten zuhause in Stücke schneide, denke ich daran, dass diese Frucht für mich  Mußestunden an  Herbstabenden symbolisiert. Ich stelle die Quitten ins Backrohr und habe  nichts anderes zu tun, als  Kerzen anzuzünden und mich mit dem Lieblingsbuch aufs Sofa zu setzen.
Am nächsten Tag koche ich die Marmelade, die mir von nun an mein Frühstücksbutterbrot versüßt, und die ersten Geschenke für meine Freundinnen sind so auch schon fertig. Ein Gläschen Marmelade darf bis Weihnachten durchziehen – serviert wird sie bei uns traditionell zum selbst gemachten Hühnerleberaufstrich. „Apropos Martinigansl“, sagt der Jüngste im Café zu mir, „Mit dem Quittensirup könnten wir doch mit Prosecco, Eiswürferl, Soda und ein bisschen Zitrone einen herbstlichen Aperitif kredenzen!“
Aber das ist eine andere Geschichte.

Tipp

Quitten sollten einander bei der Lagerung nicht berühren und fühlen sich in einem kühlen Raum am wohlsten.

Über Nicole Ott

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